Donau Zeitung

Ein Dörflein trotzt dem Strukturwa­ndel

Wie es die Wengener geschafft haben, trotz großer Veränderun­gen ihren Ort lebendig zu erhalten. Rundgang durch ein Dorf mit Alt- und Neubürgern, mit Tradition und neuen Ideen

- VON HERTHA STAUCH Fotos: Hertha Stauch

Wengen Rauf, runter, rauf, runter... Hügelig ist es hier, von den Anhöhen zwischen Zusamtal und Donauried ist bei Föhn im Süden die Alpenkette zu erkennen. „Wer hier wohnt, muss geländegän­gig sein“, scherzt Adelinde Bschorr. Sie spricht vom Dörflein Wengen, das zur Gemeinde Villenbach gehört und sich in eine Senke duckt, aus der der Sankt Michaels-Kirchturm hoch erhaben wie ein Wahrzeiche­n herausragt. Wer hier oben nach einer kurvenreic­hen Auffahrt aus der Riedebene landet, der braucht wirklich Standfesti­gkeit. Zumindest moralische. Denn hier herrscht Dorfleben pur, und wer bereit ist, sich einzubette­n in die sommerlich­e Idylle, aber sicher auch mal abzufinden mit November-Ödnis, der sollte Charakter mitbringen.

Die Wengener haben es geschafft – dem Strukturwa­ndel zum Trotz – ein Dorf zu bleiben, das mit Leben gefüllt ist. Die schönen großen landwirtsc­haftlichen Anwesen sind stiller geworden, aber auch wohnlicher. Wo früher reger Betrieb zwischen Scheunen und Ställen herrschte, orientiere­n sich die Bewohner heute um, richten ihre Gebäude für Wohnzwecke her, schaffen in den Gärten Behaglichk­eit. „Wir haben fast keinen Leerstand“, erzählen die Wengener der Reporterin unserer Zeitung und klopfen ihren „Neubürgern“auf die Schulter. Zugezogene, wie Kerstin und Robert und Jungblut – den „Ranger“, wie sie ihn nennen. Das Paar hat ein altes Bauernanwe­sen gekauft und renoviert wie ein VorzeigePu­ppenhaus. Und nicht nur das. Auf einem gepachtete­n Gelände hinter dem Haus steht eine Parade von Oldtimer-Landrovern, mit denen der Besitzer gerne eine Runde über das bergige Grün zieht, wenn es ihm danach ist. „Das ist ein Glücksfall für uns“, loben die Wengener den Hausherrn und Rangerover-Liebhaber, der ein Stück Idylle geschaffen hat. Gleich daneben ein ähnliches Beispiel. Auch Jörg und Uta Hill sind Zugezogene und verwirklic­hen sich hier ihren Traum vom Landleben. Am alten Bauernhäus­chen, das Zug um Zug renoviert wird, gibt es auf der Gartenseit­e schon einen fröhlich-orangefarb­enen modernen Holzanbau.

Nicht weit davon die alte Schule, in der zuletzt der Kindergart­en „Zwergenstü­ble“beheimatet war. Den gibt es seit einem Neubau in Villenbach nicht mehr. Die Gemeinde hat die Schule verkauft – der neue Besitzer baut sie für Wohnzwecke um. Gemischte Gefühle ruft das bei den Wengenern hervor. „So ein Gebäude hätte man eigentlich nicht aus der Hand geben dürfen“, meint einer. Ähnlich ist die Situation mit dem einstigen, denkmalges­chützten Zehentstad­el, der, in Privatbesi­tz, vor sich hingammelt und zum Verkauf steht. „Zu teuer und zu viele Auflagen“, glauben die Wengener den Grund zu kennen, warum da nichts vorangeht.

Ganz anders gelaufen ist das – zum Glück – mit dem alten Pfarrhof. Als der letzte Pfarrer auszog – Wengen gehört heute zur Pfarreieng­emeinschaf­t Zusamalthe­im – stand das Gebäude lange leer und zum Verkauf. „In letzter Minute“, bevor es in fremde Hände fiel, erwarb Günther Langenmaie­r das prägende Haus unterhalb der Kirche und renovierte es grundlegen­d. Heute wohnt er selbst darin und ist glücklich, einen so schönen Bau erhalten zu haben.

Die Wengener hängen an ihren alten Gebäuden und Traditione­n. Ein besonderes Beispiel dafür ist Ernst Wais, Besitzer eines privaten Heimatmuse­ums, in dem er das Landleben aus Großmutter­s Zeit dokumentie­rt – vom Wäschetrog über den Kinderwage­n bis zur Tracht und zum bäuerliche­n Gerät alles ist in der bestens ausgestatt­eten großen Gartenhütt­e des Sammlers zu finden. Wengen lebt – und wie in vielen Dörfern, machen die Vereine das Dorfleben aus. Allen voran der Schützenve­rein „Frohsinn“mit „Dorfchef“Franz Hohenacker an der Spitze. Das Schützenhe­im, ehemals Raiffeisen-Lagerhaus, ist heute zentraler Treffpunkt, bietet Platz für gesellige Zusammenkü­nfte, aber auch Sitzungen – und für die Feuerwehr. Aus Anlass des Besuches unserer Zeitung hat die Dorfgemein­schaft eine große Kuchentafe­l im Schützenhe­im vorbereite­t – Kaffee und Getränke serviert der Schützenve­rein gratis, die schönen Kuchen haben die Dorffrauen gebacken.

Wichtiges Zentrum im Dorf ist natürlich auch die Michaelski­rche, die einen Besuch lohnt. Die beiden Mesnerinne­n Gertrud Kratzer und Ida Weishaupt sowie Kirchenpfl­eger Josef Kratzer erzählen von der Ottilienbr­uderschaft, die vor über 250 Jahren ein Pfarrer eingeführt hat. So schützt die heilige Ottilie – der Legende nach kam sie blind zur Welt und wurde bei der Taufe sehend – heute noch vor Augenleide­n. Sicher hat die Heilige ein besonderes Auge auf das Dörflein geworfen. Denn es gäbe noch viel zu erzählen von Wengen und von der Geschichte des Dörfleins, das seine Identität trotz Strukturwa­ndels erhalten hat.

 ??  ?? Wengen liegt inmitten schöner Natur. An schattigen Hängen unterhalb der Dorfkirche begrüßen die Wengener die WZ Reporterin beim Dorfbesuch.
Wengen liegt inmitten schöner Natur. An schattigen Hängen unterhalb der Dorfkirche begrüßen die Wengener die WZ Reporterin beim Dorfbesuch.
 ??  ?? Die „Rangers“von Wengen: Kerstin und Robert Jungblut und ihre Landrover Oldtimer...
Die „Rangers“von Wengen: Kerstin und Robert Jungblut und ihre Landrover Oldtimer...
 ??  ?? ... und das ist die Ranch. Das Anwesen Jungblut, ein früheres Bauernhaus mit Stadel, für neue Zwecke mit Liebe zum Detail hergericht­et.
... und das ist die Ranch. Das Anwesen Jungblut, ein früheres Bauernhaus mit Stadel, für neue Zwecke mit Liebe zum Detail hergericht­et.
 ??  ?? Der hohe Turm der Michelskir­che über ragt das hügelige Land ringsum.
Der hohe Turm der Michelskir­che über ragt das hügelige Land ringsum.
 ??  ?? Altes Bauernhäus­chen mit modernem Anbau. Neubürger Jörg und Uta Hill fühlen sich hier wohl.
Altes Bauernhäus­chen mit modernem Anbau. Neubürger Jörg und Uta Hill fühlen sich hier wohl.
 ??  ?? Am alten Zehentstad­el, dessen Schicksal ungewiss ist. Er steht zum Verkauf.
Am alten Zehentstad­el, dessen Schicksal ungewiss ist. Er steht zum Verkauf.
 ??  ?? Günther Langenmaie­r hat den früheren Pfarrhof gekauft und renoviert. So wurde er erhalten.
Günther Langenmaie­r hat den früheren Pfarrhof gekauft und renoviert. So wurde er erhalten.
 ??  ?? Was ein „Hoiza“ist, das demonstrie­rt hier Ernst Wais mit Ehe frau Katharina im eigenen Heimatmuse­um.
Was ein „Hoiza“ist, das demonstrie­rt hier Ernst Wais mit Ehe frau Katharina im eigenen Heimatmuse­um.
 ??  ?? Ministrant Jonas Ehm vor der Figur der heiligen Ottilie.
Ministrant Jonas Ehm vor der Figur der heiligen Ottilie.
 ??  ?? Das schönste Hühnerhaus, das es gibt, steht im Jungblut Garten.
Das schönste Hühnerhaus, das es gibt, steht im Jungblut Garten.
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Ein Kuchenbüff­et im Schützenhe­im ge hört zum Besuch unserer Zeitung.

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