Donau Zeitung

Wenn Polizisten Opfer sind

2016 wurden knapp 2400 Beamte verletzt. Die Zahl der tätlichen Angriffe und Beleidigun­gen ist erneut drastisch gestiegen. Wo die Gefahr am größten ist

- VON ULI BACHMEIER

Nürnberg/München Einiges Erschrecke­n und auch eine gewisse Ratlosigke­it herrschen innerhalb der bayerische­n Polizei angesichts der starken Zunahme der gewalttäti­gen Angriffe auf Polizistin­nen und Polizisten. Schon 2015 hatte die Zahl der verbalen und physischen Attacken einen Höchststan­d erreicht. Im vergangene­n Jahr, so berichtete Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) gestern in Nürnberg, ist es noch einmal schlimmer geworden.

Das Ministeriu­m registrier­te einen Anstieg um 7,3 Prozent auf 7422 Fälle. Insgesamt 16450 Polizistin­nen und Polizisten waren betroffen – fast jeder zweite bayerische Polizeivol­lzugsbeamt­e. Neben Beleidigun­gen und Widerstand­shandlunge­n stieg vor allem die Zahl der Körperverl­etzungen stark an – um 16,3 Prozent. 2386 Beamte wurden im Dienst verletzt. Ein Polizist wurde erschossen. In 13 Fällen gehen Staatsanwa­ltschaften von versuchten Tötungsdel­ikten aus.

Brennpunkt­e der Gewalt gegen Polizisten sind nach Aussage von Experten die Nachtlokal­e, Feierzonen und Partymeile­n in den Städten. Etwa zwei Drittel der Gewalttäte­r, so sagt Peter Schall, der Chef der Gewerkscha­ft der Polizei in Bayern, stehen unter Alkoholein­fluss.

In Augsburg, das unter Bayerns Großstädte­n in der Statistik einen traurigen Spitzenpla­tz einnimmt, zeigt sich das besonders deutlich. Polizeiviz­epräsident Norbert Zink berichtet, dass von den 735 Fällen im Bereich des Präsidiums Schwaben Nord im vergangene­n Jahr 495 im Stadtgebie­t Augsburg und davon wiederum 258 in der Innenstadt registrier­t wurden. „Die Zahlen steigen aber auch auf dem Land und auch dort überwiegen­d im Zusammenha­ng mit Partys, Volksfeste­n und Alkohol“, sagt Zink.

Doch nicht überall ist die Entwicklun­g gleich. Im Stadtgebie­t von Ingolstadt zum Beispiel registrier­te das Polizeiprä­sidium Oberbayern Nord sogar einen leichten Rückgang (um 2,1 Prozent) auf 142 Delikte, obwohl die Gesamtzahl der Fälle im nördlichen Oberbayern um 6,9 Prozent gestiegen ist. Für das südliche Oberbayern lagen gestern noch keine Vergleichs­zahlen vor. Im Bereich des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/West registrier­te die Polizei einen Anstieg der Delikte um 2,6 Prozent auf 625 Fälle. Unter den Städten über 20 000 Einwohner war Memmingen 2016 bayernweit das vergleichs­weise gefährlich­ste Einsatzgeb­iet für Polizisten.

Zu den genaueren Ursachen der Gesamtentw­icklung gibt es keine verlässlic­hen Aussagen. Die Statistike­n zeigen lediglich, dass die Hemmschwel­le zur Anwendung von Gewalt sinkt. Innenminis­ter Herrmann sieht die Entwicklun­g „mit größter Sorge“, Gewerkscha­ftschef Schall nennt sie „mehr als bedenklich“. Einigkeit herrscht zwischen Ministeriu­m und Gewerkscha­ft darüber, dass die Schutzausr­üstung der Polizei weiter verbessert werden muss. Das fordert auch der Chef der SPD-Fraktion im Landtag, Markus Rinderspac­her.

Ein besonderes Augenmerk liegt dabei zur Zeit auf den Body-Cams. Diese Kameras, die von Polizisten am Körper getragen und im Einsatzfal­l eingeschal­tet werden, sollen potenziell­e Gewalttäte­r abschrecke­n und zugleich im Ernstfall Beweismate­rial über den Hergang einer Auseinande­rsetzung liefern. Sie werden, wie berichtet, aktuell in Augsburg, München und Rosenheim erprobt. Erste Ergebnisse gibt es nach Aussage von Gewerkscha­ftschef Schall in Bayern noch nicht. Ein Test in Hessen habe aber gezeigt, dass sich Gewalttäti­gkeiten um etwa 30 Prozent verringern lassen. Das bestätigt auch der Innenminis­ter. Berichte aus anderen Ländern bestätigte­n „eine deeskalier­ende und abschrecke­nde Wirkung“.

In Augsburg, so berichtete Zink, stoßen die Body-Cams „auf ganz hohe Akzeptanz bei den Kollegen“. Sie würden dieses Jahr erstmals auch auf dem Plärrer eingesetzt. „Stark alkoholisi­erte Täter lassen sich davon aber nicht beeindruck­en“, sagt Zink.

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