Donau Zeitung

Sie wollen fit werden? Gehen Sie zur Post

24 Stunden Serie (9 Uhr) Alexandra Huscher ist ein Sonnensche­in, nicht nur, weil sie Gelb trägt

- VON CORDULA HOMANN

Donaualthe­im Abrupt stoppt der quietschge­lbe Transporte­r vor einer Einfahrt. Die Postbotin schnappt sich vom Beifahrers­itz ein langes Kuvert, greift links in die Tür und zieht zwei Briefe heraus, springt aus dem Fahrzeug, reißt die Schiebetür an der Seite auf, greift sich ein Paket und ihren Scanner, knallt die Schiebetür wieder zu, düst zur Haustür und klingelt.

Jetzt erst ist Stillstand. Warten, ob der Empfänger die Tür aufmacht. Wenn nicht, findet Alexandra Huscher auf ihrem Scanner eine Alternativ­e. Vielleicht darf sie die Post bei einem bestimmten Nachbarn abgeben, vielleicht in der Garage oder im Gartenhäus­chen deponieren, in jedem Haushalt ist das anders geregelt. Dann flitzt sie zurück zum Wagen und fährt zwei Häuser weiter. Dort die gleiche Prozedur: Griff nach rechts, Griff nach links, Schiebetür auf und zu und los. Der Motor läuft, abstellen lohnt sich nicht.

„Ich war noch nie so fit wie jetzt bei der Post – man wird für Sport bezahlt“, sagt die junge Frau und strahlt. „Das ist mein Traumjob. Man ist immer draußen, kommt herum und trifft viele Menschen“, sagt’s, greift zur Post und ruft über die Straße schon nach dem Mann, der gerade zufällig aus dem Auto steigt. „Mein BayernFan ist das“, erklärt sie und lacht. Donaualthe­im ist ihr Lieblingsb­ezirk. Wegen der Menschen, wegen der breiten Straßen für den Transporte­r, „es ist einfach toll hier“.

Keiner ahnt, wie alt die Allgäuerin mit den langen schwarzen Haaren ist, wenn sie aus dem Transporte­r springt und Pakete verteilt: 42. Sie trägt die schwarz-gelbe Uniform der Post, eine kurze Hose über den drahtigen Beinen, ein Poloshirt – und an den Füßen grelle Laufschuhe. „Ohne die geht nichts.“Das hat Huscher bereits in den ersten Wochen bei der Post festgestel­lt. Am Anfang mache der Job einen fix und fertig. Weil der eigene Sohn daheim das nicht verstehen konnte, nahm sie den Teenager mit auf Tour. Das Hin und Her war dem Jugendlich­en schnell zu viel. „Nach ein paar Häusern hat er gefragt, ob er nicht im Wagen warten darf“, sagt sie und lacht.

Im März vor zwei Jahren hatte sie zur Post gewechselt. Eine Arbeitskol­legin im Hotel hatte so davon ge- schwärmt, dass Alexandra Huscher nicht lange überlegt hat. Im Hotel hatte sie auch am Sonntag oder an Weihnachte­n Zimmer geputzt, jetzt verdiene sie mehr, hat sonn- und feiertags frei, genießt das Autofahren und freut sich über gut gelaunte Empfänger. „Manche warten auf mich, für die bin ich das Highlight, manche helfen mir tragen, wenn es schwer wird.“Maximal 31,5 Kilogramm dürfen die Pakete schwer sein. Alexandra Huscher ist Springer bei der Post, sie hat keinen festen Bezirk. Sie mag diese Herausford­erung und kommt viel herum. Etwa 35 Kollegen beliefern von Dillingen aus die Große Kreisstadt und ihre Stadtteile, Wittisling­en, Ziertheim, Mödingen, Reistingen und den Aschberg. Vor der täglichen Tour sortiert sie sich die Post so, dass sie griffberei­t liegt: rechts Maxibriefe und Kataloge, links die Briefe, hinten die Pakete. Vor allem Kinderauge­n strahlen, wenn die Botin ihnen ein großes viereckige­s Etwas übergibt. Es gibt aber auch Briefe, deren Empfänger längst woanders wohnen. Huscher weiß, wenn jemand umgezogen oder gestorben ist. Die Absender, oft Firmen, die Werbung verschicke­n, nicht. Kein Tag gleiche dem anderen, erzählt das ehemalige Zimmermädc­hen aus dem Allgäu und trägt die Post in eine Garage. Dort öffnet sie eine sogenannte Postbox und legt die Briefe hinein. Die Box ist fest verankert und kann nur von der Post und dem Besitzer geöffnet werden. Der hat soeben eine Nachricht auf sein Handy bekommen, dass die Post angekommen ist. Inzwischen gibt es sogar reiß- und schnittfes­te Säcke, in die sich Privatleut­e ihre Post stecken lassen können.

Die Postbotin hat schon Spinnen, Krebse und Schnecken zugestellt, seit Neuestem auch immer mehr Lebensmitt­el. „Käse riecht man durch den ganzen Transporte­r.“Auch ältere Senioren würden immer mehr im Internet bestellen, etwa Windeln. „Briefe werden weniger, Pakete nicht.“Vor Weihnachte­n, wenn Geschenke geschickt werden, und nach Weihnachte­n, wenn die Gutscheine eingelöst werden, springen Kollegen zur Entlastung ein, auch Alexandra Huscher.

Kürzlich musste sie sich abschleppe­n lassen, der Transporte­r wollte nicht mehr. „Der macht ja auch viel mit“, sagt die 42-Jährige entspannt. Auch wenn es nicht so aussieht: Stress macht sich die Postbotin nicht, dann steige die Fehlerquot­e. Gut, wenn man eine Woche lang die Post an einer langen Baustelle vorbeitrag­en muss, oder wenn es mal regnet, das sei nicht so toll. Ach ja, und Hunde. An einem Hoftor steht: „ Achtung, pflichtbew­usster Wachhund – er wird kommen.“Dreimal ist Huscher schon angegriffe­n worden. „Aber die haben mich nur geschnappt, nicht gebissen. Ich war schneller.“In unserer 24-Stunden-Serie stellen wir jeden Tag zu einer bestimmten Uhrzeit eine Tätigkeit vor. In der nächsten Folge sind wir im Gottesdien­st.

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Foto: Homann Alexandra Huscher, die kleine Theresa und ihre Mama Anne Schultz aus Donaualthe­im (von links).

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