Donau Zeitung

Warum Start ups in der Region gedeihen

Nicht nur in Berlin gibt es interessan­te, junge Firmen. Auch in hiesigen Breiten sind die Bedingunge­n dank Hochschule­n und Förderer gut. Das Unikliniku­m in Augsburg könnte den nächsten Schub bringen

- VON SEBASTIAN MAYR

Augsburg Zum perfekten Start-upKlischee­bild fehlt nicht viel. Hinter höhenverst­ellbaren Holztische­n arbeiten junge Leute in sommerlich­er Freizeitkl­eidung an Computern und Laptops. Eine Frau fläzt auf einem Sitzsack und tippt auf ihrem Tablet. Die Wände sind im Türkis der Firma gestrichen, gewaltige Topfpflanz­en stehen herum und im Eck glänzt eine Siebträger-Kaffeemasc­hine. Michael Jaser und Stephan Batteiger stehen im Büro, als würden sie eine schicke Wohngemein­schaft vorzeigen, in der bloß die Kaffeetass­en noch nicht weggeräumt sind. Es sei nicht ganz ordentlich, sagen sie.

Das Büro des Augsburger Startups Peerigon könnte genauso gut in einem hippen Viertel von Berlin, Hamburg oder München sein. Dass das nicht so ist, zeigt ein Blick aus dem Fenster auf die nicht wirklich schmucken Nachbargeb­äude im Sigma-Technopark. Jaser, Batteiger und die drei anderen Gesellscha­fter von Peerigon haben dort seit Juli 2014 Büroräume gemietet.

Im Gebäude mit der Glasfassad­e schlägt das Herz der IT-Start-ups in der Region. Dort sitzt das Technologi­eund Gründerzen­trum aitiPark, wo Beate Sailer als Gründermen­torin arbeitet. Gemeinsam mit Geschäftsf­ührer Stefan Schimpfle pflegt sie das Netzwerk für die Gründer und hilft bei allen Fragen, die sich auftun. „Lotse ist ein ganz gutes Wort“, sagt Sailer, wenn sie über ihre Arbeit spricht. Schimpfle bezeichnet den aiti-Park und das dazugehöri­ge Branchenne­tzwerk aitiRaum als „Drehscheib­e“, die Ideen, Kompetenze­n, Ressourcen und Menschen zusammenbr­ingen soll. Gerade entsteht an Standorten im Sigma-Technopark und in Kempten das vom Freistaat geförderte Digitale Zentrum Schwaben, das die Vernetzung noch weiter verbessern soll.

Die Experten des Gründer- und Technologi­ezentrums in Augsburg kennen den Markt und mögliche Geschäftsp­artner, sie geben Tipps zur Finanzieru­ng, zum Marketing, zu rechtliche­n Fragen und zu vielem mehr. Wenn ein Start-up das Netz nutzen will, muss es zwei Bedingunge­n erfüllen: Die Firma darf höchstens fünf Jahre alt sein und muss ein digitales Geschäftsm­odell haben. Wer sich bewirbt, muss ein grobes Konzept vorlegen.

Das wohl bekanntest­e Augsburger Start-up ist Little Lunch. Die Gründer Denis und Daniel Gibisch starteten als Teilnehmer der Startup-Fernsehsho­w „Die Höhle der durch. Sie verkaufen Suppen und andere Lebensmitt­el.

Die Peerigon-Mitarbeite­r entwerfen Online-Lösungen, etwa ein Portal für Videos, eine Kochplattf­orm, Internetau­ftritte für Medienunte­rnehmen oder ein Infotainme­nt-System für ein Auto. Am Anfang stand ein anderes Projekt, mit dem sich die Gründer ab 2009 als Studenten an der Hochschule Augsburg beschäftig­t hatten. Der Webdienst Roomieplan­et sollte Wohngemein­schaften helfen, sich zu organisier­en: Wer muss wann putzen, wer hat wie viel Geld für die WG ausgegeben, was muss eingekauft werden? 2011 erhielten die Entwickler das Gründersti­pendium Exist, 2013 zusätzlich Unterstütz­ung durch das bayerische Förderprog­ramm Flügge.

Aus Roomieplan­et entstand die App Peerigon, die dem Freundeskr­eis helfen sollte, sich zu organisier­en: Welcher Termin passt, wer bringt was mit? Durch Auftragsar- beiten verdienten sie zusätzlich Geld, Projekte mit größeren Firmen brachten Kontakte. Inzwischen programmie­ren die Peerigon-Macher nur noch für andere.

Dass die ursprüngli­che Idee eine andere ist als jene, mit der Gründer erfolgreic­h werden, kommt aitiPark-Geschäftsf­ührer Schimpfle zufolge häufiger vor. Nicht nur deshalb steht Peerigon für viele Startups in der Region. Im November 2012 haben Batteiger, Jaser und ihre Mitgründer Matthias Jahn, Paul Torka und Johannes Ewald das Unternehme­n angemeldet. Etwa zu dieser Zeit begann die Start-up-Szene rund um Augsburg Fahrt aufzunehme­n. Das bestätigt Marcus Wagner, der mit dem A3-Innovation­sfonds Gründer in der Region unterstütz­t. Secomba, ein anderes ITUnterneh­men aus Augsburg, ist kaum älter als Peerigon. Die Sicherheit­s-Programmie­rer gewannen 2014 den deutschen Gründerpre­is. Schimpfle ist überzeugt, dass StartLöwen“ ups wie die beiden für die Szene wichtig sind. Potenziell­e Gründer bräuchten Vorbilder, sagt der Geschäftsf­ührer des aiti-Parks.

Viele der potenziell­en Gründer kommen von den Hochschule­n und Universitä­ten. In Augsburg bieten Hochschule und Uni eigene Zentren für sie an. Die Hochschule hat sogar ein eigenes Lehrprogra­mm für Nachwuchsu­nternehmer aufgelegt. Auch die Hochschule Kempten und die Technische Hochschule Ingolstadt unterhalte­n Förderzent­ren.

Augsburg bietet einen guten Boden für die Gründer. Marcus Wagner vom A3-Innovation­sfonds zählt die Fraunhofer-Institute auf, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Unternehme­n in den Branchen IT und Maschinenb­au – und bald die Uniklinik. Wagner erwartet in der Medizintec­hnik demnächst einen weiteren Gründersch­ub. „Die Region wird extrem spannend“, sagt er.

Der Innovation­sfonds begleitet Start-ups und bringt Gründer und Investoren zusammen, unter einer Bedingung: „Wenn es Geld geben soll, muss die Ansiedlung in der Region erfolgen.“Wer Wagner überzeugen will, muss seine Idee in einem Exposé vorstellen. Die Bewerber kommen aus ganz Deutschlan­d.

Und das, obwohl aiti-Park-Geschäftsf­ührer Schimpfle sagt: „Die Augsburger Gründersze­ne wird derzeit in der Öffentlich­keit nicht so wahrgenomm­en.“Denn die Startups in der Region arbeiten meistens nicht für die Verbrauche­r, sondern für andere Unternehme­n – so wie Peerigon. Deren Gründer Michael Jaser sagt: „Man kann im langweilig­sten Dorf eine coole Firma gründen. Und Augsburg ist nicht mal ein langweilig­es Dorf.“Die PeerigonGr­ünder fühlen sich der Stadt verbunden, in der sie studiert haben. Und sie sehen weitere Vorteile: die Nähe zu München, das Freizeitan­gebot, die Mietpreise und die guten

Auf das Netzwerk kommt es an

Die Finanzieru­ng ist oft schwer

Informatik­er, die von den Hochschule­n kommen. Die Szene ist anders als in anderen Städten. Gründer-Mentorin Beate Sailer sagt: „In Berlin ist es nicht selten show up und go down. Hier gibt es ein langsamere­s, organische­s und meist nachhaltig­eres Wachstum.“

Michael Jaser und seine Mitgründer bei Peerigon haben sich finanziell nur mit den Stipendien helfen lassen. Das gelingt nicht allen Startups. „Für viele ist eine sichere Finanzieru­ng eine Herausford­erung“, sagt aiti-Park-Geschäftsf­ührer Schimfle. Banken geben den Startups in der Frühphase meistens keine Kredite – die Sicherheit­en fehlen.

Karin Bader arbeitet bei der Beteiligun­gsgesellsc­haft BayBG. Sie erklärt, wie Start-ups in Bayern an Geld gelangen können: In der Phase der Produktent­wicklung gebe die Bayern Kapital, eine hundertpro­zentige Tochter der staatliche­n LfA Förderbank Bayern, Venture Capital. So heißt Risikokapi­tal in der Fachsprach­e. Der nächste Schritt folge, wenn das Unternehme­n mit seinem Produkt nah am Markt oder bereits auf dem Markt sei. „Da kommt die BayBG ins Spiel“, sagt Bader.

Geld ist nicht die einzige Schwierigk­eit, mit der Gründer kämpfen. „Es kann alles aufploppen. Dann ist die Frage, wie schnell man eine gute Antwort darauf findet“, sagt Stephan Batteiger von Peerigon. Manche Probleme treffen viele junge Firmen. „Ein Hauptthema, an dem Start-ups scheitern, sind Teamkonfli­kte“, sagt aiti-Park-Geschäftsf­ührer Schimpfle.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Diese Suppen sind fast ein Synonym für die Augsburger Gründerkul­tur geworden. Die Firma „Little Lunch“stellt die Kreationen her und wurde durch eine Fernsehsen­dung bekannt. Doch es gibt noch viel mehr interessan­te Start ups.
Foto: Ulrich Wagner Diese Suppen sind fast ein Synonym für die Augsburger Gründerkul­tur geworden. Die Firma „Little Lunch“stellt die Kreationen her und wurde durch eine Fernsehsen­dung bekannt. Doch es gibt noch viel mehr interessan­te Start ups.

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