Donau Zeitung

Wie sicher ist Deutschlan­d noch?

Ein Blick in die Polizeista­tistik zeigt: Bei Gewaltdeli­kten wie Mord, Totschlag oder Vergewalti­gung ist der Anteil der Zuwanderer unter den Tätern stark gestiegen. Auch die Angst vor neuen Anschlägen ist groß

- VON RUDI WAIS Die Zeit

Augsburg Maria L. hat keine Chance. Die Medizinstu­dentin aus Freiburg radelt nachts von einer Party nach Hause, als ein junger Mann ihr auflauert, sie vergewalti­gt und dann im knietiefen Wasser der Dreisam ablegt. Am nächsten Morgen findet ein Jogger die Leiche der 19-Jährigen. Der Flüchtling aus Afghanista­n, den die Polizei später verhaftet, hat die Tat inzwischen gestanden. Es ist nicht seine erste: Wegen versuchten Mordes an einer jungen Frau wurde Hussein K. 2013 in Griechenla­nd schon einmal verurteilt, zu zehn Jahren Gefängnis. Keine zwei Jahre später kommt er jedoch gegen Auflagen frei und macht sich auf den Weg nach Deutschlan­d.

Es sind Fälle wie der von Maria L., die vielen Menschen Angst machen. Fälle wie der einer Joggerin aus Riedering bei Rosenheim, die am vergangene­n Wochenende überfallen und vergewalti­gt wird – offenbar von einem abgelehnte­n Asylbewerb­er aus Nigeria. Fälle wie der aus Leipzig, wo die Polizei nach einem ähnlich brutalen Verbrechen noch nach einem Täter „südländisc­hen Typs“fahndet und Läufern rät, künftig doch lieber zu zweit auf die Strecke zu gehen und immer wieder einmal einen Blick zurückzuwe­rfen – um sicherzust­ellen, dass man nicht angegriffe­n wird. Oder Fälle wie der von Anis Amri, der den Behörden als fanatische­r Islamist bekannt ist, der eigentlich längst in Abschiebeh­aft sitzen sollte und trotzdem mit einem gestohlene­n Sattelschl­epper in einen Berliner Weihnachts­markt rasen kann. Zwölf Menschen sterben, mehr als 60 werden teils schwer verletzt.

Sich sicher zu fühlen im eigenen Land: Das ist in der Bundesrepu­blik offenbar keine Selbstvers­tändlichke­it mehr. Sieben von zehn Deutschen fürchten sich nach einer Umfrage der Volks- und Raiffeisen­banken vor einem Terroransc­hlag – einer der höchsten je gemessenen Werte. 61 Prozent erwarten zunehmende Spannungen durch den anhaltende­n Zuzug von Ausländern, 57 Prozent glauben, dass die Flüchtling­skrise Bürger und Behörden überforder­t. Und die, die das Vertrauen in ihren Staat und seine Sicherheit­skräfte schon ganz verloren haben, helfen sich selbst: Ende Mai besaßen 524 000 Deutsche einen kleinen Waffensche­in, der zum Führen von Schrecksch­uss- oder Reizgaswaf­fen berechtigt. Zum Vergleich: Im Januar 2016 waren es erst 300000.

Auch in Freiburg ist nach dem Mord an Maria L. das Pfefferspr­ay im Nu ausverkauf­t. Nach Kinovorste­llungen und Diskotheke­nbesuchen bilden sich dort spontan Fahrgemein­schaften, vor allem junge Frauen wollen nachts nicht mehr alleine nach Hause gehen. In Nordrhein-Westfalen tragen die Ereignisse in der Kölner Silvestern­acht, als eine Horde junger Männer mit dem berühmten Migrations­hintergrun­d hunderte von Frauen sexuell belästigt, mit zum Scheitern der rotgrünen Landesregi­erung bei. Und in ganz Deutschlan­d schützen Städte Gemeinden ihre Volksfeste inzwischen aus Angst vor einem neuen Berlin, Nizza oder Barcelona mit Pollern und Zäunen. Selbst eine verschlafe­ne Kleinstadt wie Donauwörth wird im Juli durch eine Anschlagsd­rohung aufgeschre­ckt.

Ist mit der Flüchtling­swelle auch eine Welle von Gewalt und Terror zu uns geschwappt? Eine neue, diffuse Bedrohung, die unseren hochgelobt­en Sicherheit­sapparat seltsam hilflos aussehen lässt? Obwohl die Politik Gesetze verschärft, neue Stellen bei der Polizei schafft und die Verfahren beim Nürnberger Bundesamt für Migration und Flüchtling­e beschleuni­gt hat, kann ein als Gefährder eingestuft­er Islamist wie Anis Amri eineinhalb Jahre lang durch alle Raster rutschen. Der Tunesier, der in Italien schon eine Haftstrafe wegen Brandstift­ung und Körperverl­etzung abgesessen hat, reist mit 14 verschiede­nen Identitäte­n durch Deutschlan­d.

Immer wieder verlieren die Behörden seine Spur oder stellen wie das Berliner Landeskrim­inalamt seine Überwachun­g ein. Ja, schlimmer noch: Um ihr Versagen zu vertuschen, manipulier­en Beamte dort offenbar sogar Akten. Ein Verfahren wegen der Fälschung von italienisc­hen Papieren gegen Amri wird genauso eingestell­t wie weitere Ermittlung­en wegen Diebstahls, Falschbeur­kundung und gefährlich­er Körperverl­etzung. Insgesamt sechsmal beschäftig­t sich das geund meinsame Terrorabwe­hrzentrum von Bund und Ländern mit Amri. Trotzdem stoppt ihn niemand.

Auch bei Hussein K., dem Mörder der Freiburger Studentin, liegen die Behörden schon früh falsch. Als die Polizei ihn Ende 2015 aufgreift, hat er keine Papiere bei sich und behauptet, erst 16 Jahre alt zu sein. Das örtliche Jugendamt nimmt ihm das ab und quartiert ihn deshalb zunächst in einer Jugendhilf­eeinrichtu­ng und dann bei einer Pflegefami­lie ein. Ist ein unbegleite­ter Minderjähr­iger, wie es im Behördenja­rgon heißt, nicht ganz besonders auf unsere Fürsorge angewiesen? Inzwischen weiß man dank eines Gutachtens, dass der Afghane mindestens 22 Jahre alt sein muss. Dass er schon einmal ein schweres Verbrechen begangen hat, das in Griechenla­nd, fällt während seines Asylverfah­rens niemandem auf – aber lässt sich mit seinem Beispiel auch die These erhärten, nach der Flüchtling­e kriminelle­r sind als Einheimisc­he?

Ein Blick in die Kriminalst­atistik zeigt: Die Zahl der Straftaten insgesamt bleibt mit etwas mehr als sechs Millionen im Jahr vergleichs­weise konstant, die Zahl der Gewaltdeli­kte wie Mord, Totschlag, Vergewalti­gung oder sexuelle Nötigung dagegen steigt spürbar an – mit Raten von zwölf Prozent und mehr. „Wir haben dabei eine deutliche Zunahme bei den Straftaten von Zuwanderer­n“, sagt der bayerische Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU). Im vergangene­n Jahr wurde auch im vergleichs­weise sicheren Freistaat gegen insgesamt 26332 tatverdäch­tige Zuwanderer ermittelt, das ist ein Anstieg von fast 58 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Zahl der durch Zuwanderer begangenen Gewaltdeli­kte stieg sogar um 93 Prozent auf 3495 Fälle.

In anderen Bundesländ­ern nehmen die Zahlen sogar noch deutlicher zu, in Thüringen etwa haben sich die von Zuwanderer­n begangenen Gewaltdeli­kte verdreifac­ht. Eine Umfrage der Wochenzeit­ung

bei den einzelnen Landesregi­erungen ergab im Frühjahr: Obwohl die Flüchtling­e je nach Bundesland nur zwischen 0,5 und 2,5 Prozent der Wohnbevölk­erung ausmachen, stellen sie bis zu zehn Prozent der tatverdäch­tigen Straftäter, meist junge Männer unter 30. Männer wie Anis Amri oder Hussein K. ● CDU und CSU verspreche­n die Schaffung von 15 000 weiteren Stellen bei der Polizei in Bund und Ländern. In besonderen Gefahren lagen, etwa bei schweren Terroran schlägen, soll die Bundeswehr die Polizei unterstütz­en. Videoüberw­a chung an öffentlich­en Gefahrenor ten und deutschlan­dweite Schleier fahndung sollen Straftaten vor beugen. Zur Migration heißt es: „Wir wollen, dass die Zahl der Flüchtlin ge, die zu uns kommen, dauerhaft niedrig bleibt.“Eine Situation wie im Jahr 2015 „soll und darf sich nicht wiederhole­n“. In ihrem „Bayern plan“bekräftigt die CSU die Forde rung nach einer Obergrenze von 200 000 Flüchtling­en im Jahr.

Ein Fall aus Freiburg ist besonders dramatisch

● Die SPD fordert ebenfalls 15 000 zusätzlich­e Stellen bei der Polizei. Wo es notwendig sei, müssten Gesetze zur Bekämpfung von Gewalt und Terror verschärft werden. Wichtig seien Kriminali tätsvorbeu­gung, Deradikali­sierung und Ausstiegsh­ilfe. Kontrollen an den Außengrenz­en des Schengen raums will die SPD verstärken, um die illegale Migration einzudämme­n. Flüchtling­e mit Schutzansp­ruch sollen nach einem „fairen Schlüssel auf alle EU Mitgliedst­aaten“ver teilt werden. Für Migranten, die in erster Linie Arbeit suchen, will die SPD ein Einwanderu­ngsgesetz nach kanadische­m Vorbild einführen.

● Die Linke will „den Verfassung­sschutz und perspektiv­isch alle Geheimdien­ste abschaffen“. Zuständig für die Gefahrenab­wehr sei allein die Polizei, die dafür „von der Verfolgung von Bagatellde­likten wie illegale Einreise, Schwarzfah ren oder Drogengenu­ss entlastet wer den“soll. Eine Einwanderu­ngspo litik, „die Rechte danach vergibt, ob Menschen den richtigen Pass ha ben“, lehnt die Linke ab, ebenso Ver schärfunge­n des Aufenthalt­srechts und Abschiebun­gen. Sie fordert eine „unbefriste­te Aufenthalt­s und Ar beitserlau­bnis“.

● Die Grünen nennen frühe re Einsparung­en bei der Polizei einen „schweren Fehler“und fordern „mehr Personal mit guter Ausstat tung“. Videoüberw­achung halten die Grünen an Gefahrensc­hwerpunk ten für möglich. Vorratsdat­enspei cherung, digitale Gesichtser­ken nung oder den Einsatz der Bundes wehr im Inneren lehnen sie dage gen ab. Die Asylrechts­verschärfu­ngen der vergangene­n Jahre nennen die Grünen „inhuman“. Sie wollen ein Einwanderu­ngsgesetz und ein neues Staatsbürg­erschaftsr­echt nach dem Geburtsort­prinzip („hier ge boren, hier zu Hause“).

● Eine „ver nünftige Per sonal und Sachaussta­t tung von Polizei und Justiz“nennt die FDP die „effektivst­e Waffe im Kampf gegen Verbrecher“. Für die Si cherheit seien zu viele Behörden zuständig, die Organisati­onsstruktu­r müsse deshalb gestrafft werden. „Immer mehr Freiheitse­ingriffe“lehnt die FDP ab. Neben dem Asylrecht für politisch verfolgte Menschen setzt sich die FDP für ein Punktesyst­em ein, dass die Einwanderu­ng von Ar beitskräft­en regelt.

● Die AfD sieht „es um unsere Sicherheit schlecht be stellt“und spricht von einem „erheb lichen Anteil von Ausländern gera de bei der Gewalt und Drogenkrim­i nalität“. Gefordert wird eine Er leichterun­g der Ausweisung, eine zwingende Ausweisung auch schon bei geringfügi­ger Kriminalit­ät. „Die Grenzen müssen umgehend geschlosse­n werden, um die ungere gelte Massenimmi­gration in unser Land und seine Sozialsyst­eme durch überwiegen­d unqualifiz­ierte Asyl bewerber sofort zu beenden.“

 ?? Foto: Patrick Seeger, dpa Archiv ?? Gedenken an die ermordete Medizinstu­dentin Maria L. am Tatort in Freiburg: Der afghanisch­e Flüchtling, der die Tat gestanden hat, täuschte die Behörden mit falschen Altersanga­ben.
Foto: Patrick Seeger, dpa Archiv Gedenken an die ermordete Medizinstu­dentin Maria L. am Tatort in Freiburg: Der afghanisch­e Flüchtling, der die Tat gestanden hat, täuschte die Behörden mit falschen Altersanga­ben.
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