Transferfenster
Ab sofort wird es in den Kabinen stickig. Transpirieren geht noch, Transferieren nicht mehr.
Das Fenster ist nicht einmal mehr gekippt, sondern fest geschlossen. Dicht. Niemand kommt mehr rein, keiner darf mehr raus. Berater müssen draußen bleiben, Emissäre mit Geldkoffern ebenso. Wenn noch etwas hinauswabert, dann sind es höchstens Gerüchte, die den Weg durch die Kabinentürritzen schaffen. Die Profifußballer sind nun gefangen in ihren Verträgen und Trikotfarben. Doch niemand wird ersticken oder verarmen.
In der Winterpause nämlich öffnet sich das Transferfenster wieder, es wird aufgerissen wie ein Stadttor vor dem Marktplatz. Und dann geht das Wechselspiel für ein paar Wochen des Stoßlüftens wieder weiter, bevor es heißt: Transferfenster ist noch 12, dann nur noch 4,3, 2, 1 Stunden offen … Transferfenster nur noch ein Guckloch – und dann rasseln die Rollos runter. Dicht, geschlossen, closed. Wer jetzt noch anklopft in der Dämmerung und Fensterreden mit vielen Nullen hält, wird bis Sommer vertröstet. Bis dahin gehen die Preise der Gefangenen durch die Decke, weshalb das Transferfenster eigentlich eine Dachluke ist.
Man würde sich das Transferfenster im Fußballgeschäft gerne vorstellen wie früher die Schiebefenster, als es noch Gassenschänken gab, wo man sein Bier to go abholte und in Vorfreude nach Hause transferierte. Oder als kleine Verkaufstheke wie einst an den Kiosken. Wenn dort das Fenster geschlossen war, gab’s keine Gummiteufelchen oder Paninibilder mehr zu kaufen – nicht einmal zur Ausleihe. Man musste aufs Zeitfenster schauen, das meist die Form eines handgeschriebenen Zettels mit den Öffnungszeiten hatte.
Das Wort „Transfer“kleidet das Gefeilsche und Geschachere, das Pokern und Hochschaukeln wie einen Sonntagsanzug. Im Grunde ist Europas Profifußball zu einer Menschenwarenbörse geworden, an der mit Aktien gehandelt wird, die kurze Hosen tragen. Kein Mensch begreift, warum ein Großinvestor wie Warren Buffett noch Apple und Coca-Cola kauft statt Start ups wie Dembélé oder Weltmarktführer wie Neymar. Der Mann steckt in einer Sackgasse. Kennt er denn Joseph Joubert nicht? Das ist kein 19-jähriger Flügelstürmer von Olympique Lyon, sondern ein französischer Schriftsteller, der 1754 bis 1824 lebte, also noch vor Franz Beckenbauer. Joubert hat geschrieben: „Klopft man vergebens an die Tür mancher Wahrheiten, so muß man versuchen, durchs Fenster einzudringen.“