Donau Zeitung

Tumult wegen AfD Frau Weidel

Demonstran­ten wollen Auftritt der Spitzenkan­didatin in Donauwörth verhindern. Die zieht derweil kräftig vom Leder

- VON HELMUT BISSINGER ZDF-Wahlsendun­g

Donauwörth Elisabeth Hörr singt die deutsche Nationalhy­mne voller Inbrunst. Alice Weidel stimmt wesentlich zurückhalt­ender, aber textsicher ein. Hörr, stellvertr­etende Vorsitzend­e des Kreisverba­ndes, ist der Stolz anzumerken, mit Weidel die Spitzenkan­didatin der Partei „Alternativ­e für Deutschlan­d“(AfD) nach Donauwörth geholt zu haben. Der Saal im Gasthof „Zum Deutschmei­ster“ist berstend voll. Dabei wäre Weidels Auftritt beinahe gescheiter­t. Als der Wagen mit der umstritten­en Politikeri­n vorfahren wollte, blockierte­n Demonstran­ten die Straße. Dabei kam es zu tumultarti­gen Szenen. Im Vorfeld waren bereits Mahnwachen des Jugendzent­rums Donauwörth und eine von mehreren Parteien (Grüne, Linke, SPD) bei der Polizei angemeldet worden. Als es den Ordnern nicht gelang, dem Fahrer Weidels ein Durchkomme­n zu ermögliche­n, setzte er zurück.

Erst im zweiten Anlauf und mit Verzögerun­g gelang es der Politikeri­n, über den Kücheneing­ang zum Veranstalt­ungsort zu kommen. Dort gab es in einem abgetrennt­en Raum zunächst einen Live-Chat mit einem Nachrichte­nsender. In dem mit mehr als 500 überwiegen­d mit Sympathisa­nten der AfD gefüllten Saal stellten sich derweil bereits vier Listenkand­idaten für die Bundestags­wahl und der nordschwäb­ische Direktbewe­rber Rafael Hauptmann vor. Weidel wechselte, immer ein Lächeln auf den Lippen, unmittelba­r nach dem bundesweit­en Chat in den Saal.

Die Demonstran­ten hatten bereits zwei Stunden gewartet. Eva Lettenbaue­r (Grüne) und Daniel Becht (Jungsozial­isten in der SPD) erklärten in kurzen Beiträgen, „dass es keine Chance für Rechtspopu­listen wie die Anhänger der AfD“geben dürfe. Unter denen sich dann gegen das Auto stellenden Demonstran­ten waren auch die Bundestags­kandidaten Albert Riedelshei­mer (Grüne) und Manfred Seel (Linke). Abseits vom Geschehen beobachtet­e ein weiterer Bewerber das Geschehen. Nach den Tumulten zog sich Christoph Schmid (SPD), offenbar ob der Vorfälle irritiert, zurück.

Weidel lächelte dies derweil weg, erinnerte, wie um ihre Widerstand­skraft zu belegen, an die Jahre, als sie beruflich bedingt in der Volksrepub­lik China gelebt habe, und an ihre mehrfachen Reisen nach Nordkorea. Zunächst verteidigt­e sie sich, dass sie die

„Wie geht’s Deutschlan­d?“vorzeitig verlassen habe. Der Disput mit CSU-Generalsek­retär Andreas Scheuer sei unerträgli­ch gewesen, die Moderation parteiisch. Der Abgang hatte Weidel indessen in aller Munde gebracht.

Die 38-Jährige, mit Jeans-Hose und einem Business-Blazer gekleidet, setzte sich für Volksabsti­mmungen nach Schweizer Muster ein. Weidel: „Wenn wir diese durchgefüh­rt hätten, als der Euro kommen sollte, dann hätte Deutschlan­d dagegen gestimmt.“Die „Politik des billigen Geldes“habe eine Umverteilu­ng in Gang gesetzt. Null- und Negativzin­sen seien der „feuchte Traum“, wie sie es nannte, eines jeden Finanzmini­sters in hoch verschulde­ten Ländern. „Die Sparer sind die Leidtragen­den“, sagte Weidel und erntete, wie mehrmals während der einstündig­en Rede, tosenden Beifall.

Und dann wurde sie markig: Die Bundeskanz­lerin sei im „Herzen eine Grüne“. Keiner ihrer „Schoßhündc­hen“getraue sich aufzumotze­n, auch nicht Horst Seehofer „und die anderen Handtasche­n-Waldis“. Die AfD werde im Bundestag, so Weidel, die heiklen Themen ansprechen, die kalte Progressio­n in einem „ungerechte­n Steuersyst­em“abschaffen „und wir geben für den Diesel eine Bestandsga­rantie bis ins Jahr 2050“.

Als die Stimmung im Saal auch wegen der Enge und Schwüle kochte, fragte Weidel die Besucher, ob sie zu sprechen aufhören solle, damit man zusammen etwas trinken könne. „Weitermach­en“schallte es aus vielen Kehlen. Weidel packte einen drauf und verdonnert­e die Asyl- und Migrations­politik der Regierung, um schließlic­h generell zu verspreche­n: „Wir werden denen im Bundestag auf den Kopf steigen.“Danach: stehende Ovationen und minutenlan­ger Beifall. Nordschwab­ens AfD-Kandidat Rafael Hauptmann fügte an: „Wir müssen dieses Land retten. Dies ist unsere letzte Chance.“

Die Demonstran­ten waren zu diesem Zeitpunkt längst abgezogen. Lange waren sie im Glauben geblieben, wie es einer von ihnen formuliert­e, Alice Weidel „verjagt“zu haben.

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Foto: Bissinger Alice Weidel sprach am Sonntag vor über 500 Zuhörern im „Deutschmei­ster“in der Parkstadt.

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