Ben kommt in die Schule
Der fröhliche Bub ist vor sechs Jahren mit einem verkürzten Bein auf die Welt gekommen. Sein Schicksal bewegte die Menschen im Landkreis. Jetzt hat er seinen ersten Schultag. Wie es ihm geht
Blindheim/Heidenheim Hauptsache es ist aus dem Film „Transformers“. Ben liebt die amerikanischen Superhelden. Klar, dass Schultüte und Ranzen mit diesen Motiven verziert sein müssen. Dabei ist der blonde Bub mit dem frechen Grinsen selbst ein kleiner Held. Denn Ben hatte nicht immer Grund zu lachen. Dass er nun in die erste Klasse einer „ganz normalen Schule“eingeschult wird, ist ein kleines Wunder. „Wir sind einfach glücklich und stolz, dass wir jetzt einen großen Schulbuben haben. Unglaublich“, sagt Mama Juliane Kirschke und atmet hörbar aus. Denn ihr sechsjähriger Sohn musste in seinem jungen Leben schon einiges einstecken.
Ben ist am 20. Oktober 2010 mit der Diagnose „Proximal femoral focal deficiency (PFFD) mit Fibulaaplasie“auf die Welt gekommen.
Die Operation dauerte sechs Stunden
Aufgrund der Krankheit hatte er schlimme Hüft- und Knieprobleme, einige Fehlstellungen, und sein linkes Bein – er nennt es „Babybein“– ist stark verkürzt. Aber dank einer Operation 2014 mit einem amerikanischen Spezialisten, der extra für den Blindheimer Buben nach Augsburg eingeflogen ist, wurden einige wichtige Korrekturen vorgenommen. Wie berichtet, wurde diese schwierige Operation mit dem weltweit anerkannten Facharzt Dr. Dror Paley nur möglich, weil Menschen aus dem Landkreis Dillingen und darüber hinaus für den kleinen Ben tausende Euros gespendet haben. Denn die sechsstündige Operation, bei der 50 verschiedene einzelne Schritte auf einmal gemacht wurden, war sehr teuer – rund 40000 Euro.
Als die Heimatzeitung aber über das Schicksal des Buben berichtete, begann eine einzigartige Spendenwelle. Mit überwältigendem Erfolg. Es kam sogar so viel Geld zusammen, dass es für eine zweite Operation reichen würde – der erste Eingriff, um das kleine Bein zu strecken. Momentan wird das Geld auf dem Spendenkonto der Stiftung verwaltet. Es ist für Ben reserviert. Das gilt auch heute, drei Jahre später, noch.
Mittlerweile leben Ben und seine Mama nicht mehr in Blindheim, aufgrund familiärer Veränderungen wohnen sie seit knapp einem Jahr in Steinheim im Nachbarlandkreis Heidenheim. Mama Juliane erzählt, dass sich Ben gut eingelebt und auch neue Freunde gefunden habe. Und mit denen kommt er – anders wie bei uns in Bayern – erst am morgigen Mittwoch gemeinsam in die Schule. „Das hätten wir vor drei Jahren noch nicht für möglich gehalten. Wir hatten immer Angst, dass er nicht auf eine normale Schule Dass er das jetzt schafft, freut uns so sehr für ihn.“Denn Ben ist dank der aufwendigen Operationen an der Hessing-Klinik in Augsburg endlich schmerzfrei – das Wichtigste für die Eltern. Die Ärzte seien mit dem Heilungsverlauf sehr zufrieden, auch wenn sich die Experten erhofft haben, dass der Knochenaufbau seines Babybeines schneller vorangehe. „Wir stehen nach wie vor im ständigen Kontakt mit Dr. Paley und dem Ärzteteam in Augsburg. Sie würden gerne weitermachen und das Bein zum ersten Mal strecken. Ben ist aber noch nicht so weit“, sagt Juliane Kirschke. Ihr Sohn wolle momentan von einer weiteren Operation nichts wissen, bei diesem Thema würde er komplett dichtmachen. „So, wie es jetzt ist, kann er gut damit leben. Eine OP macht auch nur Sinn, wenn er mitarbeitet, und wir werden ihn zu nichts zwingen.“
Klar sei, dass irgendwann weitere Eingriffe anstehen werden, allein aus dem Grund, weil der Unterschenkel zu stark verdreht ist. er kommt mit seiner Orthoprothese gerade so gut klar, er hat sogar vor einer Woche selbst begonkann. nen, das Gelenk aufzumachen.“Das Gelenk wurde ihm am Knie eingesetzt, sodass er es abwinkeln kann. Weil die Muskulatur von Ben aber sehr schwach ist, kann das Gelenk steif eingestellt werden – so strengt es nicht an. „Er hat wohl aber selbst entschieden, dass er es jetzt aufmachen und üben will. Ich mische mich da nicht ein, ich habe nur gesehen, dass er es versucht. Er schafft so hundert Meter, dann reicht es für den Moment“, so die Mama.
Auch wenn Ben seit der Operation richtig rennen, klettern und toben kann, so muss er weiter zu Physiotherapeuten, Krankengymnastik, Logopädie … sein Alltag ist vollgepackt mit Terminen. Alles, damit er schmerzfrei und unbeschwert durchs Leben laufen kann. Ein großer Schritt ist nun die Einschulung. „Er geht bei uns im Ort in die Schule – wie alle anderen. Das haben wir uns immer für ihn gewünscht“, sagt Juliane Kirschke. Der Sechsjährige bekommt einzig im Schwimmunterricht, den die Kinder dort schon ab der ersten Klasse haben, Unterstüt„Aber zung von einer zusätzlichen Kraft. „Man muss ihm beim An- und Ausziehen helfen. Aber das war’s auch.“Denn der kleine Blondschopf ist eine richtige Wasserratte. Mit seiner Orthoprothese geht er bis zum Beckenrand, dann schnallt er sie ab
Seine ganz eigene Schwimmtechnik
und los geht es. „Er kann zwar nicht die typische Froschbewegung, aber er hat sich seine ganz eigene Technik beigebracht.“Weil es ihm gerade so gut geht, wollen die Eltern ihren kleinen Superhelden nicht zu einer weiteren Operation drängen. „Es ist auch ganz gut so, denn wenn er jetzt auf dem Pausenhof rumtobt, sollte alles stabil sein.“
Für Ben zählt momentan nur eines: der erste Schultag. Schreiben und Lesen lernen, hohe Zahlen zusammenrechnen, Schwimmen und im Sportunterricht bei Völkerball um die Wette rennen. Wie ein ganz normaler Erstklässler.