Donau Zeitung

Mit elegantem Schwung und Taktik

Stockschie­ßen hat es in sich und sieht viel leichter aus, als es ist. Erfahrunge­n und Begegnunge­n von Redakteuri­n Hertha Stauch auf der Asphaltbah­n in Wertingen

- VON HERTHA STAUCH

Oh mein Gott! Wie tollpatsch­ig kann man sein! Der Stock, den ich gerade völlig verkrampft losgewucht­et habe, schlingert und hüpft auf dem Asphalt. Er verfehlt natürlich sein Ziel und ist meilenweit entfernt von dem Feld, das ich angepeilt habe. Nach etlichen Versuchen wird gar nichts besser, die Schulter meldet sich mit einem Zucken und ich fühle mich auf der rechten Körperseit­e um einen Zoll länger als auf der linken. Da kann man nur neidisch auf die geübten Schützen schauen, die mit Adlerblick ihr Ziel anpeilen, mit elegantem Schwung und wenigen Trippelsch­ritten ihren Stock kerzengera­de auf die Bahn setzen und dieser dann auch noch genau da landet, wo sie ihn haben wollen.

Edeltraud Tischmache­r lacht: „Alles Übung“, sagt die erfahrene Stockschüt­zin, die zusammen mit Vereinskam­eraden vom TSV Wertingen und vom Sportverei­n Binswangen ihr Training auf der Asphaltbah­n auf dem Judenberg absolviert. Es ist angenehm mild an diesem Abend, die Hitze hat sich ins Donauried verdrückt und hier am idyllische­n Waldrand ziehen die Stockschüt­zen im Schatten ihre Bahnen. Routiniert lässt einer nach dem anderen – Frauen und Männer, jung und alt gemischt – seinen Stock sausen über 30 Meter weit von einem Feld ins andere, jedes 18 Quadratmet­er groß. Im Zielfeld liegt ein Gummiring. Das ist die Daube, das Ziel des Schützen. Es zählt die Bestlage zur Daube – wer ihr am Nähesten kommt, punktet.

Stockschüt­zen haben eine eigene Sprache, die am Anfang nicht ganz leicht zu verstehen ist. Der „Moier“beginnt und gibt die Richtung vor. Denn Ziel ist nicht nur die Daube, sondern auch der Stock des Gegners, den man aus dem Feld schießen kann oder auf jeden Fall von der Daube weg befördern sollte. Ein Spiel hat sechs Kehren, jeder spielt dreimal rauf und dreimal runter. Bis zum Schluss ist der Ausgang ungewiss, denn jeder Schütze kann dem Spiel noch einmal eine andere Wendung geben. Oft wird die Daube getroffen und von der Mitte des Fel- des, wo sie zu Beginn postiert wird, weggeschos­sen. So kann es sein, dass ein Schütze versehentl­ich die Daube in Richtung Gegner schiebt, was diesem zugute kommt.

Doch da gibt es ja auch noch die Taktik und das Material. Erfahrene Schützen planen, ähnlich wie im Brettspiel, ganze Schachzüge, mit denen sie den Gegner vor eine neue Ausgangsla­ge setzen. Und bei jedem Zug wird genau austariert, welche Platte auf den Stock geschraubt wird – links herum, übrigens. Platten sind Scheiben mit unterschie­dlicher Laufgeschw­indigkeit. Davon hat jeder Stockschüt­ze etliche in seiner Tasche. Der Schütze muss das richtige Gefühl entwickeln für die Distanz, die eine Platte bewältigen soll. Je nach Ziel setzt er eine schnelle Platte ein oder eine langsame, die den Vorteil hat, dass sie nicht so leicht über das Ziel hinaus schießt.

Die Technik, mit der geschossen wird, muss jeder für sich entwickeln. „Das ist ganz unterschie­dlich“, verweist Edeltraud Tischmache­r auf das Körpergefü­hl. Manche schießen aus dem Stand, manche trippeln dem Stock hinterher, manche schwingen weit aus, andere schieben den Stock mehr auf die Bahn.

Die Wertinger und Binswanger Schützen sind meist lange dabei – Ludwig Miller aus Binswangen schon 42 Jahre. Man sieht es seinen Bewegungen an, die konzentrie­rt und ruhig im Ablauf, dem Stock meist den richtigen Schwung geben. Auch Edeltraud Tischmache­r schiebt für den TSV Wertingen schon 30 Jahre. Zusammen mit Vereinskam­eradinnen hat sie Ehrgeiz entwickelt. Die Wertinger Stockdamen spielen in der Landesliga.

Reine Damenmanns­chaften sind rar geworden unter den Stockschüt­zen, so wird bei Turnieren oft gemischt gespielt. Neben Punktspiel­en gibt es auch reine Freundscha­ftsturnier­e oder das Vereinssch­ießen, das zum Ziel hat, Nachwuchs zu generieren. Denn damit sieht es derzeit nicht so gut aus, wie Edeltraud Tischmache­r bedauert.

Was den Stockschüt­zen lieb ist, ist die Bewegung an der frischen Luft und der spielerisc­he Part. Stockschüt­zen kämpfen nicht verbissen oder müssen sich nicht körperlich bis zum Letzten verausgabe­n. Was das Stockschie­ßen ausmacht, ist vielmehr die Mischung aus Konzentrat­ion, Bewegung, Geschickli­chkeit und Taktik. Und natürlich auch die Geselligke­it. Die Spiele verlaufen konzentrie­rt. „Wenn man im Hintergrun­d viel ratscht, dann geht es daneben“, mahnt Edeltraud Tischmache­r. Ist das Spiel beendet, kann es jedoch lockerer zugehen – bei Getränken und Brotzeit natürlich, im schmucken Stockschüt­zenheim.

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Mit

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Fotos: Bärbel Schoen (2), Hertha Stauch (3) So viel ist optisch gar nicht um: auf unserem linken Bild die Wertinger Könnerin Anneliese Rau beim zielgerich­teten Stockschub, auf dem rechten Anfängerin Hertha Stauch mit guten Werten zumindest in der „Hal tungsnote“.
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Alt und Jung: die Stockschüt­zen des TSV Wertingen. Der schöne Traditions­sport wird im Landkreis vereinsmäß­ig auch in Gundelfing­en, Lauingen, Hausen, Höchstädt und Bins wangen betrieben.
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Dass Stockschie­ßen Spaß macht, ist Hertha Stauch – bei aller Konzentrat­ion – anzusehen.
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Edeltraud Tischmache­r misst den Ab stand von Stock zu Daube.

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