Variabilität und Virtuosität an der Sandtner Orgel
Matinee Arno Hartmann aus Bochum fasziniert beim Dillinger Orgelsommer mit Toccaten in der Klosterkirche
Dillingen Eine Toccata ist ein Tonstück für Tasteninstrumente, das Nachdruck legt auf bewegtes Figurenwerk und das mit breiten Akkordfolgen kontrastiert. In der fünften Matinee des Dillinger Orgelsommers offerierte der künstlerische Leiter der Bochumer Orgelund Bachtage Arno Hartmann Toccaten aus mehreren musikgeschichtlichen Epochen. Damit konnte der Wandel nachvollzogen werden, wie sich die stilistische Auffassung veränderte.
Der Organist machte den Unterschied mit angepasster Registrierung nachvollziehbar. Es gab klare Struktur und überschaubare Geläufigkeit in einer anonymen Toccata aus dem Jahre 1650. Dagegen erhielt silbrig glänzend die „Tocata 33 in a-Moll“durch geschickte Imitationen und Echowirkungen eine besondere Note. Die „Tocata 23 in G-Dur“des gleichen portugiesischen Komponisten Carlos Seixas aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gewann durch abwechslungsreiche Registrierung ein eigenes Profil, stark an Scarlatti erinnernd.
Über allen diesen Toccaten thronte die dreiteilige Toccata BWV 564 von J. S. Bach. Arno Hartmann erwies sich als ein expliziter Kenner des anspruchsvollen Werkes. Es war erstaunlich, wie der Organist schon in der Introduktion die weitläufigen Tonleiterpassagen entwickelte und die Modulationsfreudigkeit Bachs aufschloss. Das Pedalsolo gelang in beeindruckendem Tempo und mit unglaublicher Sicherheit, in den weiteren Passagen blieb die Spannung stets gewahrt. Mit großer Spielfreude, fließenden Sechzehntelbewegungen und rhythmischer Exaktheit entfaltete Hartmann die Fuge. Den Adagio-Einschub belebte eine helle Flöte tröstlich, schwebend bei dezenter Begleitung.
Ebenso lyrisch gestimmt Bachs Orgelchoral „Schmücke dich, o liebe Seele“(BWV 654), bei dem Arno Hartmann die Melodie auf dem Schwellwerk prägnant über ruhig fließenden Achtelketten hervorhob. Zum 120. Todesjahr von Johannes Brahms brachte der Organist dessen Choralvorspiel „Herzlich tut mich erfreuen die liebe Sommerzeit“als dynamischen Gegensatz von dreistimmiger Piano-Vorimitation und vierstimmiger Forte-Hauptmelodie. Als Premiere in Dillingen die „Drei Tonstücke“op. 22 von Niels Wilhelm Gade zum Gedenken an sein 200. Geburtsjahr. Dabei handelt es sich um romantische Orgelmusik von melodischer Innigkeit und harmonischer Fantasie im Moderato, einem idyllischen Monolog im Allegretto und der Finalwirkung im Stil einer Toccata im Allegro con fuoco. Beeindruckend und überzeugend, wie temperamentvoll Arno Hartmann die Matinee beendete.
Die zahlreichen Zuhörer belohnten mit reichem Applaus die faszinierenden Interpretationen in dieser vormittäglichen Stunde.