Lügen im Dillinger Gerichtssaal
Justiz Im Prozess um eine Schlägerei im Fasching tischen die beiden Lager zwei völlig unterschiedliche Geschichten auf
Dillingen Nach fünfeinhalb Stunden Verhandlung ist endgültig klar: Mindestens zwei Zeugen haben Richterin Beate Bernard heute frech und ohne mit der Wimper zu Zucken die Story vom Pferd erzählt. „So konträr habe ich das schon lange nicht mehr erlebt“, sagt die Richterin bei der Verhandlung wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung. Die Polizistin, die mit den Ermittlungen betraut war, formuliert es so: „Mein persönlicher Eindruck war, dass die nicht auf der gleichen Veranstaltung waren.“
Doch zumindest darauf konnten sich alle Zeugen in dem Prozess am Amtsgericht in Dillingen einigen: Sie waren am 23. Januar 2016 in der Hütte in Osterbuch, um einen Faschingsball ausklingen zu lassen. Die Hütte ist nicht groß. Etwa sieben auf sieben Meter. Es gab kaum einen dort, der nichts getrunken hatte. Mit am schlimmsten betrunken war der Vater des Angeklagten, der sich irgendwann ein lautstarkes Streitgespräch mit Olaf dem Schneemann, genauer einem 21-Jährigen aus dem Landkreis Augsburg, lieferte. So weit die Gemeinsamkeiten. Von da ab gibt es zwei Geschichten. Die eine ist die, die die Staatsanwaltschaft dazu brachte, Anklage gegen einen 25-Jährigen aus dem Zusamtal zu erheben. Die erzählen an diesem Tag Olaf der Schneemann und seine Freundin, die Eisprinzessin. Demnach sei dem Streit mit dem Vater des Angeklagten ein unschöner Vorfall vorausgegangen. Der Vater habe die 21-Jährige begrapscht. Deren Freund habe ihn daher zur Rede gestellt.
Später habe er noch ein weiteres Mädchen aus einer bedrängenden Situation geholt. Als er ihr noch ihr Getränk habe holen wollen, hätte es ihm der Vater des Angeklagten aus der Hand geschlagen. Und dann habe ihm selbst plötzlich immer wieder einer von hinten zwischen die Beine gefasst. Von hinten sei er schließlich auch zu Boden gerissen und geschlagen worden. Dann habe ihn sein Angreifer aus der Hütte über die Stufe geschleift und draußen weiter auf ihn eingeschlagen. Erst als seine Freundin, die Eisprinzessin, in dieser Januarnacht auf den Rücken seines Angreifers gesprungen war, hörten die Schläge auf. Die Folge waren einige Blutergüsse und Schmerzen am Körper des jungen Mannes und Wunden an den Knien seiner Freundin vom anschließenden Sturz auf den Pflasterboden.
Der Angeklagte und zwei Bekannte schildern die Situation ganz anders. Er habe den Streit seines Vaters mit dem 21-Jährigen bemerkt, sagt der 25-Jährige. Dabei seien auch Beleidigungen gefallen. „Ich habe ihn dann aus der Hütte rausgezogen, dabei sind wir an der Türschwelle hängengeblieben und hingefallen, haben uns draußen noch ein bisschen rumgeschubst.“Schläge habe es keine gegeben. So schildern es auch die anderen beiden. Auch als Richterin und Staatsanwalt sie damit konfrontieren, dass die strafrechtlichen Folgen einer falschen Aussage weit schwerer wiegen würden als die Strafe für den Angeklagten im Fall einer Verurteilung.
Trotzdem zeigte sich der Vertreter der Staatsanwaltschaft am Ende überzeugt, dass die Opfer die Wahrheit gesagt haben. Zu nervös seien die Zeugen, die für den Angeklagten ausgesagt hatten, gewesen. Außerdem habe es in ihren Aussagen auch einige Widersprüche gegeben.
Richterin Beate Bernard will nicht ausschließen, dass es so gewesen ist, wie in der Anklage geschildert. Letztlich folgt sie aber dem Antrag von Verteidiger Georg Zengerle und spricht den Angeklagten nach dem Grundsatz: „Im Zweifel für den Angeklagten“frei. Denn auch in der von wenig Belastungseifer geprägten Aussage des vermeintlichen Opfers und seiner Freundin habe es Widersprüche gegeben.