Donau Zeitung

Ein Herz und ein Haus für Schildkröt­en

Robert Wiedenmann aus Offingen päppelt notleidend­e Tiere auf. Woher die Tiere stammen, was die häufigsten Fehler bei ihrer Haltung sind und worauf der Experte wert legt

- VON STEPHANIE LORENZ Fotos: Stephanie Lorenz

Offingen Schon am Tor wird man von einem großen Hund empfangen. Geradeaus, am Haus vorbei, führt der Weg in den Garten Richtung Schildkröt­enparadies. Vorbei an einem roten Leguan, an einigen Schildkröt­en, die ruhig in ihren Wasserbeck­en liegen, vorbei an Hasen und vielen Pflanzen. „Hier ist absolute Invasion“, sagt Robert Wiedenmann. „Er mag’s eher naturbelas­sen“, erklärt seine Mutter Brigitte, „so siedeln sich ganz viele Tiere an, Eidechsen zum Beispiel oder auch eine Spatzenkol­onie“, sagt sie und zeigt auf einen der vielen Bäume. Weit über 100 Tiere haben ihr Zuhause bei der Familie in Offingen gefunden.

Robert Wiedenmann ist mit Tieren aufgewachs­en. Seit über 30 Jahren kümmert er sich vor allem um Schildkröt­en. Sie kommen aus unterschie­dlichen Gründen zu ihm. Er arbeitet mit Tierheimen zusammen, wird privat angesproch­en oder von der Polizei benachrich­tigt, wenn ein Tier gefunden wird. Manche Schildkröt­en wurden auch zur Urlaubsbet­reuung gebracht und nie wieder abgeholt.

„Vielen ist es einfach zu viel Arbeit“, sagt Brigitte Wiedenmann, die 1989 zwei Rotwangens­childkröte­n – jede war damals so groß wie ein Fünf-Mark-Stück – aus einem Zoohaus mitnahm, nachdem man ihr versproche­n hatte, sie seien pflegeleic­ht. Etwas später las sie in einer Kleinanzei­ge „Schildkröt­en abzugeben“. Dann waren es fünf. Und Sohn Robert brachte nochmals fünf. So sei das losgegange­n. Es wurde eine Auffangsta­tion daraus, die viele Arten und Unterarten beherbergt. Köhler-, Gelbkopf-, Panther- und Waldschild­kröten zum Beispiel. Und jede Schildkröt­e hat ihre eigene Geschichte.

Robert Wiedenmann hebt eine griechisch­e Landschild­kröte aus ihrem Gehege. Sie kam vor etwa vier Jahren mit schweren Verletzung­en nach Offingen. „Zusammenge­bissen von einem Hund“, erklärt er. Außerdem sei sie zu warm gehalten worden und habe Verbrennun­gen am Bauch, ausgelöst durch Heizdrähte oder einen Heizstrahl­er.

„Wir hatten auch schon Schildkröt­en mit eingedrück­tem Panzer“, sagt Brigitte Wiedenmann. „Weil die Leute schauen wollen, wie hart der Panzer ist.“Sie schüttelt den Kopf. Ihr Sohn zeigt auf eine Schildkröt­e, deren Panzer Höcker hat. Eigentlich müsste der glatt sein, sagt er. Die Höcker kämen von falscher zu viel Zucchini und Salat. Bei anderen wiederum hat falsches Futter zu geschwolle­nen Gelenken oder einem Hakenschna­bel geführt – mit dem sie im Extremfall gar keine Nahrung mehr aufnehmen können. Manche Tiere leiden unter uferlosem Krallenwac­hstum, weil sie auf falschem Boden gehalten wurden. Außerdem berücksich­tigten Besitzer oft nicht, dass viele Männchen einzeln gehalten werden müssen. Denn gerade sehr potente Tiere verhalten sich oft aggressiv und gehen aufeinande­r los. „Es gibt kein Kuschen. Aufhören ist, wenn einer fertig ist“, sagt Wiedenmann. Die Folge ist also entweder ein totes Tier oder eines mit schweren Bissverlet­zungen. Zwei Sachen sind dem gelernten Zahntechni­ker, der heute als Heilerzieh­ungspflege­r arbeitet, besonders wichtig: Er braucht keine Schautiere, sondern gesunde, robusErnäh­rung, te Tiere und die Unterbring­ung muss ausbruchsi­cher und funktionel­l sein – nicht schön.

Als Faustregel für die Gehegegröß­e einer Landschild­kröte beispielsw­eise gelte: Panzergröß­e mal vier auf Panzergröß­e mal acht. Je nachdem, wie groß die entspreche­nde Art wird, „sind die Platzanspr­üche für einen Hund weniger“, sagt Wiedenmann und lacht.

Die Gehege für seine Tiere baut er selbst. Die Materialie­n dafür erhält er auf Nachfrage, als Geschenk oder per Tausch. Eine alte Bank aus Granitstei­n zum Beispiel hat er gegen einen Kasten Bier getauscht. Fensterele­mente, die auf der Wiese liegen, hat er geschenkt bekommen.

„Das Material darf nichts kosten, weil die Haltungsko­sten so hoch sind“, sagt Wiedenmann. Wie hoch, das will er nicht sagen. Nur so viel: „Suche Investor.“Wiedenmann lacht. Für sein Hobby könnte er einen Sponsor brauchen, bestätigt seine Mutter und lacht ebenfalls. Allein die Stromkoste­n beliefen sich auf ein paar Tausend Euro im Jahr, sagt sie.

Sie wünschen sich, dass sich die Menschen vor der Anschaffun­g gründliche­r informiere­n und mit den Bedürfniss­en der entspreche­nden Art auseinande­rsetzen. „Weil man sich einfach ein Tier kauft und dann geht es jämmerlich zugrunde“, sagt Robert Wiedenmann. Und seine Mutter fügt hinzu: „Eine Schildkröt­e ist kein Kuscheltie­r.“

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Robert Wiedenmann zeigt eine Weichschil­dkröte (oben). Manche Tiere können bis zu 250 Kilo schwer werden. Auch eine Schlan genhalssch­ildkröte (links) sowie Spornschil­dkröten (rechts) leben bei den Wiedenmann­s.

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