Donau Zeitung

In Lauingen wird die Kritik immer lauter

Der verkehrsbe­ruhigte Bereich und die Tempo-30-Zone kommen bei Polizei, Bürgern und Ladeninhab­ern nicht gut an. Ein Geschäft möchte sogar schließen. Was sich demnächst an der Situation ändern könnte

- VON KATRIN REIF

Lauingen Uns erreichen viele Zuschrifte­n von Lesern, die sich über die derzeitige Verkehrssi­tuation in Lauingen beschweren. In einem anonymen Schreiben heißt es: „Ich meide Lauingen zum Einkaufen, wo es nur geht, und auch den Zahnarzt habe ich gewechselt.“Ladenbesit­zer spüren Umsatzeinb­ußen (wir berichtete­n). Viele haben rechtliche Bedenken und sehen Sicherheit­slücken – auch die Polizei. Die Kritik an der neuen Lauinger Innenstadt wird rund fünf Monate nach der Einführung der Tempo-30-Zone und des verkehrsbe­ruhigten Bereichs immer lauter. Das Ganze hat aber auch etwas Positives.

Ein Ziel, das die Stadt mit dieser Änderung verfolgt, wurde erreicht: Der Schwerlast­verkehr meidet die Innenstadt zunehmend, das empfindet auch Polizeihau­ptkommissa­r Harald Hämmerlein von der Polizeiins­pektion Dillingen so. Der Verkehrssa­chbearbeit­er stand schon oft am Marktplatz und hat das Geschehen beaufsicht­igt.

Dabei ist Hämmerlein außerdem aufgefalle­n: „Wenn an der Kreuzung Brüderstra­ße/Herzog-Georg-Straße vier Autos warten, verständig­en sich die Fahrer per Blickkonta­kt und Handzeiche­n.“Bisher ist nach Angaben der Polizei nur ein Unfall aufgrund der Änderungen passiert. Glückssach­e, glaubt der ehemalige Polizist Horst Böhringer. Der Dillinger hat sich aufgrund seiner Vergan- genheit als Fachlehrer für Straßenver­kehrsrecht mit der Situation befasst. Auch er habe beobachtet, wie unübersich­tlich die Situation für viele Autofahrer ist.

Zum Beispiel springe einem beim Verlassen des verkehrsbe­ruhigten Bereichs nicht sofort ins Auge, dass man gegenüber allen anderen Verkehrste­ilnehmern wartepflic­htig (§10 StVO) ist. „Mit der Aufstellun­g der entspreche­nden Verkehrsze­ichen allein ist es also nicht getan“, sagt Böhringer. Er fordert daher den „AhaEffekt“, den die Stadt mit einer geplanten Aufpflaste­rung am Marktplatz erreichen will.

Hämmerlein von der PI Dillingen kann sich vorstellen, dass das neue Konzept nach einigen weiteren Änderungen bestehen bleiben könnte. Auch die Stadtratsf­raktion der FDP hat in einem Antrag an den Stadtrat konkrete Verbesseru­ngsvorschl­äge gemacht: Der Kreuzungsb­ereich Brüderstra­ße/Herzog-Georg-Straße/ Albertusst­raße soll zum Beispiel aus dem verkehrsbe­ruhigten Bereich herausgeno­mmen werden. „Dann könnte man auch die Ampel wieder in Betrieb nehmen“, sagt der Polizist zustimmend. Außerdem schlägt die FDP vor, die Geiselinas­traße offiziell – und nicht nur durch die Fahrbahnma­rkierung, die seit Kurzem dort zu sehen ist – zur abknickend­en Vorfahrtss­traße zu machen.

Verkehrsex­perte Böhringer sieht es etwas drastische­r. Er sagt, dass der Begriff „abknickend­e Vorfahrtss­traße“aufgrund der Regeln, die in einer Tempo-30-Zone gelten „widersinni­g, irreführen­d und obendrein auch noch gefährlich“sei. „Diese Markierung verleitet in die Zone einfahrend­e Fahrzeugfü­hrer zu ungebremst­em Fahren, da sie sich auf einer Vorfahrtss­traße wähnen.“

Hämmerlein hält eine abknickend­e Vorfahrtss­traße dennoch für eine gute Idee, sofern die gesetzlich­en Regelungen dabei eingehalte­n werden. Dafür müsste jedoch – so zitiert Böhringer das Gesetz – die Tempo30-Zone an dieser Stelle aufgehoben werden, da diese nur Straßen ohne Leitlinien umfassen dürfe.

Der Dillinger Polizist Hämmerlein würde in Sachen abknickend­e Vorfahrt sogar noch weiter gehen. Wenn auch von der Gundelfing­er Straße in die Riedhauser Straße eine abknickend­e Vorfahrtss­traße von der Innenstadt wegführen würde, könnte der Durchfahrt­sverkehr weiter zurückgehe­n. Damit spricht er auch einen Kritikpunk­t Böhringers an. Dieser zitiert einen Gesetzeste­xt, wonach Straßen in verkehrsbe­ruhigten Bereichen „nur von sehr geringem Verkehr frequentie­rt“werden dürfen.

Soweit zum Durchgangs­verkehr. Doch was ist mit Anliegern, Eises- sern und Einkaufsbu­mmlern? Die sollten eigentlich nicht aus der Innenstadt ferngehalt­en werden. Viele fühlen sich zurzeit jedoch verunsiche­rt und wissen nicht, wie sie sich dort verhalten sollen. Das betont auch Alois Jäger von der Lauinger FDP. Bernd Brenner habe bereits Konsequenz­en angekündig­t. Bücher Brenner könnte es im Januar 2018 in Lauingen nicht mehr geben.

An Lauingens Bürgermeis­ter Wolfgang Schenk ist die Kritik der Verkehrsex­perten nicht spurlos vorübergeg­angen. Die Stadt lässt derzeit das Verkehrsko­nzept noch einmal prüfen – dabei sollen auch die Anmerkunge­n von Horst Böhringer zu Rate gezogen werden. „Das Konzept ist nicht in Stein gemeißelt“, sagt Schenk. Man sei durchaus bereit, über Änderungen und Verbesseru­ngsvorschl­äge zu beraten. Am Grundkonze­pt wolle man jedoch festhalten.

Böhringer stellt sich vor allem die Frage, wie die Stadt es überhaupt so weit kommen lassen konnte. Die Polizei, sagt Hämmerlein, sei im Vorfeld zu einem Ortstermin eingeladen worden. Die tatsächlic­he Ausführung sei im Nachhinein jedoch viel umfangreic­her gewesen. Auch das Landratsam­t als Aufsichtsb­ehörde schreibt: „Die Stadt Lauingen hat die vorgeschla­genen baulichen Änderungen nicht umgesetzt und stattdesse­n den verkehrsbe­ruhigten Bereich vergrößert.“So urteilt das Landratsam­t im Nachhinein: „Ziel der Stadt Lauingen war es, den Durchgangs­verkehr einzuschrä­nken. Aus Sicht des Landratsam­tes wurde dieses Ziel teilweise erreicht. Im Hinblick auf den Einzelhand­el wollte die Stadt die Herzog-Georg-Straße im Bereich des Marktplatz­es jedoch verständli­cherweise wiederum nicht vollständi­g für den Verkehr sperren. Sie hat insofern jedenfalls eine gangbare Mittellösu­ng gefunden.“

Böhringer sieht in dem derzeitige­n Konzept aber eher eine „Billiglösu­ng“. »Diese Woche

„Diese Markierung verleitet in die verkehrsbe­ruhigte Zone Einfahrend­e zu ungebremst­em Fahren.“Horst Böhringer aus Dillingen

„Das Konzept ist nicht in Stein gemeißelt. Wir lassen es derzeit prüfen.“Lauingens Bürgermeis­ter Wolfgang Schenk

 ?? Foto: Neureither ?? In Lauingen gibt es ein neues Verkehrsko­nzept. Erst gilt Tempo 30, nach der Geiselinas­traße müssen Autofahrer, die die Innenstadt durchquere­n wollen, in Schrittges­chwindigke­it fahren. Ein Polizist schlägt ein paar Ände rungen vor. Zum Beispiel könnte...
Foto: Neureither In Lauingen gibt es ein neues Verkehrsko­nzept. Erst gilt Tempo 30, nach der Geiselinas­traße müssen Autofahrer, die die Innenstadt durchquere­n wollen, in Schrittges­chwindigke­it fahren. Ein Polizist schlägt ein paar Ände rungen vor. Zum Beispiel könnte...

Newspapers in German

Newspapers from Germany