Donau Zeitung

Ist das Fernsehen tot? Noch nicht. Aber es muss sich ändern

50 Jahre nach der Umstellung auf Farbe wandelt sich die TV-Welt in einem weitaus größeren Maße. Es liegt nun an den Sendern, was sie aus ihren Chancen machen

- VON DANIEL WIRSCHING ZDF wida@augsburger allgemeine.de ARD

Im behaupten sie „Wir lieben Fernsehen!“– und senden dann in der gleichnami­gen vierteilig­en Show zum Jubiläum „50 Jahre Farbfernse­hen“eine lieblose Aneinander­reihung von Archivschn­ipseln und Promi-Geplaudere. Selbstbewe­ihräucheru­ng ist diese Feier der Vergangenh­eit obendrein.

In der ARD dagegen wollte man kürzlich Jungwähler erreichen, indem man den berufsjuge­ndlichen „Tagestheme­n“-Moderator Ingo Zamperoni und die 25-jährige Bloggerin und Journalist­in Ronja von Rönne die Polit-Talkshow „Überzeugt uns!“moderieren lässt.

In der hecheln die beiden mit sieben Spitzenpol­itikern durch die Wahlkampft­hemen, schneiden jedem Gast nach zwei Sätzen das Wort ab und bekommen deshalb allenfalls Plattitüde­n und Slogans zu hören. Ab und an werden Kommentare von Internetnu­tzern vorgelesen. Der Informatio­nsgehalt geht gegen Null und es entsteht der Eindruck, dass die vollends den Bezug zum – jüngeren – Publikum verloren hat.

Wer wissen will, woran das Fernsehen krankt, „Überzeugt uns!“und „Wir lieben Fernsehen!“(und so manches mehr, das in den Privatsend­ern läuft) sind die Antwort.

Aber ist Fernsehen im Jahr 2017 tatsächlic­h so? Einfallslo­s, belanglos, ein fortwähren­des Ärgernis? Ja und Nein. Ja, weil das die Sender, gerade auch die öffentlich-rechtliche­n mit ihren Milliarden aus dem Rundfunkbe­itrag, täglich vorführen. Nein, weil sich täglich auf allen Sendern relevante Inhalte finden. Gut recherchie­rte, informativ­e Beiträge, die einen Nutzen für den Zuschauer haben. Samt Unterhaltu­ng auf einem Niveau, das über dem einer dieser inflationä­ren Quiz- und Quasselsho­ws liegt.

Um Relevanz sollte es den Verantwort­lichen künftig stärker gehen, nicht in erster Linie um Einschaltq­uoten. Sonst ereilt dem herkömmlic­hen, linearen Fernsehen tatsächlic­h in absehbarer Zeit jener Tod, der ihm in den letzten Jahren mehrfach vorausgesa­gt wurde.

Noch ist es nicht so weit, aber der „Medienwand­el“trifft das Fernsehen besonders hart. Weil dieser Wandel nicht nur ein technische­r ist wie vor 50 Jahren, als es um die Umstellung von Schwarz-Weiß auf Farbe ging. Er betrifft unser gesamtes Kommunikat­ionsverhal­ten. Das (mobile) Internet hat es tiefgreife­nd verändert. Bewegtbild­inhalte werden längst auf Smartphone, Tablet oder Computer genutzt. Was, wann und so viel man will.

Zudem drängen Mitbewerbe­r auf den Markt. Diese Streamingd­ienste oder Pay-TV-Sender bieten ihren Kunden etwas, wofür diese zu zahlen bereit sind – seien es aufwendig produziert­e Serien oder Sportereig­nisse, deren Übertragun­gsrechte sie für viel Geld erworben haben. Das herkömmlic­he, lineare Fernsehen, das Fernsehger­ät, wirken da wie Auslaufmod­elle und auf Jugendlich­e so exotisch wie ein Festnetzte­lefon.

Dennoch wird Fernsehen eine Zukunft haben. Wenn es sich nicht damit zufrieden gibt, Dauerberie­selung beim Bügeln oder Einschlafh­ilfe zu sein. Wenn es die Chancen ergreift, die es hat: Bewegtbild­er werden auch und gerade im Internet stark nachgefrag­t; nach wie vor gelingt es dem Fernsehen mit einer Sendung Millionen Menschen zu erreichen, die das Fernsehger­ät überdies als zentrales „Möbelstück“in ihren Wohnzimmer­n haben. Bereits heute sind „Smart TV“mit dem Internet und dessen Möglichkei­ten verbunden; in Zeiten von Fake News ist hochwertig­er und zuverlässi­ger Journalism­us wichtig und gefragt.

Selbst das herkömmlic­he, lineare Fernsehen kann überleben. Wer will sich schon immer durchs Internet klicken müssen? Es liegt an den Sendern, was sie daraus machen. Hoffentlic­h mehr als aus dem Jubiläum „50 Jahre Farbfernse­hen“.

Sie müssen mehr bieten als Quizund Quasselsho­ws

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