„Es geht darum, die Menschheit zu retten“
Anton Hofreiter spricht in Dillingen über den Klimawandel, Flüchtlingspolitik und Auslandseinsätze
Dillingen Eigentlich sollte es eine lockere und gemütliche Runde sein, wenn Anton Hofreiter nach Dillingen kommt. „Deswegen haben wir uns als Veranstaltungsort das Lucaffé ausgesucht“, erklärte Heidi Terpoorten, Kreissprecherin der Grünen. Mit den knapp 40 Interessierten, die sich in das kleine Café in der Königstraße in Dillingen drängten, wurde es zumindest „kuschlig“. Weniger locker war allerdings Hofreiter selbst. Er wirkte an diesem Dienstagnachmittag ebenso ernst wie das Thema, über das er sprach. Es ging um den Klimawandel und die Folgen für die Menschheit.
Hofreiter, Doktor der Biologie, erklärte zunächst, welche Folgen das Aussterben vieler Tierarten haben könnte: „Es geht dabei nicht um ein paar Schmetterlinge, die aussterben werden“, sagt er. Bedroht seien Hunderte Tierarten, angefangen bei kleinen Insekten, vor allem Bienen. Um die Natur müsse man sich aber keine Sorgen machen, denn die habe schon fünf weitere Aussterbekatastrophen überlebt. „Es geht vielmehr darum, die Menschheit zu retten.“
Hofreiter stellt ambitionierte Ziele für die Rettung der Menschheit vor. Er will die 20 schmutzigsten Kohlekraftwerke sofort abschalten und im Laufe der nächsten Jahre alle anderen auch. Auch den maroden Block C im Atomkraftwerk Gundremmingen solle man gleich abschalten. Verkraftbar wäre das laut Hofreiter, denn Deutschland exportiere mehr Strom als jemals zuvor.
Die sogenannte Sonnensteuer hält der Fraktionsvorsitzende der Grünen ebenfalls für falsch. Dabei handelt es sich um Abgaben für den selbst verbrauchten Strom aus der eigenen Fotovoltaikanlage. „Das ist, als würde man auf den Salatkopf aus dem eigenen Garten eine Mehrwertsteuer zahlen müssen“, ruft Hofreiter – unter Beifall des Publikums.
Zudem müsse das Schienennetz ausgebaut werden, damit mehr Güter mit Zügen an ihr Ziel kommen. Generell müssten öffentliche Verkehrsmittel mehr gefördert werden. Hofreiter fordert einen „Deutschlandtakt“, ähnlich einem Modell in der Schweiz. Dadurch würden Züge pünktlicher und mindestens im Stundentakt fahren. „Zudem muss es in digitalen Zeiten möglich sein, dass ein Busfahrer sieht, dass er warten muss, wenn sich ein Zug verspätet.“
Von der Autoindustrie fordern die Grünen, dass ab 2030 nur noch Fahrzeuge produziert werden, die keine Schadstoffe in die Umwelt leiten. Die deutschen Autohersteller müssten bei diesem Thema erfinderisch werden. „Die aktuelle Innovationslosigkeit gefährdet Arbeitsplätze“, schlussfolgert Hofreiter.
Zum Schluss können dann die Zuhörer im Lucaffé dem Bundespolitiker ihre Fragen stellen. Dann weicht das Gespräch vom Kernthema Umweltschutz ab: Es geht um Flüchtlingspolitik und Auslandseinsätze der Bundeswehr. Da fragt ein Ex-CSUWähler, was die Grünen tun wollen, damit nicht gut integrierte Flüchtlinge abgeschoben werden. Hofreiters Antwort kommt schnell: „Wir fordern die Möglichkeit des Statuswechsels in einem neuen Einwanderungsgesetz. Dadurch kann ein Asylbewerber zum Arbeitsmigranten werden.“
Und dann geht es um Auslandseinsätze: „Wie stehen Sie dazu?“, fragt ein Besucher. „Solche Einsätze muss man im Einzelfall abwägen. Es gibt Einsätze, die finde ich persönlich notwendig, und es gibt solche, die sind schlicht falsch“, antwortet Hofreiter. Falsch sei beispielsweise die Ausbildungsmission in Somalia. Der Einsatz in Mali sei hingegen zu befürworten. „Afghanistan haben wir Grüne zwar mitbegonnen, heute sehen wir den Einsatz aber kritisch“, erklärt Hofreiter auf Nachfrage. Generell gelte aber: „Man ist nicht auf der moralisch richtigen Seite, nur weil man keine militärischen Einsätze macht.“Der Krieg in Syrien und die Tausenden Folteropfer des Regimes von Assad seien ein gutes Beispiel dafür. Ein Einsatz sei immer eine Gewissensfrage für jeden Abgeordneten.
Zum Schluss mahnt Hofreiter die Anwesenden: „Geht wählen und macht Werbung dafür, wählen zu gehen. Und sorgt dafür, dass die Bundestagssitzung vergangene Woche nicht die letzte Sitzung ohne Nazis im Reichstagsgebäude war.“