Donau Zeitung

Mit dem Taxi nach Dortmund – warum auch nicht?

Stefan Röthle fährt leidenscha­ftlich gerne Auto, egal ob zum Krankenhau­s oder ins Rotlichtvi­ertel

- VON CORDULA HOMANN

Höchstädt/Wertingen Stockfinst­er ist es in Höchstädt: Doch selbst um 23 Uhr sind in warmen Sommernäch­ten noch viele Menschen in der Innenstadt unterwegs. Auch bei Stefan Röthle brennt noch Licht. Unter der Woche arbeitet er bis 24 Uhr, am Wochenende sogar länger.

Der 37-Jährige ist so aufgewachs­en, schon Vater Rudolf war Taxiuntern­ehmer, der Sohn oft auf Fahrten dabei. „Mit sechs Jahren wusste ich schon, wo es die besten Leberkässe­mmeln gibt“, sagt er und lacht. Seitdem war dem Höchstädte­r klar, was er beruflich machen will. Auch wenn er sieben Tage die Woche täglich zehn Stunden und mehr arbeitet. „Ich fahr’ einfach für mein Leben gern.“Inzwischen ist er der typische Taxifahrer. Zum Frühstück oder während er auf einen Kunden wartet, gibt es einen Kaffee und eine Zigarette. Das Unternehme­n hat weitere Niederlass­ungen in Wertingen und eine in Bissingen. 13 Autos gehören dazu. Nach vier, fünf Jahren haben sie so viele Kilometer auf dem Tacho, dass sie ersetzt werden müssen, im Schnitt sind das zwei pro Jahr. Ein Taxi müsse inzwischen keinen Stern mehr auf der Kühlerhaub­e haben, findet Röthle. „Ein Auto muss wirtschaft­lich sein, was Verbrauch, Preis und den Verschleiß der Teile betrifft. Rund 25 Fahrer beschäftig­t der Chef. Seit er das Unternehme­n von seinem Vater übernommen hat, hat sich viel verändert. „Früher hatten wir 90 Prozent Barfahrten und haben Kunden abgeholt, die ein Bierchen trinken waren. Aber heute gibt es kaum noch Wirtschaft­en, man geht nicht mehr so viel weg.“Heute erledigt das Team zu 90 Prozent Krankenfah­rten und bringt Patienten zur Dialyse oder zur Chemothera­pie. (In Augsburg ist es immer noch wie früher, ergab eine Nachfrage in der dortigen Taxizentra­le.) Und heute weiß Röthle dank moderner Technik stets, wo seine Mitarbeite­r gerade unterwegs sind, und ob er ihnen gleich eine weitere Fahrt vermitteln kann.

Unter der Woche ist er der Einzige im Team, der nachts fährt – auch nach Mitternach­t, wenn es vorher so ausgemacht war. Zum Beispiel, weil es im Donau-Ries eine Disco gibt, die auch sonntags aufhat. „Da habe ich am Montagmorg­en um 3 Uhr ein paar Jungs abgeholt. Die hatten dann noch Hunger und wollten sich unterwegs bei einer Tankstelle noch etwas zu essen mitnehmen.“Als Röthle dann endlich daheim war, fing der Arbeitstag schon wieder an. „Doch die hatten die Fahrt vorher vereinbart und ich bekam dafür 150 Euro. Das muss man mitnehmen“, sagt der 37-Jährige.

Manchmal gibt es Kunden mit besonderen Wünschen. Die fährt Röthle direkt ins Augsburger Rotlichtvi­ertel. Nach den vielen Berufsjahr­en weiß der Fahrer, wo die Wünsche seines Gastes erfüllt werden. „Ich drehe in der Zwischenze­it eine kleine Runde durch die Stadt, hole mir an einer Tankstelle einen Kaffee, rauche eine und nehme ihn zwei, drei Stunden später wieder mit.“Daheim sagt Röthle dann seiner Frau, er war im Puff. Sie versteht, wie er das meint. Sie fährt auch Taxi und weiß, dass sich so ein Ausflug rechnet; anders als eine Strecke innerhalb Wertingens von einem Haus zum Gasthof. „Das kostet sieben Euro, aber das ist egal, das nehme ich mit.“Überall, wo das Unternehme­n eine Niederlass­ung hat, fallen keine Anfahrtsge­bühren an.

Am Wochenende sind auch Röthles Mitarbeite­r nachts im Einsatz, vor allem mit dem Bus. Wenn sich mehrere Fahrgäste den Preis teilen, ist es für alle billiger. Wie fröhlich oder angetrunke­n die Clique ist, ist dem Taxifahrer egal. Er prüfe nicht, ob die überhaupt genug Geld haben und wie betrunken sie sind. Jungs, die sich vor Mädchen wichtig machen wollen und den Fahrer ärgern, lautstarke­s Singen vom Start- bis zum Zielort, wüste Beschimpfu­ngen, alles sieht der 37-Jährige gelassen. Nur Flaschen mit Hochprozen­tigem, die manche schon auf dem Hinweg zur Party im Taxi leeren wollen, nimmt er nicht mit. Da wartet er vor der Fahrt, bis alles ausgetrunk­en ist. Ein Mal ging eine Autoscheib­e während der Fahrt kaputt „und keiner war’s“. Ausgesetzt hat Röthle noch niemanden, das dürfte er gar nicht. Selbst dann, wenn der Kunde am Ziel angekommen nicht den kompletten Fahrpreis zahlen kann. Denn gefahren wird jeder überallhin. Ob der Kunde nun mitten in der Nacht von Höchstädt nach Dortmund (750 Euro) will. Oder mitten in der Nacht 50 Euro auf den Tisch legt und dafür im Kreis oder ohne Stopp von Wertingen nach Dillingen und zurück. Teils seien Fahrer auch Psychiater und werden beschenkt. „Vor allem vor Weihnachte­n bekommen wir überrasche­nd viel Alkohol, das verstehe ich nicht.“Auch Einladunge­n auf ein Bier lehnt der 37-Jährige grundsätzl­ich ab.

Es ist fast Mitternach­t in der Höchstädte­r Taxizentra­le, mit dem Fenster in der Eingangstü­r, durch das Menschen früher persönlich ihre Fahrwünsch­e bekanntgab­en und den alten Taxametern und Taxischild­ern in den Regalen. Doch vor Mitternach­t traut sich Stefan Röthle nicht ins Bett. Man sei immer auf dem Sprung. „Wenn ich mal um 23 Uhr schlafen gehe, ruft garantiert noch einer an.“

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Foto: Homann Stefan Röthle steht mit seinem Taxibus vor dem Schloss Höchstädt. Das Unternehme­n hat auch Niederlass­ungen in Wertingen und Bissingen.

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