Der Neptun im Lauterbacher Freibad
Ernest Petri ist kein Meeresgott, aber wie dieser wacht er über das Wohl der großen und kleinen Badenixen. Und er ist auch Herrscher der Unterwelt. Denn im Technikraum muss jeder Handgriff sitzen
Lauterbach Schnell einen Becher Kaffee im Stehen und dabei – nicht zu vergessen – immer der prüfende Blick auf die Szenerie unten in den Schwimmbecken. Um 16 Uhr gönnt sich der Bademeister eine kleine Verschnaufpause. Hier oben auf dem Balkon hat er einen guten Überblick über das rund 8000 Quadratmeter große Freibadgelände in Lauterbach. Trotzdem ist es Ernest Petri nicht so ganz wohl dabei: „Ich bin lieber unten. Denn wenn was ist, habe ich gleich Zugriff.“Auf die 80-Jährige, die am Beckenrand ausrutscht und unversehens ins Wasser fällt. Auf den Bub, der behauptet, dass er schwimmen kann und sich im Wasser dennoch nicht zu helfen weiß. Auf den Dreikäsehoch, der auf eine Biene getreten ist, oder auf die turbulente Szene am Sprungturm.
Es sind zum Glück meist nur kleine Wehwehchen und Vorkommnisse, die Petri den ganzen Tag über behandeln und klären muss. „Jedes Jahr ohne Unfall ist ein gutes Jahr. Für mich zählt nur, dass nichts passiert ist“, schätzt Petri seinen saisonalen Beruf ein. Er macht das nun im vierten Jahr – „und ich wusste ja, was auf mich zukommt.“Den Sommer über durcharbeiten bis auf das Wochenende, wo er morgens seine Kontrollgänge macht, aber tagsüber die Aufsicht der Wasserwacht überlassen kann. Die Wasserwacht ist in Lauterbach der starke Partner des Bademeisters, Wasserwachtler unterstützen ehrenamtlich immer wieder den Badebetrieb: „Es gibt fast keinen Tag, wo keiner von der Wasserwacht da ist“, freut sich Petri. Und seit Neuestem hat Petri auch eine Aushilfskraft, die stundenweise im Einsatz ist, wenn er sich nicht auf die Badegäste konzentrieren kann, sondern andere Arbeiten erledigen muss.
Ernest Petri nimmt Platz in seinem kleinen Büro. Die tägliche Dokumentation seiner Arbeit ist erforderlich für Gemeindeverwaltung und Gesundheitsamt. Im Wochen- bericht sind die Kontrollen im Technikraum, bei den Rutschen und Spielgeräten, das Auswechseln der Chlorgasflaschen, der Energie- verbrauch und die Filterspülungen dokumentiert. Wichtig für die Statistik ist auch die Zahl der Badegäste, Witterungsverhältnisse und Wassertemperaturen. Petri streift sich Gummistiefel über die Füße. Es geht in den Technikraum, die Katakomben des Badgebäudes. „Hier muss noch vieles manuell erledigt werden“, zeigt Petri den Gegensatz zu modernen Bädern auf, in denen alles per Knopfdruck geschieht. Doch Petri ist das lieber so. Er muss sich nicht auf reine Elektronik verlassen und hat ein besseres Gefühl, wenn er selbst eingreifen kann. Petri macht die kleinen Filterkartuschen am Ab- und Zulauf zu den Becken und die großen Filterkörbe sauber, in denen Haare und Grasreste hängen, die sich im Wasser gesammelt haben, aber auch eine schmierige Konsistenz wie Reste von Sonnenöl. Das Wasser in den Becken ist die ganze Saison über dasselbe, läuft aber ständig über Umwälzpumpen und Messstationen durch einen großen Reinigungsfilter. Es ist ein „Mehrschichtfilter“, wie Petri erklärt – ein etwa drei Meter hoher Boiler, der eine Schicht von Steinen und drei weitere Schichten von Sand unterschiedlicher Körnung enthält, durch die das gebrauchte Schwimmbeckenwasser fliest. Zwischengeschaltet sind Messstationen, die pHWerte, Temperaturen und Chlorgehalt anzeigen. Wichtig ist der sogenannte Redoxwert, der vermittelt, welchen Desinfektionswert das Wasser hat.
Ein- bis zweimal in der Woche muss Petri den großen Filter rückspülen, also Wasser von unten nach oben durchdrücken, um den Filter zu reinigen. Das milchige Schmutzwasser, das aus dem Filter kommt, wird der Kanalisation zugeführt. Nach ein bis zwei Spülgängen wird der nun gesäuberte Filter wieder an das Schwimmbeckenwasser angeschlossen. In der Hochsaison muss Petri den Filter auch dreimal in der Woche reinigen – je nach Zahl der Badegäste. Häufig muss der Bademeister auch Frischwasser in die Becken nachfüllen, um den Wasserstand auszugleichen. Denn jeder Schwimmer nimmt mit der nassen Badehose etwas Wasser mit.
Es wird Abend im Lauterbacher Freibad. Wenn der letzte Badegast nach Hause gegangen und die Arbeit erledigt ist, dann hat Ernest Petri das Bad für sich. Und an heißen Abenden springt er selbst noch schnell rein ins Becken und zieht dort seine Runden – ein erfrischender Tagesabschluss.