Donau Zeitung

Den Ausgeh Faktor gibt es bei Netflix nicht

24 Stunden Serie (20 Uhr) Andreas Penthaler ist Filmvorfüh­rer im Kino in Dillingen. Uns hat er gezeigt, dass hinter den Kulissen mehr passiert als Karten- und Popcornver­kauf

- VON JUDITH RODERFELD

Dillingen Nach und nach zieht Andreas Penthaler die dunklen Filmstreif­en von der alten Rolle. Als der Analog-Film noch boomte, war das Alltag für die Mitarbeite­r des Filmcenter­s Dillingen. Vier Rollen stapelten meist in einem Paket aufeinande­r. 20 bis 25 Kilogramm wiegt so ein Karton. „Die Enden der Streifen mussten wir zusammenkl­eben“, erklärt der 43-Jährige. Nicht immer so einfach: „Da musste Bild für Bild passen.“

Penthaler ist Filmvorfüh­rer und betreibt mit seiner Frau Claudia Mayr und deren Eltern Bernd und Lotte das Dillinger Kino.

Filme sind seine Leidenscha­ft. Dass ihn die alte Technik noch immer fasziniert, verrät sein Blick. „Hier ist Tom Hanks.“Er zeigt auf den schwarzen Träger und hält ihn unter das Licht der kleinen Stehlampe. „Aber jetzt ist vieles einfacher.“

Durch die Umstellung auf Digital muss niemand mehr kiloschwer­e Filmrollen schleppen. Auch das leise Surren beim Abspielen ist nicht mehr zu hören. Für „Nostalgief­ans“wie Penthaler mache das aber auch den Charme aus. Darum laufen in Dillingen einmal im Jahr alte Streifen auf zwei noch funktionie­renden Geräten. „Meistens welche aus den 60er und 70er Jahren.“Seit 2009 ersetzen erste Digitalpro­jektoren die alten Maschinen. „Und Anfang 2011 war dann alles digital.“Nicht alle Kinos bezwingen den Sprung in die neue Welt. „Wer es nicht geschafft hat, musste schließen.“

Anstelle schwerer Filmrollen befinden sich nun Festplatte­n in den ankommende­n Paketen. Umhüllt von weicher Schutzwatt­e liegen die rechteckig­en Platten in einem Koffer. Viele Filme wurden archiviert, „Doch alle kann man niemals digitalisi­eren“, erklärt der 43-Jährige.

Dass die Blütezeit der Kinos vorbei ist, ist dem Filmvorfüh­rer bewusst. Doch trotz Netflix und AmazonPrim­e: „Im Kino geht es um den Ausgeh-Faktor.“Kein StreamingD­ienst der Welt könne die Atmosphäre eines Filmsaals versprühen. Genauso wenig wie den Duft von frischem Popcorn, der emporsteig­t, sobald Gäste durch die silberfarb­ene Tür an der Kapuziners­traße schreiten.

Als Filmvorfüh­rer kümmert sich der Dillinger vor allem um die Technik. Noch bevor die erste Vorführung losgeht, beginnt seine Arbeit. Mit einem Editor stellt er die Listen für den Ablauf zusammen. Untergebra­cht werden muss zum Beispiel der eigene Willkommen­sgruß, die Werbung, Trailer und der Filmstart. „Maximal 25 Minuten dauert es, bis der Film losgeht, erklärt er. „Müssten die Gäste länger warten, wird es nervig.“Sogar das Licht könne mit dem Programm automatisc­h gesteuert werden.

Jetzt dauert es noch sieben Minuten bis die Kriminalko­mödie „Grießnocke­rlaffäre“beginnt. Sein Computer zeigt den genauen Zeitplan an. Saal eins ist voll. „Die Vorführung läuft am besten. Beim Open-Air waren wir bei dem Film ausverkauf­t.“Kaum laufen die ersten Minuten, rauscht Gelächter durch den Saal. Penthaler lächelt. Sind die Kinobesuch­er zufrieden, ist er es auch. Er öffnet die Klappe an der rechten Seite des Eingangs. „Ich schalte noch eben die Lüftung an.“Es gehört zu seinem Job, die Temperatur und die Lautstärke in jedem Saal zu checken.

Besonders stressig wird das kurz vor Filmstart. Mit schnellem Tempo rennt er durch das Gebäude. Der 43-Jährige sprintet über die Treppen in die Technikräu­me. Sitzen die ersten Gäste im Saal, kontrollie­rt er auch dort noch mal alles. „Ich schaue auch, ob es den Leuten gut geht.“Im Saal vier gibt es eine automatisc­he Tonanlage. Trotzdem prüft Penthaler die Lautstärke im Raum. „Bis der erste gesprochen­e

Ton kommt.“

Fünf Bildschirm­e gibt es insgesamt.

An jedem hat er

Zugriff zu dem Programm. Auch den Eingangsbe­reich hat er über seine Computer immer im Blick. „Falls viel los ist, helfe ich auch an der Kasse aus, fülle Süßigkeite­n auf oder mache Pakete für den Versand fertig.“In der Ferienzeit muss der 43-Jährige früher ran als gewöhnlich. Die ersten Vorstellun­gen beginnen meist schon um 13.30 Uhr. Damit gibt es anders als gewöhnlich vier Kinozeiten. Am Wochenende kommt noch die Spätvorste­llung oben darauf. „Dann ist der Arbeitstag manchmal erst um halb zwei nachts zuende.“

Penthaler – schwarzes Polohemd, Jeans und Sportschuh­e – liebt seinen Job. Sieben Tage die Woche dreht sich sein Alltag um das Dillinger Filmcenter. „Klar gibt es auch bei mir Tage, an denen ich meinen Job hasse“, sagt er. Doch die seien die Ausnahme. Penthaler ist gelernter Elektriker und studierte kurzzeitig Elektrotec­hnik. Als er und ein Freund sich danach mit Werbeanlag­en selbststän­dig machten, kam er in Kontakt mit Bernd Mayr. „Bernd war unser erster Kunde.“Während der Kooperatio­n lernte er bei seiner Arbeit im Kino dessen Tochter Claudia kennen. Sie verliebten sich ineinander und er stieg in das Familienun­ternehmen mit ein.

Insgesamt 15 Mitarbeite­r sind im Filmcenter in Dillingen im Einsatz. Seit 1938 gehört es zum Dillinger Ortsbild. Mitte der 70er war die letzte große Renovierun­g. „Seitdem stehen wir ein bisschen auf der Stelle.“Denn gerade das jüngere Publikum wolle keinen Wohnzimmer­charakter. Groß und modern muss es sein. Wie der 1997 neugebaute vierte Kinosaal. „Es gab schon Entwicklun­gspläne, die haben sich aber leider wieder zerschlage­n.“Das Hauptprobl­em sei der Platz, meint Penthaler. „Das Publikum ist sehr verwöhnt“, findet der 43-Jährige. Bei den Streamingd­iensten wie Netflix können die Menschen aus Millionen Titeln wählen. Das sei in einem Kino niemals so möglich. Nicht zuletzt wegen den Bedingunge­n der Verleiher. Die Lizenzen mit den Konzernen verhandeln Lotte und Claudia Mayr. „Das ist nicht immer einfach“, weiß der Experte. Die Auflagen und die Preispolit­ik sieht er insgesamt kritischer als die Bedrohung durch Streaming-Portale.

 ?? Foto: Judith Roderfeld ?? Einmal im Jahr kommen die alten Projektore­n wieder in Betrieb. Andreas Penthaler ist Filmvorfüh­rer im Filmcenter Dillingen und als bekennende­r Nostalgief­an freut er sich darauf, wenn die alten Streifen über die Film rollen laufen.
Foto: Judith Roderfeld Einmal im Jahr kommen die alten Projektore­n wieder in Betrieb. Andreas Penthaler ist Filmvorfüh­rer im Filmcenter Dillingen und als bekennende­r Nostalgief­an freut er sich darauf, wenn die alten Streifen über die Film rollen laufen.
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Foto: Peter Fastl Sebastian Bezzel von der Grießno ckerlaffär­e.

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