Donau Zeitung

Acht Menschen in Geröll Lawine vermisst

Sie wanderten im Gefahrenge­biet. Nach dem Abgang ist ein ganzer Ort verwaist

- VON JAN DIRK HERBERMANN Foto: Miguel Medina, afp

Genf Das Unglück nahm am Mittwoch um 9.30 Uhr seinen Lauf. Vom 3369 Meter hohen Berg Piz Cengalo im Schweizer Grenzgebet zu Italien lösten sich gewaltige Felsmassen und stürzten in das Tal mit dem Namen Val Bondasca.

Die Lawine aus vier Millionen Kubikmeter­n Stein und Geröll zertrümmer­te rund um den Ort Bondo alles, was sich ihr in den Weg stellte. Und sie hat möglicherw­eise mehrere Menschen in den Tod gerissen, wie gestern bekannt wurde.

„Im Gebiet Val Bondasca konnten acht Personen, die sich zum Zeitpunkt des Bergsturze­s dort aufhielten, nicht erreicht werden“, teilte die Kantonspol­izei am Donnerstag­vormittag mit. Es handele sich um Deutsche, Österreich­er und Schweizer. Die Wanderer und Alpinisten seien vermutlich in Gruppen zu zweit unterwegs gewesen.

Eine zweite Wandergrup­pe, die auch in dem Tal in Graubünden vermutet und vermisst gemeldet worden war, tauchte inzwischen unversehrt in Italien auf, wie eine Sprecherin der Polizei im Kanton bestätigte.

Die noch vermissten Wanderer haben sich nach Angaben der Behörden in einem offiziell ausgewiese­nen Gefahrenge­biet aufgehalte­n. Die Gemeinde Bondo habe zuletzt am 14. August eine Warnung vor einem möglichen Felssturz herausgege­ben, sagte die Gemeindepr­äsidentin Anna Giacometti gestern bei einer Pressekonf­erenz. „Die Leute haben gewusst, sie bewegen sich in einem gefährdete­n Gebiet.“Auch die Hüttenwirt­e hätten Wanderer auf die Gefahren aufmerksam gemacht, sagte Giacometti.

Polizisten, Soldaten und Feuerwehr durchsucht­en gestern fieberhaft das Unglücksge­biet nach den mutmaßlich­en Opfern, dabei kamen auch Helikopter zum Einsatz. Videos im Internet vermitteln einen Eindruck von der natürliche­n Gewalt, die das ganze Tal erzittern ließ. Der Bergsturz löste ein Erdbeben der Stufe drei aus, Ställe wurden weggewisch­t, Bäume entwurzelt. Die Gesteinsla­wine, ein sogenannte­r Murgang, erreichte auch das Dorf Bondo und bedeckte es teilweise, verletzt wurde dort jedoch niemand. Der Ort wurde komplett evakuiert; wann die Bewohner zurückkehr­en können, ist nicht klar.

Bondo ist nach dem Unglück Sperrgebie­t. Der Bergsturz wurde nach Medieninfo­rmationen von mehreren Faktoren verursacht. So hätten etwa Wasser und Permafrost in den Felsspalte­n einen enormen Druck ausgeübt.

Murgänge und Bergrutsch­e haben in den vergangene­n Jahren in der Schweiz zugenommen. Rund sechs Prozent der Landesfläc­he bestehen aus Hängen, die wegbrechen können. Betroffen sind das Appenzelle­rland, St. Gallen, das Berner Oberland, die Zentralsch­weiz und Graubünden. Experte Martin Kaiser vom dortigen Amt für Wald und Naturgefah­ren befürchtet, dass nach dem aktuellen Unglück noch mehr passieren könnte. Denn auf dem Piz Cengalo bewegen sich noch rund eine Million Kubikmeter Gestein. Es könne durchaus zu weiteren Bergstürze­n kommen.

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Im Ort Bondo versanken Häuser in Schlamm und Gestein, Straßen enden jetzt im Nichts. Am Piz Cengalo hatte sich die Geröll Lawine gelöst.
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