Mann angefahren und abgehauen: Streit endet vor Gericht
Ein 27-Jähriger aus dem Landkreis Dillingen fetzt sich mit einem Bekannten
Dillingen Zwei Bekannte aus dem Landkreis fetzen sich. Doch nicht von Angesicht zu Angesicht: Einer sitzt im Auto, der andere steht an der Pkw-Front. So lange, bis der Fahrer die Geduld verliert. Er drückt aufs Gas und erwischt den anderen Streithahn. Der Mann fällt zu Boden. Das Fahrzeug samt seinem Halter dampft davon.
Am Dienstag sitzt der 27-jährige Fahrer im Amtsgericht Dillingen auf der Anklagebank. Sein Blick haftet auf Richter Patrick Hecken. Es sei nicht so wie vermutet, versichert der 27-Jährige. Nur ein Versehen sei es gewesen, dass er den jungen Mann nahe einem Wittislinger Supermarkt mit seinem Auto anfuhr. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, dass der junge Mann vorsätzlich gehandelt und so einen Unglücksfall herbeigeführt hat.
Es ist der 15. Mai vergangenen Jahres, eine Dreiviertelstunde vor Mitternacht. Wegen eines Mädchens kommt es zum Streit zwischen dem Angeklagten und seinem 20-jährigen Bekannten. Sie, noch minderjährig, ist die damalige Freundin des Angefahrenen. Ihm soll es nicht gepasst haben, dass sei- ne Partnerin mit anderen Männern spricht. Mit Männern wie dem Angeklagten. „Er ist ausgerastet“, sagt die 17-Jährige über ihren ExFreund. Deshalb baut er sich vor dem Fahrzeug des Halters auf und stellt sich ihm in den Weg. Dabei soll der 20-Jährige mehrmals gegen die Scheiben geschlagen haben. Für den Angeklagten ein Grund zur Flucht. Er setzt zurück und fährt davon. Dabei erwischt er sein Opfer am Bein. In der Polizeiaussage vor einem Jahr hatte das Mädchen die Anklageschrift bekräftigt. Zum Tatzeitpunkt steht sie in unmittelbarer Nähe. „Mit Vollgas ist er nach vorne gefahren“, steht dort geschrieben. Heute erinnert sie sich nur noch vage.
In dem Moment, in dem der Pkw das Opfer berührt, ahnt es nicht, was passieren würde. Der 20-Jährige steht weggedreht zum Fahrzeug – das bestätigen die Zeugenaussagen vor Gericht. Genau wie die Tatsache, dass der Mann durch seinen alkoholisierten Zustand aggressiv und gewaltbereit gewesen sei. „Ich lasse mich aber nicht schlagen“, sagt der Angeklagte im Prozess. Aus Angst habe er deshalb versucht, wegzufahren – ebenfalls alkoholisiert, mit drei, vier Bier intus. Dabei streift er sein Opfer. Im Anschluss ist der Mann aus dem Kreis Dillingen arbeitsunfähig. Er kommt wegen leichter Verletzungen ins Krankenhaus, ihm werden Schmerztabletten verschrieben.
Vor Gericht erinnert sich der 20-Jährige kaum mehr an die Tat. Auch an die Details seiner Verletzungen nicht. Sieben bis zehn Halbe habe er an dem Abend getrunken. „Ich war noch fit“, beteuert das Opfer.
Ein Polizeibeamter sagt aus, dass der Unfallflüchtige im Anschluss an die Tat nicht belehrbar gewesen sei. „Er hat alles abgeblockt und gesagt, ‚ich kenne meine Rechte‘“, berichtet er im Zeugenstand. Nun zeigt sich der Angeklagte reumütig. Über seinen Verteidiger wird dem Geschädigten ein Täter-Opfer-Ausgleich angeboten. Damit würden alle gegenseitigen Ansprüche verfallen. 500 Euro will der 27-Jährige zahlen. Dem Opfer ist das zu wenig. Er fordert 1000 Euro. Die bekommt er – in monatlichen Raten.
Die Staatsanwaltschaft sieht den Mann als schuldig an. „Das Opfer hat in eine andere Richtung geblickt, hatte wenig Chancen auszuweichen.“Sie fordert: 15 Monate Freiheitsstrafe zur Bewährung. Unverständlich für den Verteidiger des Angeklagten. „Er hat versucht, sich der Aggression des Mannes zu entziehen.“Eine Absicht habe nicht dahintergesteckt.
Richter Hecken sieht das anders. „Wir gehen nicht davon aus, dass er ihn angefahren hat, um ihn zu töten, sondern um zu zeigen, wer die Situation unter Kontrolle hat.“Damit habe er einen Unglücksfall herbeigeführt. Einen, der zum Glück noch glimpflich ausgegangen sei.
Trotzdem: Der 27-Jährige wird zu elf Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Auf Bewährung. Wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und Körperverletzung.
Weil er außerdem zuließ, dass ein Freund zwei Stunden vor dem Unfall ohne Fahrerlaubnis sein Auto nutzte, gab es eine Geldstrafe obendrauf. 40 Euro zu 45 Tagessätzen. Gespendet wird die Summe an eine gemeinnützige Organisation.
Der Angeklagte zeigt während der Verkündung keinerlei Regung. Sein Gesichtsausdruck ist noch der Gleiche wie zu Beginn der Verhandlung.
Angeklagter zeigt Reue