Sie übernehmen in den Ferien die Elternrolle
24 Stunden Serie (13 Uhr) Wenn andere Urlaub machen, betreut das Team im Wertinger Jugendhaus Kinder
Wertingen Brösel, Fettflecken und ein paar Salatreste auf dem langen Tisch? Hier muss eine Rasselbande zu Mittag gegessen haben. Die Uhr im Wertinger Jugendhaus zeigt auf eins. In der Sofaecke kämpfen kleine Racker um die teuerste Straße „Schlossallee“, ein Junge hilft beim Abwischen des Tisches, andere wiederum haben sich an den Billardtisch verzogen. Es ist ungewöhnlich ruhig. Neun Kinder verbringen seit Ferienbeginn die Tage im Wertinger Jugendhaus. Kinder, deren Eltern arbeiten müssen und keine andere Betreuungsmöglichkeit gefunden haben.
Als Alina Loos in die Hände klatscht und die Frage stellt, wer mit zum Spielplatz will, kommt plötzlich Bewegung in die Gruppe und aus allen Richtungen ertönt freudiges „Jaaaa“. Alina ist Teil des Ferien-Betreuerteams. Am Ende der Ferien wird die 18-Jährige jedoch das Jugendhaus verlassen müssen. „Dann endet mein Freiwilliges Soziales Jahr“, bedauert sie fast ein wenig. Ihr sind nicht nur die Kids ans Herz gewachsen. „Mir werden die Kollegen fehlen.“Das ist zu spüren. Unter der Leitung von Stadtjugendpfleger Tobias Kolb hat sich in den vergangenen Jahren eine entspannte und freundschaftliche Atmosphäre entwickelt. Gleichzeitig bereichert Tommy, der Koch und mit 28 Jahren der Dinosaurier im Juze, die Arbeit im Jugendhaus. Mit seinem losen Mundwerk kommt er hier allseits gut an. Was nicht heißt, dass hier jeder tun und lassen kann, was ihm gerade gefällt. „Bei uns gibt es Regeln einzuhalten“, betont Tommy alias Thomas Buberl, der angehende Mittelschullehrer. Streckt den Zeigefinger nach oben, zieht die Augenbrauen zusammen und brummt bedrohlich.
Alina erinnert die Kinder daran, die Toilette aufzusuchen. Tommy füllt einen großen Kanister mit Wasser ab. Der wandert in einen Fahrradanhänger, zusammen mit Bällen, Seilen, Drehteller, Wikinger Schach und Federballspiel. Eine Kehrrichtschaufel muss auch mit. Der siebenjährige Lukas verrät nicht, wozu diese benötigt wird: „Du wirst schon sehen.“
Und endlich kann es losgehen. Die kleine Meute zieht in Richtung Fere-Straße. Auf die sieben Jungs – zwei Mädchen wurden bereits mittags abgeholt – kommen drei Betreuer: Alina, Marco und Ramona. Ein Betreuungsschlüssel, von dem Kitas und Schulen nur träumen können. Heute zeigt das Thermometer 29 Grad Celsius. Ein Tag, wie gemacht für Wasser- und Schlammschlachten. Der siebenjährige Lukas Berchtenbreiter aus Rieblingen kann es kaum erwarten. Jetzt ist seine Stunde gekommen, zu demonstrieren, wofür die Kehrrichtschaufel gut ist. Der Spielplatz, nahe der Grundschule gelegen, zieht bei sommerlichen Temperaturen besonders. Schuhe runter, Socken aus und ran an die Matsch-Produktionsanlage. Was für ein Heidenspaß! Auf dem Matschtisch kann das Sandwerk mithilfe von Wasserrinne und -pumpe bestens gedeihen. Sand gibt es zuhauf: Zehn Tonnen wurden im letzten Jahr vom Bauhof herangekarrt. Im Minutentakt entstehen Gebäude, Mauern, Türme und eine begehbare Burg. Und hier kam auch die Schaufel zum Transportieren des Baumaterials zum Einsatz.
Am Ende muss Marco Wenzl dran glauben – er wird mit Matschgeschossen über den Platz gejagt. Der 16-Jährige nimmt’s gelassen: „Das gehört dazu.“Er, selbst gerade dem Kindesalter entwachsen, arbeitet gern mit Jüngeren. So wie die gleichaltrige Ramona Weldishofer. Beide hatten sich nach ihrem Realschulabschluss um einen Ferienjob bei der Stadt bemüht. Wenn die Ferienbetreuung endet, trennen sich ihre Wege wieder.
Marco setzt künftig als Bufdi (Bundesfreiwilligendienst) seine Jugendarbeit fort und bringt sich dann in der Flüchtlingsarbeit bei der Stadtverwaltung ein. „Ich werde mich um die Flüchtlingskinder kümmern.“Für Ramona ist die Kinderbetreuung lediglich eine temporäre Angelegenheit. Beruflich strebt sie lieber eine Ausbildung zur Bürokauffrau an.
Für die Höchstädterin Alina Loos endet demnächst eine spannende Zeit, wie sie sagt. In den vergangenen zwölf Monaten habe sie viel in Sachen Persönlichkeitsentwicklung gelernt: „Das ist sehr komplex und einzigartig.“Die primäre Aufgabe bestand für sie darin, Kindern und Jugendlichen demokratisch freiheitliche Grundprinzipien zu vermitteln und sie zur Selbstständigkeit zu befähigen. Nun will Alina an der Augsburger Uni Fragestellungen zur Bildung und Erziehung theoretisch untersuchen und mit ihrer Praxiserfahrung abgleichen. Im Studienfach Erziehungswissenschaften werden Pädagogik, Soziologie und Psychologie aufeinandertreffen. Nach ihrem Freiwilligen Sozialen Jahr steht für Alina jetzt zweifelsfrei fest: „Ich möchte Sozialpädagogin werden. Das ist genau meins.“Dass sie in den Semesterferien im Jugendhaus vorbeischauen wird, davon gehen alle aus. Arbeit wartet im 25-köpfigen Team immer: Einkaufen, Essenszubereitung, Waldcamp, Repair-Café, Offener Treff, Organisation von Krimi-Diners, Pflege der Homepage...
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In unserer Serie „24 Stunden“begleitet Menschen bei ihrer Arbeit. Zu jeder Stunde – auch bei Nacht – begleiten wir sie bei dem, was sie zu dieser Uhrzeit machen. Die Serie endet um 24 Uhr.