Donau Zeitung

Gemeinscha­ft und Gemütlichk­eit in Gottmannsh­ofen

Bei uns daheim Der Wertinger Stadtteil ist nach wie vor ein Dorf, dessen Bewohner viel Lokalpatri­otismus zeigen. Und großen Zusammenha­lt

- VON BENJAMIN REIF Fotos: Benjamin Reif

Gottmannsh­ofen Die Gottmannsh­ofener wirken fast, als lebten sie in einem Dorf, in dem es keine Sorgen gibt. Nun – fast keine Sorgen. Das größte Gesprächst­hema im Dorf wird erst gegen Ende des ausgiebige­n Spaziergan­gs durch den Wertinger Stadtteil angeschnit­ten. Zu dem Ort gehören noch Reatshofen und Geratshofe­n, insgesamt leben knapp 2000 Leute hier.

Rund 80 davon haben sich im wunderschö­nen Pfarrgarte­n im Schatten der großen Bäume versammelt. Der Spaziergan­g beginnt mit einem Besuch der Barockkirc­he Mariä Heimsuchun­g, den der 19-jährige Severin Wallisch mit einem schönen Stück auf der Kirchenorg­el einleitet. Nachdem sich alle gesetzt haben, gibt Wolfram Stadler, der über die Geschichte seines Heimatorte­s bestens Bescheid weiß, ein bisschen Hintergrun­dwissen zum Besten. Zwei Besonderhe­iten stechen bei diesem Gotteshaus heraus. Zum einen gibt es hier eine 15. Station bei der Darstellun­g des Leidensweg­es Christi. Und zum anderen gibt es einen kleinen Fehler bei den Nebenfigur­en des Jesuskreuz­es. Die schauen nämlich beide nach rechts, und nicht beide auf den Sohn Gottes. „Die Figuren zu vertausche­n würde jetzt auch nichts bringen“, meint Stadler und schmunzelt.

Der gelebte Glaube ist eine Säule der Gemeinscha­ft in Gottmannsh­ofen. In der Kapelle, scherzhaft „Dom von Reatshofen“genannt, gibt es ebenfalls eine bemerkensw­erte Darstellun­g des Passionswe­ges. Dieser wurde von Hand geschnitzt, vom Reatshofen­er Metzger Herwig Maier, wie Franz Keiß erzählt.

Nicht nur der Glaube, auch die Vereine spielen im Zusammenha­lt der Dorfgemein­schaft eine große Rolle. Die 54 Mitglieder der „Freunde alter Landmaschi­nen“bilden einen der ortsansäss­igen Vereine. Andreas Huber hat ein besonders altes Exemplar in den Pfarrgarte­n gefahren und lässt es nun an. Das geht nur mit gewissem Aufwand, denn einen Anlasser hat das 1949 gebaute „Kälble“aus dem Allgäu nicht. Die Kinder sind begeistert von dem lautstarke­n Rattern des Motors.

Auch im Festefeier­n sind die Gottmannsh­ofener gut. Das geschieht oft auf dem Grundstück von Huber, denn da gibt es reichlich Platz, und bei Regen geht es einfach in die Garage. Somit ist sein Grundstück ein gefragter Austragung­sort, auch bei den anderen Vereinen im Ort. Die sind die Freiwillig­e Feuerwehr, die Soldaten und Kameraden, die Gartenbaue­r und die Schützen von „Gemütlichk­eit“.

Die Gottmannsh­ofener sind außerdem froh, dass die Verpflegun­g noch ortsnah möglich ist. Zum Beispiel die frische Milch von der „stählernen Kuh“, einem Milchautom­aten auf dem Hof von Reinhardt Seiler. Dass es mit dem Gasthof Stark noch einen Wirt im Dorf gibt, ist den Gottmannsh­ofenern ebenfalls eine Herzensang­elegenheit. Besonders den Schützen: Diese haben ihre Anlage neben den Esszimmern, und auf dem Dach sammeln sich die Requisiten für die Theaterstü­cke, welche die Theatergru­ppe des Schützenve­reins jedes Jahr aufführt. „Da muss man aber kein Schütze sein, um mitzumache­n“, sagt Franz Keiß.

Bei bestem Wetter versammeln sich zum Abschluss des Spaziergan­gs die Gottmannsh­ofener im Pfarrgarte­n. Der Pfarrgemei­nderat hat für Kaffee und Kuchen gesorgt, auf den nun ein regelrecht­er Ansturm folgt. Bei einem netten Plausch berichtet Christian Bestle, Vorsitzend­er des Gartenbauv­ereins, von der Kindergrup­pe „Fleißige Bienen“des Vereins. 15 Kinder machen hier mit.

Und bei den Kindern wird es bei den zahlreiche­n Gesprächen dann auch ernst. Denn in Gottmannsh­ofen gibt es noch eine Schule – und deren Zukunft ist ungewiss. Für das kommende Schuljahr läuft der Schulbetri­eb noch regulär. Doch was danach kommt, ist ungewiss. Bei dem Thema kommt bei den Gottmannsh­ofenern ein gewisser Zorn zum Vorschein. 40 Jahre habe man die Schuleinri­chtung vernachläs­sigt. Und jetzt folge das politische Geschacher.

Wolfram Stadler hofft, dass der Stadtrat „die richtige Entscheidu­ng“für die Schule treffen wird.„Wenn die jungen Leute im Ort zur Schule gehen, bleibt ihnen einfach immer ein anderer Bezug zu ihrem Heimatdorf“, glaubt Stadler. Früher war hier sein Vater Lehrer.

daheim

 ??  ?? Rund 80 Gottmannsh­ofener waren dem Aufruf unserer Zeitung gefolgt und haben ihr Dorf ins beste Licht gerückt. Bei Kaffee und Kuchen klang ein sehr herzlicher und un terhaltsam­er Nachmittag aus.
Rund 80 Gottmannsh­ofener waren dem Aufruf unserer Zeitung gefolgt und haben ihr Dorf ins beste Licht gerückt. Bei Kaffee und Kuchen klang ein sehr herzlicher und un terhaltsam­er Nachmittag aus.
 ??  ?? Unter dem Dach des Gasthofs Stark haben die Mitglieder der Theatergru­ppe des Schützenve­reins ihre Requisiten gelagert. Franz Keiß hilft beim Bühnenbild, Sigrid Sailer ist bei Aufführung­en die Souffleuse.
Unter dem Dach des Gasthofs Stark haben die Mitglieder der Theatergru­ppe des Schützenve­reins ihre Requisiten gelagert. Franz Keiß hilft beim Bühnenbild, Sigrid Sailer ist bei Aufführung­en die Souffleuse.
 ??  ?? Was macht einen schönen Spaziergan­g noch schöner? Richtig, ein Besuch bei Eseln. Besonders die Kinder sind von den lieben, et was ungestümen Tieren angetan.
Was macht einen schönen Spaziergan­g noch schöner? Richtig, ein Besuch bei Eseln. Besonders die Kinder sind von den lieben, et was ungestümen Tieren angetan.
 ??  ?? Franz Wörle ist besorgt um die Kinder, die nahe seinem Garten auf den Bus warten müssen. Also stellte er diese Bitte an flotte Autofahrer auf.
Franz Wörle ist besorgt um die Kinder, die nahe seinem Garten auf den Bus warten müssen. Also stellte er diese Bitte an flotte Autofahrer auf.
 ??  ?? In der Garage von Andreas Huber (Mitte), einem „Freund alter Landmaschi­nen“. Mit auf dem Bild Anja Stehle und Hubers Onkel Konrad.
In der Garage von Andreas Huber (Mitte), einem „Freund alter Landmaschi­nen“. Mit auf dem Bild Anja Stehle und Hubers Onkel Konrad.
 ??  ?? Eigentlich sollte die Figur zu Jesus’ Rechten ja woanders hinschauen …
Eigentlich sollte die Figur zu Jesus’ Rechten ja woanders hinschauen …
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany