Arbeiten, damit andere entspannen können
24 Stunden Serie (1 Uhr) Nach Mitternacht macht es Murat Köktürk seinen Gästen möglich, das Wochenende bei leckeren Drinks zu genießen. Der Wertinger Barkeeper steht dann unter Strom, wenn andere abschalten wollen
Murat Köktürk leitet das Wertinger P2. Er macht den Auftakt unserer Serie „24 Stunden“, in der wir Arbeitstage beleuchten.
Unsere neue Serie „24 Stunden“begleitet Menschen bei ihrer Arbeit. Zu jeder Stunde – auch bei Nacht – begleiten wir sie bei dem, was sie zu dieser Zeit machen. Die Serie endet um 24 Uhr. Wertingen Auf der anderen Seite lachen die Leute. Da klimpern die Gläser zusammen, wird gelacht, getrunken, geküsst. Der Anfang des Wochenendes gefeiert eben, von der weitgehend jungen Besucherschaft der Wertinger Cocktailbar P2.
Seine Kunden entspannen, Murat Köktürk nicht. Es ist kurz nach Mitternacht, und der 37-Jährige muss am laufenden Band Drinks mixen – Mojitos, Caipirinhas, Milchshakes. Was er da tut, wirkt virtuos. So, als könnte er auch mit verbundenden Augen aus Eis, Fruchtsaft und Spirituosen die kleinen Kunstwerke erschaffen, die nun im Minutentakt von der Servicekraft auf den Weg zu den Gästen gebracht werden. Er wirkt hoch konzentriert, aber nicht gehetzt. Gerade hat sich wieder eine ganze Gruppe junger Leute auf den Barhockern direkt vor seiner Nase niedergelassen und will bestellen. Köktürk hat für alle noch ein gewinnendes Lächeln und ein „Hi zusammen“übrig, während er ohne eine Sekunde zu verlieren weiter drei WodkaBulls zusammenmischt.
Am nächsten Tag wird Köktürk sagen, dass er und sein Team „ein bisschen auf dem falschen Fuß“erwischt worden sind. Das Wetter ist gut an diesem Sommerabend, auch auf der Terrasse sitzen die Gäste dicht gedrängt. Bei solchem Andrang hätte eigentlich die „Vollbesatzung“hergemusst, heute ist das P2 mit insgesamt sechs Personen fast unterbesetzt. Doch Köktürk hat ein gutes Team, wie er sagt. Er selbst ist ein „Allrounder“, der überall anpackt, wo es eben sein muss. Meistens ist er aber auf der Position, wo er heute Abend auch steht: der „Barkeeper“.
Wie viele Drinks er an diesem Abend gemixt hat, kann er am nächsten Tag nicht einmal abschätzen. „Da steht man einfach unter Strom, wenn es eng wird“, sagt er.
Köktürk sagt, in seiner Branche gebe es einen Spruch: „Einmal Gastro, immer Gastro.“Er selbst wuchs in das Gewerbe hinein. Der Vater hatte auch schon eine Gaststätte, da half er früh mit. Seine ers- te eigene Bar eröffnete er mit 22 in Fischach.
Vor exakt zwei Jahren, am 1. August 2015, kam dann das neue Kapitel in Wertingen. Zwischenzeitlich hatte ihn die Lust auf das Barkeepergewerbe verlassen. Doch
„Man hat einen sehr speziellen Tagesrhythmus, das bringt der Beruf mit sich.“
als sich eine günstige Gelegenheit in der Zusamstadt auftat, schlug er zu und übernahm die Bar direkt gegenüber dem Schloss.
„Man hat einen sehr speziellen Tagesrhythmus, das bringt der Beruf mit sich“, erzählt Köktürk. Während er gerade die Gäste mit Drinks für den Feierabend versorgt hat, ist sein eigener noch in weiter Ferne. Bis er mit allen Aufräumarbeiten fertig ist, wird es heute nach 3 Uhr nachts sein.
In Wertingen arbeitet es sich sehr angenehm, sagt der 37-Jährige. „Wir haben ein sehr gutes Publikum“, sagt der Barkeeper, und meint: Kaum jemals muss er eine Ansage machen oder einem Gast den nächsten Drink verweigern. Denn manch einer „schaut auch mal über den Glasrand hinaus“, wie es Köktürk diplomatisch ausdrückt. Soll heißen: Hin und wieder ist ein Gast betrunken und reizbar. Doch in einer sehr „familiären“Umgebung wie in Wertingen kenne man die meisten Gäste zumindest vom Sehen, sodass man die allermeisten Konflikte schon im Keim ersticken kann, wie er erzählt. Um 0.30 Uhr wirken einige der Gäste ein bisschen beschwipst, wirklich betrunken niemand. Es wird ein anstrengender, aber friedlicher Abend für den Barkeeper bleiben. Trotz seines Dauereinsatzes am Cocktailshaker müsse er aber immer noch den Überblick über seine mehreren Dutzend Gäste haben, wie er sagt.
„Laufkundschaft“hat Köktürk in seiner Bar weniger. Diese ist dezent und stilvoll eingerichtet, auch die Musik läuft an diesem Abend eher zurückhaltend im Hintergrund. In der Luft liegt der Geruch des aromatisierten Tabaks, der in den
Schon in seiner Jugend half Murat Köktürk in der Gaststätte der Familie mit
„Shishas“, den orientalischen Wasserpfeifen mit Schläuchen, geraucht wird. Ein Mitarbeiter Köktürks ist dafür zuständig, die Rauchbedürfnisse der Gäste zu erfüllen.
Köktürk selbst raucht in seiner Freizeit auch gerne mal Shisha. Seine Arbeit tut diesem Hobby keinen Abbruch. Er sagt, es mache ihm nichts aus, dass er bei der Arbeit stets den intensiv riechenden Rauch abkriegt. Er kann sich noch gut an die Zeiten erinnern, als im Inneren seiner Bar, damals in Krumbach, noch Zigaretten geraucht werden durften. Er qualmte auch selbst, hinter der Bar, das seien gefühlt noch ganz andere Zeiten gewesen. Am Anfang war er wenig begeistert vom Rauchverbot, jetzt hat er sich damit arrangiert. „Dieser Zigarettenrauch hat ja auch ganz furchtbar gestunken“, sagt Köktürk. Im Gegensatz zum Shisha-Rauch, den findet er angenehm. Die Wasserpfeifen sind gerade sehr gefragt, sagt der Barkeeper.
Wie lange er diesen Beruf noch machen will, auf diese Frage kann Köktürk auch nach ausgiebiger Bedenkzeit keine Antwort geben. Er mag, was er tut. Am Wochenende ist seine Hauptarbeitszeit, und auch unter der Woche muss er als Selbstständiger schon oft Vorkehrungen treffen – die Bestände prüfen, Bestellungen aufgeben, Personal einteilen. Bis er und sein Team wieder „Gas geben und unter Strom stehen“, damit die Gäste zufrieden sind.