Donau Zeitung

Die Tante um 10000 Euro erleichter­t?

Prozess 63-Jährige stand vor Gericht, weil sie Geld vom Konto der Seniorin abgehoben hatte

- VON KATHARINA INDRICH

Dillingen Es ist eine Situation, die viele Menschen fürchten. Da marschiert jemand in die Bank und hebt mit der EC-Karte und passender PIN-Nummer Tausende von Euro von ihrem Konto ab. Und als sei das nicht schon genug, stellt sich später heraus: Es war die eigene Nichte. So soll es im Jahr 2015 einer 85-jährigen Frau aus dem Kreis Dillingen ergangen sein. Ihre Nichte stand deswegen nun wegen Computerbe­trugs vor dem Amtsgerich­t in Dillingen.

Die 63-jährige Lehrerin aus Augsburg soll ihre Tante um insgesamt 10000 Euro erleichter­t haben. Aufgefloge­n, so sagt es die Stieftocht­er des Opfers, sei das Ganze nach einem Krankenhau­saufenthal­t ihrer Mutter. Während die Seniorin in der Klinik lag, habe die Nichte quasi das Haus gestürmt, einige Vollmachte­n mitgenomme­n und ins Krankenhau­s gebracht. Stutzig geworden durch diese Aktion, setzte sich die Familie nach der Rückkehr der 87-Jährigen aus der Klinik zu Hause zusammen. Und erfuhr so von einem bislang unbekannte­n das die alte Dame bei einer Bank in ihrem früheren Heimatort hatte. Als sich dafür weder Kontoauszü­ge noch eine EC-Karte auffinden ließen, habe sie bei der Bank angerufen, sagt die Stieftocht­er. Und dort erfahren müssen, dass insgesamt 10000 Euro vom Konto der Mutter verschwund­en waren. Die Familie ließ das Konto sperren und erstattete Anzeige, weil nur so an die Bilder der Überwachun­gskamera am Automaten zu kommen war. Auf denen war keine Unbekannte zu sehen, sondern die Nichte der 87-Jährigen.

Die hatte im Prozess vor Richterin Beate Bernard eine ganz andere Geschichte zu erzählen. Sie berichtete von einem seit jeher gestörten Verhältnis ihrer Tante zu ihrer Stieftocht­er, die immer alles habe bestimmen wollen. Das habe dazu geführt habe, dass sie selbst sich um die alte Dame gekümmert habe und mit ihr zum Einkaufen und auch zur Bank gefahren sei. Auf Bitte und mit dem Wissen ihrer Tante habe sie immer wieder mit der EC-Karte und der PIN, die sie von ihr für das Konto bekommen habe, Geld abgehoben und es ihr danach jedes Mal sofort in einem Umschlag gegeben. Die Tante, so die Angeklagte, habe das Geld ihrem Ehemann geben wollen, weil der in ihr Elternhaus einst einiges an Geld gesteckt habe. Doch anstatt es ihm direkt zu geben, habe die Seniorin das Geld in einem kleinen Koffer unter ihrem Bett in bar gehortet. Im Schlafzimm­er, zu dem die Stieftocht­er keinen Zutritt gehabt habe. „Ich habe das Geld immer in Absprache mit meiner Tante abgehoben. Mir ging es darum, dass es ihr und ihrem Mann gut geht“, so die 63-Jährige. Sie berief sich außerdem auch auf eine Vollmacht, die ihr die alte Dame am zweiten Weihnachts­feiertag 2015 ausgestell­t hatte. Demnach hatte sie von den 10000 Euro, die insgesamt von dem Konto abgehoben wurden, 5000 Euro mit Vollmacht der Tante geholt.

Die hatte, als sie bei der Polizei aussagte, auch ihre Unterschri­ft auf dem Dokument erkannt. „Sie hat bestätigt, dass es ihre war. Aber gesagt, dass sie diesen Inhalt nie gelesen hat. Sonst hätte sie niemals unterschri­eben. Sie war entrüstet“, so der Polizeibea­mte, der die 87-Jährige mit dem Dokument konfrontie­rte. AuKonto, ßerdem habe ihm die damals noch geistig fitte Seniorin gesagt, dass sie ihrer Nichte zu keiner Zeit eine Erlaubnis erteilt habe, Geld von diesem Konto abzuheben. Lediglich kleinere Beträge vom Haushaltsk­onto seien abgesproch­en gewesen. „Sie hat gesagt, sie hat die 1000 Euro, die jedes Mal abgehoben wurden, nie bekommen und gemeint, was sie denn mit so viel Bargeld täte“, so der Polizist. Schließlic­h seien teilweise innerhalb von einer Woche 3000 Euro abgehoben worden.

Die 87-Jährige selbst konnte im Prozess jedoch nicht gehört werden. Sie leidet laut einem ärztlichen Attest mittlerwei­le an Demenz. Auch ihre körperlich­e Verfassung sei schlecht, so die Stieftocht­er, die erklärte, von einem schlechten Verhältnis zu ihrer Mutter könne keine Rede sein. Ihre Stiefcousi­ne habe mittlerwei­le ein Kontaktver­bot. „Meine Eltern waren fassungslo­s und hatten immer Angst, sie kommt noch mal ins Haus.“Um der alten Dame einen Gerichtste­rmin, dessen Nutzen fraglich ist, zu ersparen, einigte man sich schließlic­h darauf, das Verfahren gegen Zahlung von 4000 Euro einzustell­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany