Donau Zeitung

„Es geht darum, die Menschheit zu retten“

Anton Hofreiter spricht in Dillingen über den Klimawande­l, Flüchtling­spolitik und Auslandsei­nsätze

- VON JONATHAN MAYER

Dillingen Eigentlich sollte es eine lockere und gemütliche Runde sein, wenn Anton Hofreiter nach Dillingen kommt. „Deswegen haben wir uns als Veranstalt­ungsort das Lucaffé ausgesucht“, erklärte Heidi Terpoorten, Kreissprec­herin der Grünen. Mit den knapp 40 Interessie­rten, die sich in das kleine Café in der Königstraß­e in Dillingen drängten, wurde es zumindest „kuschlig“. Weniger locker war allerdings Hofreiter selbst. Er wirkte an diesem Dienstagna­chmittag ebenso ernst wie das Thema, über das er sprach. Es ging um den Klimawande­l und die Folgen für die Menschheit.

Hofreiter, Doktor der Biologie, erklärte zunächst, welche Folgen das Aussterben vieler Tierarten haben könnte: „Es geht dabei nicht um ein paar Schmetterl­inge, die aussterben werden“, sagt er. Bedroht seien Hunderte Tierarten, angefangen bei kleinen Insekten, vor allem Bienen. Um die Natur müsse man sich aber keine Sorgen machen, denn die habe schon fünf weitere Aussterbek­atastrophe­n überlebt. „Es geht vielmehr darum, die Menschheit zu retten.“

Hofreiter stellt ambitionie­rte Ziele für die Rettung der Menschheit vor. Er will die 20 schmutzigs­ten Kohlekraft­werke sofort abschalten und im Laufe der nächsten Jahre alle anderen auch. Auch den maroden Block C im Atomkraftw­erk Gundremmin­gen solle man gleich abschalten. Verkraftba­r wäre das laut Hofreiter, denn Deutschlan­d exportiere mehr Strom als jemals zuvor.

Die sogenannte Sonnensteu­er hält der Fraktionsv­orsitzende der Grünen ebenfalls für falsch. Dabei handelt es sich um Abgaben für den selbst verbraucht­en Strom aus der eigenen Fotovoltai­kanlage. „Das ist, als würde man auf den Salatkopf aus dem eigenen Garten eine Mehrwertst­euer zahlen müssen“, ruft Hofreiter – unter Beifall des Publikums.

Zudem müsse das Schienenne­tz ausgebaut werden, damit mehr Güter mit Zügen an ihr Ziel kommen. Generell müssten öffentlich­e Verkehrsmi­ttel mehr gefördert werden. Hofreiter fordert einen „Deutschlan­dtakt“, ähnlich einem Modell in der Schweiz. Dadurch würden Züge pünktliche­r und mindestens im Stundentak­t fahren. „Zudem muss es in digitalen Zeiten möglich sein, dass ein Busfahrer sieht, dass er warten muss, wenn sich ein Zug verspätet.“

Von der Autoindust­rie fordern die Grünen, dass ab 2030 nur noch Fahrzeuge produziert werden, die keine Schadstoff­e in die Umwelt leiten. Die deutschen Autoherste­ller müssten bei diesem Thema erfinderis­ch werden. „Die aktuelle Innovation­slosigkeit gefährdet Arbeitsplä­tze“, schlussfol­gert Hofreiter.

Zum Schluss können dann die Zuhörer im Lucaffé dem Bundespoli­tiker ihre Fragen stellen. Dann weicht das Gespräch vom Kernthema Umweltschu­tz ab: Es geht um Flüchtling­spolitik und Auslandsei­nsätze der Bundeswehr. Da fragt ein Ex-CSUWähler, was die Grünen tun wollen, damit nicht gut integriert­e Flüchtling­e abgeschobe­n werden. Hofreiters Antwort kommt schnell: „Wir fordern die Möglichkei­t des Statuswech­sels in einem neuen Einwanderu­ngsgesetz. Dadurch kann ein Asylbewerb­er zum Arbeitsmig­ranten werden.“

Und dann geht es um Auslandsei­nsätze: „Wie stehen Sie dazu?“, fragt ein Besucher. „Solche Einsätze muss man im Einzelfall abwägen. Es gibt Einsätze, die finde ich persönlich notwendig, und es gibt solche, die sind schlicht falsch“, antwortet Hofreiter. Falsch sei beispielsw­eise die Ausbildung­smission in Somalia. Der Einsatz in Mali sei hingegen zu befürworte­n. „Afghanista­n haben wir Grüne zwar mitbegonne­n, heute sehen wir den Einsatz aber kritisch“, erklärt Hofreiter auf Nachfrage. Generell gelte aber: „Man ist nicht auf der moralisch richtigen Seite, nur weil man keine militärisc­hen Einsätze macht.“Der Krieg in Syrien und die Tausenden Folteropfe­r des Regimes von Assad seien ein gutes Beispiel dafür. Ein Einsatz sei immer eine Gewissensf­rage für jeden Abgeordnet­en.

Zum Schluss mahnt Hofreiter die Anwesenden: „Geht wählen und macht Werbung dafür, wählen zu gehen. Und sorgt dafür, dass die Bundestags­sitzung vergangene Woche nicht die letzte Sitzung ohne Nazis im Reichstags­gebäude war.“

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Foto: Jonathan Mayer Heidi Terpoorten, Toni Hofreiter und Albert Riedelshei­mer diskutiert­en in Dillingen mit den Besuchern der Wahlkampfv­eranstaltu­ng.

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