Ein Herz und ein Haus für Schildkröten
Robert Wiedenmann aus Offingen päppelt notleidende Tiere auf. Woher die Tiere stammen, was die häufigsten Fehler bei ihrer Haltung sind und worauf der Experte wert legt
Offingen Schon am Tor wird man von einem großen Hund empfangen. Geradeaus, am Haus vorbei, führt der Weg in den Garten Richtung Schildkrötenparadies. Vorbei an einem roten Leguan, an einigen Schildkröten, die ruhig in ihren Wasserbecken liegen, vorbei an Hasen und vielen Pflanzen. „Hier ist absolute Invasion“, sagt Robert Wiedenmann. „Er mag’s eher naturbelassen“, erklärt seine Mutter Brigitte, „so siedeln sich ganz viele Tiere an, Eidechsen zum Beispiel oder auch eine Spatzenkolonie“, sagt sie und zeigt auf einen der vielen Bäume. Weit über 100 Tiere haben ihr Zuhause bei der Familie in Offingen gefunden.
Robert Wiedenmann ist mit Tieren aufgewachsen. Seit über 30 Jahren kümmert er sich vor allem um Schildkröten. Sie kommen aus unterschiedlichen Gründen zu ihm. Er arbeitet mit Tierheimen zusammen, wird privat angesprochen oder von der Polizei benachrichtigt, wenn ein Tier gefunden wird. Manche Schildkröten wurden auch zur Urlaubsbetreuung gebracht und nie wieder abgeholt.
„Vielen ist es einfach zu viel Arbeit“, sagt Brigitte Wiedenmann, die 1989 zwei Rotwangenschildkröten – jede war damals so groß wie ein Fünf-Mark-Stück – aus einem Zoohaus mitnahm, nachdem man ihr versprochen hatte, sie seien pflegeleicht. Etwas später las sie in einer Kleinanzeige „Schildkröten abzugeben“. Dann waren es fünf. Und Sohn Robert brachte nochmals fünf. So sei das losgegangen. Es wurde eine Auffangstation daraus, die viele Arten und Unterarten beherbergt. Köhler-, Gelbkopf-, Panther- und Waldschildkröten zum Beispiel. Und jede Schildkröte hat ihre eigene Geschichte.
Robert Wiedenmann hebt eine griechische Landschildkröte aus ihrem Gehege. Sie kam vor etwa vier Jahren mit schweren Verletzungen nach Offingen. „Zusammengebissen von einem Hund“, erklärt er. Außerdem sei sie zu warm gehalten worden und habe Verbrennungen am Bauch, ausgelöst durch Heizdrähte oder einen Heizstrahler.
„Wir hatten auch schon Schildkröten mit eingedrücktem Panzer“, sagt Brigitte Wiedenmann. „Weil die Leute schauen wollen, wie hart der Panzer ist.“Sie schüttelt den Kopf. Ihr Sohn zeigt auf eine Schildkröte, deren Panzer Höcker hat. Eigentlich müsste der glatt sein, sagt er. Die Höcker kämen von falscher zu viel Zucchini und Salat. Bei anderen wiederum hat falsches Futter zu geschwollenen Gelenken oder einem Hakenschnabel geführt – mit dem sie im Extremfall gar keine Nahrung mehr aufnehmen können. Manche Tiere leiden unter uferlosem Krallenwachstum, weil sie auf falschem Boden gehalten wurden. Außerdem berücksichtigten Besitzer oft nicht, dass viele Männchen einzeln gehalten werden müssen. Denn gerade sehr potente Tiere verhalten sich oft aggressiv und gehen aufeinander los. „Es gibt kein Kuschen. Aufhören ist, wenn einer fertig ist“, sagt Wiedenmann. Die Folge ist also entweder ein totes Tier oder eines mit schweren Bissverletzungen. Zwei Sachen sind dem gelernten Zahntechniker, der heute als Heilerziehungspfleger arbeitet, besonders wichtig: Er braucht keine Schautiere, sondern gesunde, robusErnährung, te Tiere und die Unterbringung muss ausbruchsicher und funktionell sein – nicht schön.
Als Faustregel für die Gehegegröße einer Landschildkröte beispielsweise gelte: Panzergröße mal vier auf Panzergröße mal acht. Je nachdem, wie groß die entsprechende Art wird, „sind die Platzansprüche für einen Hund weniger“, sagt Wiedenmann und lacht.
Die Gehege für seine Tiere baut er selbst. Die Materialien dafür erhält er auf Nachfrage, als Geschenk oder per Tausch. Eine alte Bank aus Granitstein zum Beispiel hat er gegen einen Kasten Bier getauscht. Fensterelemente, die auf der Wiese liegen, hat er geschenkt bekommen.
„Das Material darf nichts kosten, weil die Haltungskosten so hoch sind“, sagt Wiedenmann. Wie hoch, das will er nicht sagen. Nur so viel: „Suche Investor.“Wiedenmann lacht. Für sein Hobby könnte er einen Sponsor brauchen, bestätigt seine Mutter und lacht ebenfalls. Allein die Stromkosten beliefen sich auf ein paar Tausend Euro im Jahr, sagt sie.
Sie wünschen sich, dass sich die Menschen vor der Anschaffung gründlicher informieren und mit den Bedürfnissen der entsprechenden Art auseinandersetzen. „Weil man sich einfach ein Tier kauft und dann geht es jämmerlich zugrunde“, sagt Robert Wiedenmann. Und seine Mutter fügt hinzu: „Eine Schildkröte ist kein Kuscheltier.“