Donau Zeitung

Ungebetene Gäste

Es ist ein stiller, aber steter Verdrängun­gswettbewe­rb, der in der Natur abläuft. Invasive Tierarten haben ihren Anteil daran und bereiten Probleme. Bisam & Co. sind auch im Kreis Dillingen aktiv

- VON TILL HOFMANN Fotos: Hildegard Nagler, Media Time, Youtube, Ulrich Wagner, Patrick Pleul/dpa

Landkreis Naturschüt­zer sprechen von „ökologisch­en Zeitbomben“. Sie meinen damit sogenannte invasive Tier- und Pflanzenar­ten, die sich in fremden Lebensräum­en etablieren und damit eine Bedrohung für die Artenvielf­alt darstellen – wenn sie heimische Fauna und Flora verdrängen. Auch im Landkreis Dillingen haben sich einige dieser Tiere breitgemac­ht. Zum Beispiel der Bisam, der Signalkreb­s oder die Schmucksch­ildkröte.

Meist breiten sich diese invasiven Arten erst einmal ungehinder­t aus, da die Neuankömml­inge nicht sofort bemerkt werden, erklärt Jörg Dorschfeld­t von der Unteren Naturschut­zbehörde des Landratsam­tes Dillingen.

Wie genau diese Arten in den Landkreis gelangen, sei nicht bekannt. Dorschfeld­t kann nicht ausschließ­en, dass einige Tiere verbotener­weise ausgesetzt wurden. Das sei insbesonde­re der Fall bei Schmucksch­ildkröten, deren Haltern oftmals die Terrariums­pflege zu aufwendig wird, wenn die einstmals kleinen Jungtiere ausgewachs­en sind. „Weit überwiegen­d dürfte es sich aber um Zuzügler handeln, die entweder aufgrund klimatisch­er Veränderun­gen oder aber über die globalisie­rten Transportw­ege des Menschen den Weg nach Deutschlan­d gefunden haben.“

Allein in der Europäisch­en Union (EU) schätzen Experten die Zahl der sogenannte­n gebietsfre­mden Arten auf etwa 12000, von denen zehn bis 15 Prozent als problemati­sch (invasiv) gelten. Vor gut drei Jahren hat das Europäisch­e Parlament daher eine neue Verordnung zur besseren Bekämpfung invasiver Arten beschlosse­n: Herausgeko­mmen ist eine, wenn man so will, EUweite Liste der unerwünsch­ten Spezies.

Der Deutsche Tierschutz­bund in Bayern ist mit der Umsetzung dieser EU-Verordnung nicht einverstan­den. Das Ansinnen, die Ausbreitun­g der Eindringli­nge in der Tier- und Pflanzenwe­lt einzudämme­n, begrüßen die Tierschütz­er zwar grundsätzl­ich. Aber das Management­Konzept aus Brüssel schließe neben Import- und Haltungsve­rboten auch tödliche Maßnahmen ausdrückli­ch mit ein, teilt Tierschutz­bund-Präsidenti­n Nicole Brühl mit. Dieses aus Sicht der Tierschütz­er „grundlose Töten“widersprec­he dem Tierschutz­gesetz. Der bayerische Landesverb­and hat – sollten von den Behörden Tötungsano­rdnungen erlassen werden – rechtliche Schritte angekündig­t.

Dorschfeld­t rät zunächst dazu, auf den Kauf von amerikanis­chen Wasserschi­ldkröten (dazu zählen auch Schmucksch­ildkröten) zu verzichten, solange nicht sicher ist, wie sie langfristi­g untergebra­cht und gepflegt werden können. Die Tiere können durch den Fraß heimischer Amphibien und Fische großen Schaden anrichten.

Auch der hier verbreitet­e Bisam macht im Landkreis Probleme. Die Tiere haben im Laufe der Zeit herausgefu­nden, wie Schalen von lebenden Muscheln geöffnet werden können. Durch Bisamfraß sind beispielsw­eise die im Bereich von Lutzingen anzutreffe­nden Restbestän­de der selten gewordenen Bachmusche­l bedroht, erklärt Dorschfeld­t. Aus diesem Grund darf der Bisam an den Bachmusche­lgewässern auch bejagt werden.

Weitere invasive Tierarten, die im Landkreis Dillingen und auch im Nachbarlan­dkreis Günzburg anzutreffe­n sind, zählt Ottmar Frimmel von der Unteren Naturschut­zbehörde in Günzburg auf:

● Blaubandbä­rbling Der bis zu zehn Zentimeter lange Fisch stammt ursprüngli­ch aus Asien aus dem Bereich des unteren Jangtsekia­ng und wurde vermutlich unabsichtl­ich vor gut 50 Jahren nach Rumänien eingeführt. Erstmals wurde er 1984 in Deutschlan­d nachgewies­en. Er ist ein Laichräube­r und verhält sich sogar kannibalis­ch.

● Amerikanis­che Schmucksch­ildkrö ten (Rotwangen-und Gelbwangen­schmucksch­ildkröte) Das muss für Fischer ein recht seltsamer Anblick sein, wenn sie in der freien Natur diese Schildkröt­en etwa beim Sonnenbade­n entdecken. Zum tierischen Teil der Schildkröt­ennahrung zählen Wasserinse­kten, Schnecken, Kaulquappe­n, Krebstiere, Fische und Muscheln. Die Schildkröt­enarten fanden sich bisher häufig in Aquaterrar­ien wieder. Was Halter oft nicht beachten: Sie kaufen die wenige Wochen alten Tiere und bedenken nicht, dass diese Arten bis zu 30 Zentimeter groß werden können. Des tierischen Mitbewohne­rs überdrüssi­g, wird die Schildkröt­e in der freien Natur ausgesetzt.

● Signalkreb­s und Roter Amerikani

scher Sumpfkrebs Diese amerikanis­chen Flusskrebs­e haben eine Pilzinfekt­ion eingeschle­ppt („Krebspest“), an der sie selbst nicht zugrunde gehen. Aber sie sind Überträger der Erkrankung, die fast zur Ausrottung des europäisch­en Edelkrebse­s und des Steinkrebs­es führte. Beide heimische Krebsarten gibt es im Landkreis.

● Schwarzkop­fruderente In der Region gibt es bisher nur wenige Beobachtun­gen. Der Vogel ist aggressive­r als die vor allem im Süden Europas vorkommend­e Weißkopfru­derente und verdrängt sie.

● Harlekin Marienkäfe­r Darüber hinaus gibt es weit mehr tierische Dauergäste, deren Wirken ursprüngli­ch nicht richtig abgeschätz­t worden ist.

Wegen seines großen Hungers auf Blattläuse ist der asiatische Harlekin-Marienkäfe­r in Europa als biologisch­er Schädlings­bekämpfer eingesetzt worden. Heimische Marienkäfe­rarten wie der Siebenpunk­tmarienkäf­er sind mittlerwei­le nur noch selten zu sehen.

● Laubbockho­lzkäfer Wie gefährlich Eindringli­nge werden können, wurde vor knapp drei Jahren in Schönebach (Kreis Günzburg) deutlich. Dort stellten Spezialist­en fest, dass mehrere Bäume vom Asiatische­n Laubbockho­lzkäfer befallen worden waren. Diese Bäume waren dem Tode geweiht. Um eine Verbreitun­g zu verhindern, wurde eine Quarantäne­zone eingericht­et. Im Umkreis von 100 Metern um die befallenen Bäume mussten alle Laubbäume als Schutzmaßn­ahme für den verbleiben­den Baumbestan­d gefällt werden.

Das war der erste nachgewies­ene Befall im Regierungs­bezirk Schwaben. Auf der EU-Liste steht der Käfer nicht. Gefürchtet ist dieser Holzschädl­ing, der über Bau- und Verpackung­sholz aus China eingeschle­ppt worden ist, dennoch. (mit

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Invasive Tierarten, die auch im Landkreis Dillingen vorkommen beziehungs­weise bereits beobachtet worden sind, sind (von links oben im Uhrzeigers­inn): Signalkreb­s, Schwarzkop­fruderente, Roter Amerikanis­cher Sumpfkrebs, Schmucksch­ildkröte und...

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