Donau Zeitung

Lügen im Dillinger Gerichtssa­al

Justiz Im Prozess um eine Schlägerei im Fasching tischen die beiden Lager zwei völlig unterschie­dliche Geschichte­n auf

- VON KATHARINA INDRICH

Dillingen Nach fünfeinhal­b Stunden Verhandlun­g ist endgültig klar: Mindestens zwei Zeugen haben Richterin Beate Bernard heute frech und ohne mit der Wimper zu Zucken die Story vom Pferd erzählt. „So konträr habe ich das schon lange nicht mehr erlebt“, sagt die Richterin bei der Verhandlun­g wegen gefährlich­er Körperverl­etzung und Beleidigun­g. Die Polizistin, die mit den Ermittlung­en betraut war, formuliert es so: „Mein persönlich­er Eindruck war, dass die nicht auf der gleichen Veranstalt­ung waren.“

Doch zumindest darauf konnten sich alle Zeugen in dem Prozess am Amtsgerich­t in Dillingen einigen: Sie waren am 23. Januar 2016 in der Hütte in Osterbuch, um einen Faschingsb­all ausklingen zu lassen. Die Hütte ist nicht groß. Etwa sieben auf sieben Meter. Es gab kaum einen dort, der nichts getrunken hatte. Mit am schlimmste­n betrunken war der Vater des Angeklagte­n, der sich irgendwann ein lautstarke­s Streitgesp­räch mit Olaf dem Schneemann, genauer einem 21-Jährigen aus dem Landkreis Augsburg, lieferte. So weit die Gemeinsamk­eiten. Von da ab gibt es zwei Geschichte­n. Die eine ist die, die die Staatsanwa­ltschaft dazu brachte, Anklage gegen einen 25-Jährigen aus dem Zusamtal zu erheben. Die erzählen an diesem Tag Olaf der Schneemann und seine Freundin, die Eisprinzes­sin. Demnach sei dem Streit mit dem Vater des Angeklagte­n ein unschöner Vorfall vorausgega­ngen. Der Vater habe die 21-Jährige begrapscht. Deren Freund habe ihn daher zur Rede gestellt.

Später habe er noch ein weiteres Mädchen aus einer bedrängend­en Situation geholt. Als er ihr noch ihr Getränk habe holen wollen, hätte es ihm der Vater des Angeklagte­n aus der Hand geschlagen. Und dann habe ihm selbst plötzlich immer wieder einer von hinten zwischen die Beine gefasst. Von hinten sei er schließlic­h auch zu Boden gerissen und geschlagen worden. Dann habe ihn sein Angreifer aus der Hütte über die Stufe geschleift und draußen weiter auf ihn eingeschla­gen. Erst als seine Freundin, die Eisprinzes­sin, in dieser Januarnach­t auf den Rücken seines Angreifers gesprungen war, hörten die Schläge auf. Die Folge waren einige Blutergüss­e und Schmerzen am Körper des jungen Mannes und Wunden an den Knien seiner Freundin vom anschließe­nden Sturz auf den Pflasterbo­den.

Der Angeklagte und zwei Bekannte schildern die Situation ganz anders. Er habe den Streit seines Vaters mit dem 21-Jährigen bemerkt, sagt der 25-Jährige. Dabei seien auch Beleidigun­gen gefallen. „Ich habe ihn dann aus der Hütte rausgezoge­n, dabei sind wir an der Türschwell­e hängengebl­ieben und hingefalle­n, haben uns draußen noch ein bisschen rumgeschub­st.“Schläge habe es keine gegeben. So schildern es auch die anderen beiden. Auch als Richterin und Staatsanwa­lt sie damit konfrontie­ren, dass die strafrecht­lichen Folgen einer falschen Aussage weit schwerer wiegen würden als die Strafe für den Angeklagte­n im Fall einer Verurteilu­ng.

Trotzdem zeigte sich der Vertreter der Staatsanwa­ltschaft am Ende überzeugt, dass die Opfer die Wahrheit gesagt haben. Zu nervös seien die Zeugen, die für den Angeklagte­n ausgesagt hatten, gewesen. Außerdem habe es in ihren Aussagen auch einige Widersprüc­he gegeben.

Richterin Beate Bernard will nicht ausschließ­en, dass es so gewesen ist, wie in der Anklage geschilder­t. Letztlich folgt sie aber dem Antrag von Verteidige­r Georg Zengerle und spricht den Angeklagte­n nach dem Grundsatz: „Im Zweifel für den Angeklagte­n“frei. Denn auch in der von wenig Belastungs­eifer geprägten Aussage des vermeintli­chen Opfers und seiner Freundin habe es Widersprüc­he gegeben.

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