Wenn Impfstoffe nicht mehr lieferbar sind
Im Landkreis kommt es zu Engpässen bei dem Fünffach-Serum Pentavac. Alternativen gibt es genug. Doch wie kommt es zu den Verzögerungen?
Dillingen Wer sein Kind derzeit mit dem Fünffach-Serum Pentavac impfen lassen möchte, wird enttäuscht. Der Impfstoff ist nicht lieferbar. Dass es zu Engpässen kommt, kann Betroffene schnell in Panik versetzen. Denn Pentavac soll vor Diphtherie, Kinderlähmung, Wundstarrkrampf, Keuchhusten und Haemophilus-Influenza schützen. Doch es gibt Alternativen.
Apotheken, Kliniken und Ärzte im Landkreis sehen sich immer wieder mit der Problematik konfrontiert. „Seit Oktober 2015 gibt es diese Lieferengpässe“, sagt Dr. UtaMaria Kastner, Leiterin des Gesundheitsamts in Dillingen. Das kann Dr. Matthias Schneider als Sprecher der Apotheken im Landkreis bestätigen.
Mit Beginn der Flüchtlingswelle war die Nachfrage nach den Impfstoffen besonders groß. Viele Kinder mussten nachträglich versorgt werden. „Die Hersteller waren auf die Mengen nicht vorbereitet.“Letztendlich sei aber auch das machbar gewesen. „Verzögerungen gibt es immer wieder“, sagt Schnei- Auch aktuell bei Pentavac. Das hänge damit zusammen, dass die Ständige Impfkommission (STIKO) den Sechsfach-Impfstoff empfiehlt, der gleichzeitig vor Hepatitis B schützt. „Deswegen produzieren die Hersteller keinen Pentavac mehr in Deutschland.“Ende des Jahres soll der Stoff erst wieder lieferbar sein. Einen Vorrat können sich die Apotheken nicht anlegen. Wegen der Kühlkapazitäten ist keine lange Lagerung möglich. Doch von einem akuten Mangel sei trotzdem nicht zu sprechen, meint der Apotheker. Denn Eltern hätten genügend andere Möglichkeiten, um ihre Kinder zu schützen.
Über das Paul-Ehrlich-Institut kann sich jeder darüber informieren, welche Impfstoffe fehlen und auf welche ausgewichen werden kann. Die Ständige Impfkommission beim Robert-Koch-Institut (RKI) gibt außerdem regelmäßig Handlungsempfehlungen, was im Falle eines Notstands zu tun ist. Denn was passiert, wenn sich die Lager von Apotheken, Praxen und Kliniken leeren? „Dann kommen bisher ungeimpfte Personen zuerst dran“, sagt Kastner. Auch Risikopersonen hätten den Vorzug gegenüber Kindern und Erwachsenen, die nur eine Auffrischung benötigen. „Aber das macht nichts, wenn man später dran ist“, beruhigt die Expertin. „Die Auffrisch-Impfung kann zu jeder Zeit wiederholt werden.“
Ängste, dass die Versorgung gefährdet ist, seien unbegründet. Für Betroffene gäbe es meistens noch genügend Alternativen. „Ist der Fünffach-Impfstoff nicht mehr verfügbar, können Eltern nach ärztlicher Beratung zum Beispiel auf die Vierfach- oder bei Säuglingen auf eine Sechsfach-Impfung zurückgreifen.“Auch das Ausweichen auf andere Hersteller sei oft möglich. „Das können die Ärzte vor der Verordnung über die Apotheken erfragen.“Dass es zu Engpässen kommen kann, hänge auch mit der komplexen Produktion der Mittel zusammen. Es könne hierbei, sagt Schneider, immer mal zu Verunreider. nigungen kommen. „Läuft im Verpackungsoder Herstellungsprozess etwas schief, muss die gesamte Masse vernichtet werden“, erklärt der Apotheker. Und weil die Firmen oft nur noch in großen Mengen produzieren, kommt es zum Lieferausfall.
Laut RKI ist die Nichtverfügbarkeit auch damit zu begründen, dass die Nachfrage nach dem Keuchhustenimpfstoff und der Impfung gegen Kinderlähmung weltweit gestiegen ist.
Auch der Dillinger Kinderarzt Dr. Andreas Fauser bemerkt, dass es zur Zeit immer mal wieder zu Lieferschwierigkeiten kommt. Sollte es brenzlig werden: Fauser und sein Praxisteam haben generell nicht viele Reserven auf Lager. „Maximal für zwei bis drei Wochen.“Das liege mitunter an dem hohen finanziellen Wert der Impfstoffe. „Sonst hätte ich mehr als 10 000 Euro im Kühlschrank.“Aktuell sei alles ausreichend vorhanden, sagt der Mediziner. Auch von dem Fünffach-Serum hat die Praxis noch was im Bestand. Doch Fauser empfehle eher die Wirkstoffkombination, die gleichzeitig einen Schutz gegen Hepatitis B umfasst. Das sei wichtig, weil Kinder sich gerade im Kindergarten schnell gegenseitig anstecken können. „Es muss nur ein Kind das andere beißen oder eines hat Nasenbluten.“Mit seiner Ansicht folgt der Kinderarzt der Empfehlung der Ständigen Impfkommission.
Viele Eltern im Landkreis Dillingen halten sich weitestgehend an die Impfempfehlung. Das besagt eine Statistik über die Impfraten der Einschulungskinder aus dem Jahr 2014. Die Raten bei Masern-Mumps-Röteln (91 Prozent), Kinderlähmung (95 Prozent), Wundstarrkrampf (96 Prozent), Diphtherie (95 Prozent), Keuchhusten (95 Prozent) und Haemophilus-Influenza (Hib) (94,5 Prozent) liegen fast immer höher als von der Weltgesundheitsorganisation gefordert. Die geforderte Durchimpfungsrate liegt bei 95 Prozent. Bei der zweiten Masern-Impfung liegt die Impfquote im Landkreis hingegen nur bei knapp 91 Prozent. Das sei zu wenig, sagt Kastner und verweist auf den Gesundheitsbericht von 2016 über die Entwicklung der Durchimpfungsraten. „Hier müssen wir dringend eine Impfquote von 95 Prozent erreichen, um die Masern ausrotten zu können.“
„Bisher ungeimpfte Personen kommen zuerst dran.“Dr. Uta Maria Kastner, Dillingen