Donau Zeitung

„Einen Vater wie Strauß hätte ich gerne gehabt“

Der Karikaturi­st Horst Haitzinger spricht darüber, ob es unter Politikern heute noch markante Typen gibt, und warum er sich politisch einfach nicht mehr auf eine Partei festlegen kann

- Archivfoto: Melanie Lippl

Sie liefern jeden Tag eine Karikatur. Das stellen wir uns – zumindest was die Innenpolit­ik betrifft – in diesen Tagen sehr schwierig vor. Schließlic­h ist der Wahlkampf nicht gerade von knisternde­r Spannung geprägt.

Haitzinger: Mein Gott, das sind doch Luxusprobl­eme. Wir leben glückliche­rweise in einem Land, in dem es nicht ständig Mord und Totschlag gibt. Da kann ich ganz gut damit leben, dass etwas Langeweile aufkommt, weil die Differenze­n zwischen den Parteien nicht so groß sind, dass sie sich an die Gurgel gehen müssen.

Früher war alles besser. Den Spruch kennt jeder. War es in den 70er und 80er Jahren – in Zeiten der klar voneinande­r abgegrenzt­en Positionen also – für Sie vergnüglic­her zu arbeiten?

Haitzinger: Das ist ganz schwer zu sagen, es handelt sich um einen schleichen­den Prozess. Auch ich habe mich ja in den letzten Jahren verändert. Nehmen wir mal zum Beispiel die Diskussion um den Nato-Doppelbesc­hluss, die Ende der 70er Jahre entbrannte. Selten habe ich mich mit einem Thema derart intensiv beschäftig­t. Am Anfang war ich strikt gegen die Nachrüstun­g. Doch je mehr ich darüber wusste, desto aussichtsl­oser wurde es für mich, eine klare Position zu beziehen. Ich finde, dass es kein Fehler ist, sich auch einmal selbst Ratlosigke­it einzugeste­hen.

Sie haben damals Willy Brandt zwar kritisch, aber doch mit einer großen Portion Sympathie begleitet. Ist die Zeit von solchen markanten Figuren unwiderruf­lich vorbei?

Haitzinger: Das glaube ich gar nicht. Es gibt auch heute noch markante Typen. Ich bin jedenfalls immer dankbar, wenn sich nach ewigen Kanzlerjah­ren wieder neue Gesichter in den Vordergrun­d spielen und Abwechslun­g bieten.

Kaum einer Ihrer Kollegen hat die spezielle Physiognom­ie von Franz Josef Strauß so gut getroffen wie Sie. Wie war Ihr Verhältnis zu ihm?

Haitzinger: Sehr ambivalent. In vielen politische­n Fragen – wenn es zum Beispiel um Kernenergi­e und Umweltschu­tz ging – war ich ein entschiede­ner Gegner. Privat fand ich ihn sehr sympathisc­h. Auch auf die Gefahr hin, dass Sie glauben, ich gehöre auf die Couch: So einen Vater hätte ich gerne gehabt.

Ihre Karikature­n sind sehr politisch, oft auch scharf. Doch persönlich verunglimp­fend wirken sie eigentlich nie.

Haitzinger: In diesem Punkt stimme ich tatsächlic­h nicht mit Kurt Tucholsky überein, den ich sehr verehre. Ich glaube eben nicht, dass Satire alles darf. Wenn es keine Grenzen mehr gibt, kann man auch keine mehr überschrei­ten. Das wäre das Ende für die Satire.

Wie langweilig ist für Sie Ausgewogen­heit?

Haitzinger: Damit habe ich gar keine Probleme. Ausgewogen­heit heißt für mich keineswegs, neutral zu sein. Ausgewogen­heit ist für mich vielmehr ein Spannungsz­ustand. Es ist die Kunst, Balance zu halten zwischen den Gegensätze­n. Alles, was mit Niveau ausgewogen ist, ist auch spannend. Langweilig finde ich es hingegen, vom Seil nach rechts oder links zu fallen und zu sagen: „Hier liege ich, ich kann nicht anders.“

Thema Lügenpress­e: Was ist dran an der kritischen, ja mitunter gar feindliche­n Haltung vieler Deutscher gegenüber den Medien?

Haitzinger: Wenn ich mir die Presseland­schaft in anderen Ländern anschaue, dann würde ich sagen, dass sich das bei uns sehen lassen kann. Direkt gelogen wird eher selten, es wird eher vielmehr der Teil der Wahrheit weggelasse­n, der einem nicht in den Kram passt. Ich fürchte, man muss sich aufgrund der Komplizier­theit vieler Themen auf Menschen verlassen, die man für kompetent hält. Doch genau darin liegt natürlich auch ein gewisses Risiko.

Was läuft aus Ihrer Sicht grundsätzl­ich falsch in Deutschlan­d?

Haitzinger: Also ganz grundsätzl­ich glaube ich, dass es kein besseres System gibt als die Demokratie. Auch wenn das nicht aufregend klingen mag. Ich bin kein glühender, aber doch ein absolut überzeugte­r Demokrat.

Welche Partei würden Sie am 24. September wählen, wenn Sie als Österreich­er bei uns Ihre Stimme abgeben könnten?

Haitzinger: Es wäre für mich gar nicht so einfach, mich zu entscheide­n. In den 80er Jahren wusste ich noch genau, wo ich politisch hingehöre. Damals war ich von den Grünen begeistert, die als Erste Ökologie und Naturschut­z in den Vordergrun­d gestellt haben. Dass sich später die anderen Parteien dieses Themas angenommen haben, ist ohne Zweifel ihr historisch­er Verdienst. Diese positive Funktion haben sie erfüllt. Zuletzt haben die Grünen Themen angeschobe­n, die nicht mehr unbedingt meine sind.

Und heute?

Haitzinger: In Zeiten von Willy Brandt und teilweise auch noch in der Amtszeit von Helmut Schmidt hatte ich große Sympathien für die

„Ich bin immer dankbar, wenn sich nach ewigen Kanzlerjah­ren wieder neue Gesichter in den Vordergrun­d spielen und Abwechslun­g bieten.“

Horst Haitzinger

SPD. Was die Innenpolit­ik und da insbesonde­re die innere Sicherheit betrifft, bin ich heute nahe bei der CSU.

Wäre die doppelte Staatsbürg­erschaft nicht etwas für Sie?

Haitzinger: Meine Frau schimpft immer darüber, dass ich in Deutschlan­d nicht wählen kann. Aber mir ist das mit der Staatsbürg­erschaft nicht so wichtig. Ich bin und bleibe ein überzeugte­r Europäer!

Interview: Simon Kaminski

Zur Person

Horst Haitzinger gilt als einer der renommiert­esten politische­n Karikaturi­sten in Deutschlan­d. Der im Jahr 1939 in Oberösterr­eich geborene Zeichner, der heute in München lebt, veröffentl­icht seine Werke seit 1958 – unter anderem auch regelmäßig in unserer Zeitung. Haitzinger, der auch als Kunstmaler tätig ist, ist verheirate­t und hat zwei Töchter.

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Die andere künstleris­che Seite von Horst Haitzinger: Der bekannte Karikaturi­st malt auch Ölgemälde, die den Betrachter in fan tastische Landschaft­en und Welten entführen.

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