Keine Chance für Superhelden
Christian Bale ist durch mit Batman & Co. Wovon er sich unter Druck gesetzt fühlt – und was er sich von Jimi Hendrix abgeschaut hat
Mr. Bale, Ihr neuer Film „The Promise – Die Erinnerung bleibt“handelt von einem fast vergessenen historischen Ereignis: dem Untergang des Osmanischen Reiches und dem Völkermord an den Armeniern Anfang des 20. Jahrhunderts. Waren Sie mit diesem dunklen Kapitel der Geschichte vertraut?
Christian Bale: Zu meinem eigenen Erschrecken wusste ich rein gar nichts über diesen Völkermord. Und war dann noch schockierter, dass ich damit längst nicht der Einzige war. Eigentlich hatte niemand, mit dem ich im Vorfeld des Films sprach, in der Schule oder sonst irgendwo etwas darüber gelernt. Als ich zum ersten Mal das Drehbuch in den Händen hielt, jährte sich dieser Genozid allerdings gerade zum 100. Mal. Plötzlich fingen Politiker auf der ganzen Welt endlich an, über die Ereignisse von damals zu sprechen.
Haben die im Film gezeigten Ereignisse aber auch heute noch eine Relevanz?
Bale: Oh ja, das wurde mir damals schnell klar. Im Fernsehen war zu sehen, wie in den nordirakischen Gebirgen tausende Jesiden von der Terrormiliz Islamischer Staat eingekesselt und ermordet wurden. Die Ähnlichkeiten zu dem, was ich im Drehbuch zu „The Promise“über das Schicksal der Armenier las, war erschütternd. Es ist fürchterlich, wie sich Geschichte immer aufs Neue wiederholt. Wenn unser Film nur ein bisschen dazu beitragen kann, dass wir als Menschheit dazulernen, dann ist schon viel gewonnen.
„The Promise“erzählt bei allem Grauen auch von der Liebe. Genauer gesagt eine Dreiecksgeschichte, in der Sie und Oscar Isaac die gleiche Frau lieben…
Bale: Ich bin ganz ehrlich und gebe zu, dass ich anfangs unsicher war, warum es unserem Regisseur und Drehbuchautor Terry George so wichtig war, beides thematisch auf diese Art und Weise miteinander zu verbinden. Ich hatte irgendwie den Eindruck, man müsse die Brutalität der Ereignisse noch viel drastischer zeigen. Doch Terry hat mir erklärt, dass man gerade bei einem so wenig bekannten Kapitel unserer Geschichte versuchen müsse, ein möglichst breites und vor allem junges Publikum zu gewinnen. Hätte man ausschließlich und gnadenlos das reale Grauen gezeigt, wäre es schwer geworden, die Menschen wirklich zu erreichen, statt nur zu verstören. Aber über diese drei Figuren und ihre Liebesgeschichte gelingt es hoffentlich, einen persönlicheren Zugang zu dieser Thematik zu finden.
Sind Isaac und Sie in der Realität so verschieden wie im Film?
Bale: Oscar ist ein toller Typ und ohne Frage einer der besten Schauspieler seiner Generation. Aber tatsächlich sind wir ziemlich verschieden, würde ich sagen. Wie gesagt: Er ist ein echter Schauspieler. Und ich bin das – ohne dass ich kokett sein will – irgendwie nicht.
Wie meinen Sie das denn?
Bale: Na ja, ich kann Ihnen zum Beispiel etwas darüber erzählen, wie ich meine Rolle in „The Promise“gespielt habe. Aber über die Schauspielerei, als Handwerk und als Kunstform, weiß ich eigentlich nicht das Geringste. Deswegen bin ich anders als Oscar und die meisten anderen Kollegen bei Dreharbeiten so gar nicht gesellig.
Das müssen Sie genauer erklären...
Bale: Für mich ist die Schauspielerei einfach etwas, das ich aus dem Bauch heraus mache. Ich habe keine Technik, die es mir erlaubt, von einer Sekunde auf die nächste umzuschalten und zurück in der Rolle zu sein. Deswegen ziehe ich mich während der Arbeit meistens zurück und bleibe in meiner eigenen kleinen Welt. Das tut mir manchmal leid, weil ich eine gewisse Distanz halte zu meinen Kollegen und der Crew. Aber wenn ich die zu gut kennenlerne, dann will ich mich als Privatmensch Christian Bale mit denen amüsieren und könnte mich nicht mehr darauf konzentrieren, vor der Kamera jemand anderes zu sein.
Privat sind Sie aber nicht ganz so kontaktscheu, oder?
Bale: Nein, es gibt sicherlich größere Eigenbrötler als mich. Allerdings würde ich schon sagen, dass ich mich nicht selten umgeben von Kindern und Tieren wohler fühle als zwischen lauter smarten Erwachsenen. Das Gefühl zu haben, immer etwas Intelligentes zum Gespräch beitragen zu müssen, setzt mich manchmal unter Druck.
Dabei scheinen Sie Druck gut auszuhalten: Wenige Schauspieler überschreiten so radikal ihre Grenzen …
Bale: Für mich war in dieser Hinsicht immer Jimi Hendrix ein Vorbild. Den habe ich als Kind, vermutlich im Fernsehen, Gitarre spielen sehen und war wie vom Donner gerührt. So wie er in dem Moment aussah, wollte ich mich wenigstens einmal im Leben fühlen. Dieser vollkommen selbstvergessene Gesichtsausdruck, diese Ekstase, die blutig gespielten Finger. Daran wollte ich – ohne mich annähernd mit Hendrix’ Talent zu vergleichen – zumindest ansatzweise mal in meinem Beruf herankommen. Und das geht nun einmal nicht ohne Hingabe und das Bringen von Opfern.
Ihre ersten Hauptrollen liegen schon 30 Jahre zurück. Hatten Sie einen Plan B für die Zukunft, falls das mit der Schauspielerei nichts werden sollte?
Bale: Gar nicht. Ich war kein besonders guter Schüler, also wer weiß, ob ich studiert hätte. Mein Vater hat mir aber auch mit auf den Weg gegeben, dass man nicht zu viele Pläne machen soll, weil immer alles anders kommt. Abgesehen davon war ich damals ein Kind. Da hat doch kein Mensch eine Ahnung, was er für den Rest des Lebens machen will.
Wann kam denn der Punkt, an dem sich diese Ahnung einstellte?
Bale: Gute Frage. Letztes Jahr mal kurz. Als ich Anfang 20 war. Immer wieder als Teenager. Und mit Sicherheit auch immer wieder in der Zukunft. Aber so sehr die Schauspielerei das Potenzial dazu hat, unglaublich erfüllend und befriedigend zu sein, so oft birgt sie auch Enttäuschung. Deswegen stecke ich auch zwischendurch immer mal wieder in der Krise.
Aber es fühlt sich gut an, wenn man den Oscar gewinnt, oder?
Bale: Na klar. So ein Oscar ist eine wunderbare Sache. Ich finde es nur einfach wichtig, die richtige Perspektive zu behalten. Nicht nur sind neben mir vier andere Schauspieler nominiert, die alle ebenfalls großartige Leistungen erbracht haben. Sondern es gibt da draußen auch noch jede Menge Kollegen, die mindestens so gut waren wie man selbst und trotzdem von der Academy noch nie beachtet wurden.
Werden wir Sie jemals wieder in einem Superhelden-Film sehen?
Bale: Nein, mit dem Thema bin ich durch. Verstehen Sie mich nicht falsch, denn ich bin sehr stolz auf die drei Batman-Filme, die ich mit Christopher Nolan gedreht habe. Wenn man schon Comic-Verfilmungen dreht, dann sollte man verdammt noch mal die besten drehen, die es gibt. Genau das ist uns gelungen. Aber Chris hatte immer gesagt, dass es bei drei Filmen bleibt, und ich war da stets seiner Meinung.