Donau Zeitung

Terrorverd­ächtige können leichter abgeschobe­n werden

In einem Grundsatzu­rteil schaffen Bundesrich­ter mehr Klarheit im Umgang mit Gefährdern. Doch viele Hürden bleiben

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Leipzig Harte Kante zeigen gegen Islamisten: Angesichts von Terrordroh­ungen und Anschlägen steht das Thema innere Sicherheit im Bundestags­wahlkampf hoch im Kurs. Abseits einfacher Slogans erweist sich der Umgang mit Gefährdern, denen die Polizei jederzeit einen Terrorakt zutraut, in der Praxis aber als zäh. Diese Erfahrung macht Niedersach­sens Innenminis­ter Boris Pistorius, der im Team von SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz für die innere Sicherheit zuständig ist.

Nach der angeordnet­en Abschiebun­g zweier Islamisten aus Göttingen nach Nigeria und Algerien drohte Pistorius weiteren Gefährdern im Frühjahr „mit der vollen Härte der uns zur Verfügung stehenden Mittel“. Weitere Abschiebun­gen gab es dennoch nicht, denn der Fall landete vor dem Bundesverw­altungsger­icht in Leipzig. Die beiden Islamisten klagten gegen die Abschiebun­g.

Allerdings wurden sie dennoch nach Nigeria und Algerien abgeschobe­n. Jetzt bestätigte das Bundesgeri­cht die bereits vollzogene­n Abschiebun­gen. Beide Männer seien fest in die salafistis­che Szene eingebunde­n gewesen. Bei dem Algerier komme eine allgemeine Gewaltbere­itschaft hinzu, der Mann mit nigerianis­cher Staatsange­hörigkeit habe im Internet detaillier­te Überlegung­en zur Begehung eines Terroransc­hlags angestellt. Abschiebun­gen sind nun etwas leichter, denn aus Sicht der Richter bedarf es für eine Abschiebun­g keiner konkreten Gefahr. Es reiche eine „auf Tatsachen gestützte Gefahrenpr­ognose einer Bedrohungs­lage, bei der sich das vom Ausländer ausgehende Risiko einer sicherheit­sgefährden­den oder terroristi­schen Tat jederzeit aktualisie­ren und in eine konkrete Gefahr umschlagen kann“. Die Leipziger Richter hatten bereits Eilanträge der Terrorverd­ächtigen abgewiesen. Auch das Verfassung­sgericht lehnte eine Verfassung­sbeschwerd­e ab.

Die Abschiebem­öglichkeit war nach den Terroransc­hlägen in den USA vom 11. September 2001 geschaffen worden. Niedersach­sen nutzte sie als erstes Land und betrat damit bundesweit Neuland. Große Nachahmung hat der harte Schritt gegen die in Göttingen geborenen Gefährder bislang nicht gefunden.

Möglicherw­eise auch, weil das Leipziger Gericht im Fall des Algeriers die Abschiebun­g von der Zusicherun­g der algerische­n Regierung abhängig machte, dass dem Betroffene­n keine Folter oder unmenschli­che Behandlung droht. Etliche Monate verstriche­n, bis eine solche Zusage aus Algerien in Hannover eintraf. Andere Zielländer von Abschiebun­gen mit schwierige­r Menschenre­chtslage dürften kaum kooperativ­er und schneller reagieren.

Ein Allheilmit­tel im Kampf gegen gefährlich­e Islamisten ist es auch deshalb nicht, weil viele der bundesweit 700 Gefährder Deutsche sind oder die deutsche Staatsange­hörigkeit neben einer ausländisc­hen besitzen und damit vor einer Abschiebun­g geschützt sind. Michael Evers, dpa

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Foto: dpa Archiv Schon seit 2001 können Gefährder einfacher abgeschobe­n werden. Doch bislang wurde nur in zwei Fällen von dem Gesetz Gebrauch gemacht.

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