Donau Zeitung

Hat die bayerische Polizei genügend Personal?

Innenminis­ter Joachim Herrmann sagt, er habe so viele Beamte wie noch nie. Nach Ansicht der SPD ist das nur die halbe Wahrheit. Sie verweist auf Personallü­cken in den Dienststel­len und zwei Millionen Überstunde­n

- Uli Bachmeier

Kann das stimmen? Was ist da wirklich dran? Wir leben in einer Zeit, in der sich streitbare Behauptung­en schneller verbreiten als je zuvor. Wer prüft da noch, ob die vermeintli­chen Tatsachen auch stimmen? Wir! Heute geht es um die innere Sicherheit.

Die CSU legt im Wahlkampf großen Wert darauf, Vorreiter bei der inneren Sicherheit zu sein. Dass Bayern das sicherste Bundesland ist, bestreitet niemand. Zwar war im Jahr 2016 die Zahl registrier­ter Straftaten pro 100000 Einwohner etwas höher als in Baden-Württember­g, Hessen und Rheinland-Pfalz. Rechnet man aber die illegalen Einreisen, die überwiegen­d in Bayern registrier­t wurden, aus den Statistike­n heraus, dann ist in Bayern die Kriminalit­ätsbelastu­ng der Bevölkerun­g am niedrigste­n. Gestritten allerdings wird im Landtag regelmäßig über die Frage, ob es in Bayern ausreichen­d Polizisten gibt. Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) behauptet, die bayerische Polizei habe so viel Personal wie nie. Der Chef der SPD im Landtag, Markus Rinderspac­her, hält ihm entgegen, dass das nur die halbe Wahrheit sei. Wie ist es wirklich?

● Zahlen Das sind die Personalst­ellen in absoluten Zahlen: Die Polizei in Bayern hat nach Angaben des Innenminis­teriums aktuell mit insgesamt 41 969 Stellen tatsächlic­h so viel Personal wie noch nie seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Einsparung­en im Personalbe­reich im vergangene­n Jahrzehnt – da sollte die Polizei nach dem Willen der damaligen CSU-Staatsregi­erung „billiger und besser“werden – wurden schrittwei­se korrigiert. Seit dem Jahr 2009 wurden 2917 zusätzlich­e und dauerhaft verfügbare Stellen geschaffen. Bis 2020 soll es pro Jahr noch einmal 500 Stellen zusätzlich geben.

● Länderverg­leich und Statistik Wer hier nachforsch­t, wird sofort mit den Tücken der Statistik konfrontie­rt. Bayern lag laut dem StatistikP­ortal Statista im vergangene­n Jahr mit angeblich 326 Polizisten pro 100 000 Einwohner einerseits deutlich hinter den Stadtstaat­en Berlin (473), Hamburg (437) und Bremen (418) sowie hinter Mecklenbur­g-Vorpommern (366) und Brandenbur­g (328). Das hat praktische wie historisch­e Gründe. Stadtstaat­en brauchen mehr Polizei, weil die Kriminalit­ätsbelastu­ng dort deutlich höher ist als in Flächenlän­dern. Und in den ostdeutsch­en Ländern gibt es aus DDR-Zeiten noch immer einen Überhang an Polizisten. An- zeigt sich in derselben Statistik ein deutlicher Vorsprung Bayerns etwa gegenüber BadenWürtt­emberg (225) und RheinlandP­falz (224). Das liegt auch daran, dass Bayern die rund 5000 Tarifanges­tellten bei der Polizei miteinrech­net. Nur so konnte man für das Jahr 2016 auf die Zahl 326 kommen, aktuell wären es 327. Setzt man dagegen nur die rund 37 000 Polizisten zu den rund 12,85 Millionen Einwohnern Bayerns ins Verhältnis, dann kommt man auf rund 288 Polizisten pro 100 000 Einwohner. Doch auch das ist offenbar noch nicht die ganze Wahrheit. Das Innenminis­terium in München weist darauf hin, dass die Tarifanges­tellten in Bayern Aufgaben übernehmen, die in anderen Ländern von den Polizisten selbst erledigt werden müssen. Das relativier­t den Vergleich noch einmal zugunsten Bayerns.

● Soll und Haben Die 41969 Personalst­ellen der Polizei verteilen sich auf die zehn Präsidien und ihre Inspektion­en sowie auf das Landeskrim­inalamt, die Bereitscha­ftspolizei, das Polizeiver­waltungsam­t, das Innenminis­terium und weitere Sonderverb­ände. Die SPD-Abgeordnet­e und Landtagsvi­zepräsiden­tin Inge Aures wollte deshalb wissen, wie viel von dem zusätzlich­en Personal bei den Dienststel­len vor Ort tatsächlic­h ankommt. Aus der Antwort des Innenminis­teriums ergibt sich dabei in der Tat eine Differenz zwischen der sogenannte­n Soll-Stärke und der durchschni­ttlich verfügbare­n Personalst­ärke. Die Soll-Stärderers­eits ke der Polizeiprä­sidien und ihrer Inspektion­en liegt demnach bei insgesamt 27552 Stellen, die tatsächlic­h verfügbare Personalst­ärke aber liegt mit 25189 um rund neun Prozent niedriger. Das bedeutet freilich nicht, dass die Stellen unbesetzt waren. Diese Stellen waren besetzt, aber die Polizistin­nen und Polizisten waren aus verschiede­nen Gründen in ihrer Dienststel­le nicht verfügbar – etwa wegen Fort- und Weiterbild­ung, Abordnung zu anderen Dienststel­len, Mutterschu­tz mit Elternzeit, Sonderurla­ub oder dauerhafte­r Erkrankung.

● Ist das eine Lücke? Das Innenminis­terium sagt Nein. Die Soll-Stärke stelle nämlich nicht den tatsächlic­hen Personalbe­darf einer Dienststel­le dar, sondern diene lediglich als Planungsgr­öße. Die genannten Abwesenhei­ten würden dabei berücksich­tigt. Außerdem seien die SollStärke­n im Zuge des Aufbaus neuer Stellen regelmäßig mit angehoben worden. Aus der dargestell­ten Differenz einen Personalma­ngel zu konstruier­en, sei jedenfalls „völlig aus der Luft gegriffen“.

● Mehrarbeit Die SPD lässt dennoch nicht locker. Dass es bei der Polizei an Personal mangelt, ist ihrer Auffassung nach auch an der Zahl der Überstunde­n abzulesen. Sie lag laut Ministeriu­m im Jahr 2012 allein für die Präsidien bei rund 1,07 Millionen und stieg bis 2016 auf 1,65 Millionen an. SPD-Fraktionsc­hef Rinderspac­her schätzt, dass die Gesamtsumm­e der Überstunde­n der Polizei sogar bei zwei Millionen liegt. Allerdings, und auch das gehört zu den Fakten, fielen in den genannten Zeitraum der G-7-Gipfel der Staats- und Regierungs­chefs im oberbayeri­schen Elmau sowie der große Ansturm von Flüchtling­en – was jeweils eine immense Mehrarbeit für die Polizei bedeutete.

● Fakt ist: Die Polizei in Bayern ist sowohl im Vergleich zu früher als auch im Vergleich zu anderen Flächenlän­dern in der Bundesrepu­blik Deutschlan­d deutlich besser aufgestell­t.

 ?? Foto: Daniel Karmann, dpa ?? Ein durchaus belastende­r Job: Die Polizistin­nen und Polizisten in Bayern schieben einen Berg von Überstunde­n vor sich her. Nach den Einsparung­en im vergangene­n Jahrzehnt wird das Personal längst wieder schrittwei­se aufgestock­t.
Foto: Daniel Karmann, dpa Ein durchaus belastende­r Job: Die Polizistin­nen und Polizisten in Bayern schieben einen Berg von Überstunde­n vor sich her. Nach den Einsparung­en im vergangene­n Jahrzehnt wird das Personal längst wieder schrittwei­se aufgestock­t.
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