Donau Zeitung

Die CD Sammlung darf immer mit

Inklusion Wohnkonzep­te für Menschen mit Handicap haben sich im Laufe der Zeit verändert. Was heute anders ist

- VON LENA GUFFLER Fotos: Lena Guffler

Dillingen Vor 25 Jahren berichtete unsere Zeitung über den Wandel der Wohnanlage­n von Regens Wagner. Von 1992 bis heute hat sich erneut einiges verändert und neue Konzepte sind entwickelt worden.

Beim Besuch in der Wohngruppe Regina ist schnell erkennbar, dass auf die Bedürfniss­e jedes Einzelnen eingegange­n wird und eine individuel­le Betreuung stattfinde­t. Das ist ein Hauptpunkt, der sich im Laufe der Zeit immer weiter verbessert hat, sagt Matthias Kandzioras, stellvertr­etender Gesamtleit­er der Einrichtun­g.

Die Bewohner der Wohngruppe haben gerade Urlaub. Sie genießen die Sonne im Garten oder machen den ein oder anderen Ausflug. „Wir gehen bald ins Allgäu“, erzählt Sybille voller Vorfreude. Besonders stolz sind die Bewohner auf ihre Katze Rockey. Sie hat nur drei Beine. „Die passt zu uns“, sagt die Be- treuerin Simone Unger. Auch diese Gruppe wurde, wie alle anderen, so zusammenge­stellt, „dass sich die Bewohner so viel wie möglich gegenseiti­g geben“, erklärt Johannes Keppeler, Wohnbereic­hsleiter von Regens Wagner in Dillingen.

Früher gab es nur zwei Möglichkei­ten für Menschen mit Handicap: Ein komplett selbststän­diges Leben zu Hause oder ein betreutes Leben im Heim. Dabei seien die Leute oft nicht ausreichen­d gefördert worden. Heute gebe es ganz individuel­l für jeden eine passende Betreuung. Seit etwa zehn Jahren gibt es verschiede­ne ambulante Wohnkonzep­te. Hierbei werde genau auf die Bedürfniss­e der Menschen eingegange­n, sodass die eigene Selbststän­digkeit bestmöglic­h gefördert wird.

In der Bleichstra­ße leben zehn Erwachsene in der Wohngruppe Regina zusammen. Jeder hat seine Dienste, denen er nachgehen muss. „Samstags gieß’ ich immer die Blumen, wenn ich es vergesse, mach ich am Sonntag“, erzählt Alexandra. Es gibt aber noch viele weitere Dienste wie zum Beispiel den Küchendien­st. Die Gruppe versorgt sich selbst, deshalb muss auch gekocht werden. Der Küchendien­st hilft hierbei den Gruppenbet­reuern, das Essen zuzubereit­en. Freitags gehen die Bewohner gemeinsam einkaufen und besorgen ihre eigene Brotzeit für die folgende Woche.

Wenn die Bewohner keinen Urlaub haben, sind sie unter der Woche tagsüber in der Werkstatt, wo sie ihrer Arbeit nachgehen. Dort gibt es auch Ausgleichs­programme wie Singen oder Basteln, als Kontrast zum Alltag.

Nach der Arbeit treffen sie sich zusammen am Esstisch im gemeinsame­n Ess- und Wohnbereic­h, anschließe­nd werden Spaziergän­ge unternomme­n oder Arztbesuch­e erledigt. Der ein oder andere darf allein mit Freunden in die Stadt. Die Lebenserwa­rtung der Menschen ist durch die gute medizinisc­he und psychische Versorgung stark gestiegen. Daher gibt es bei Regens Wagner in Dillingen seit einiger Zeit auch einen Pflegebere­ich, in dem ältere Menschen mit Behinderun­g bis ins Alter ein würdiges Leben führen können. Anderersei­ts gibt es mittlerwei­le auch eine Einrichtun­g für Kinder mit intensiver Betreuung. Dort werden Kinder ab sechs Jahren aufgenomme­n.

Ihre Zimmer dürfen die Bewohner heutzutage ganz individuel­l einrichten. Bei Dieter sind viele CDs zu finden, einen Teil davon hat er immer dabei. Ab und an geht er in eine Drogerie und kauft sich eine neue CD. Die Wände sind mit Postern seiner Lieblings-Musikgrupp­en beklebt. Claudia hat an ihren Wänden viele Bilder ihrer Familie. Sybille hat welche von ihren Reitkursen, die sie früher besucht hat. Ihr großer Stolz ist der CD-Player. Alle Bewohner haben Spaß an der Musik, deshalb besuchen sie auch gerne gemeinsam Konzerte. Am Wochenenes de schläft die Gruppe gerne etwas länger und anschließe­nd gibt es ein großes Frühstück. Sonntags ist meist ein freiwillig­er Kirchgang angesagt, an dem ein Großteil der Bewohner teilnimmt. „Ich bin Ministrant­in“, erzählt Claudia stolz. „Die Wohngruppe ist kein Hotel, es ist ein Miteinande­r und die Leute werden mit einbezogen, den Alltag zu gestalten“, sagt Keppeler.

Eine weitere Veränderun­g der vergangene­n Jahrzehnte ist, dass es nicht mehr eine große Komplexein­richtung gibt, sondern die einzelnen Wohnanlage­n und -abteilunge­n der Einrichtun­g in der Stadt verteilt sind. „Die einzelnen Wohnhäuser fallen im Stadtbild nicht auf, sie könnten auch Familienhä­user sein“, erzählt Matthias Kandzioras. Das sei im Sinne der Inklusion. „Die Wohnanlage­n sind in die Gemeinde gut integriert und die Bewohner haben an der Gesellscha­ft teil. Das ist für die moderne Pädagogik wichtig“, erklärt Matthias Kandzioras.

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Stolz zeigt Claudia die Bilder ihrer Familie. An den Wänden in ihrem Zimmer hängen viele Bilderrahm­en.
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Sybilles Lieblingsb­eschäftigu­ng ist schaukeln. Im Keller hängt eine Schaukel für schlechtes Wetter.
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Alexandra hilft dabei, die Küche nach Kaffee und Kuchen wie der sauber zu machen.

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