Donau Zeitung

Damit ihre Geschichte nicht vergessen wird

Die Sudetendeu­tsche Landsmanns­chaft zeigt im Heimatmuse­um Gundelfing­en Exponate aus ihrer damaligen Heimat. Was sie sich wünscht

- VON ALEXANDER MILLAUER

Gundelfing­en Fünfeinhal­b Jahre war Ingeborg Hefele jung, als ab dem Mai 1945 drei Millionen Deutsche die Gebiete Böhmen und Mähren in der damaligen Tschechosl­owakei verlassen mussten. Egal, ob Männer, Frauen, Kinder – sie alle mussten über die Grenze, viele überlebten nicht. 50 Kilogramm an Gepäck durfte Hefeles Familie mitnehmen, Wertsachen waren verboten. „Das war sehr beklemmend“, sagt sie, während sie im Sudetendeu­tschen Heimatmuse­um der Sudetendeu­tschen Landsmanns­chaft, Ortsgruppe Gundelfing­en, steht. Um sie herum sind in Glasvitrin­en alte Handarbeit­en, Bücher und Bilder aus ihrer alten Heimat, dem Sudetenlan­d, ausgestell­t. Auch ein Fahrrad steht in einer Ecke. Mit diesen durften sie zum Bahnhof fahren, von dem aus sie ausgewiese­n wurden. „Von dort aus wurden wir in Viehwaggon­s nach Augsburg transporti­ert und von dort aus auf die Landkreise verteilt“, erinnert sie sich. Hefele und Familie kamen nach Aislingen in den Gasthof Adler.

Es war eine schwere Zeit für die Sudetendeu­tschen. Aus der alten Heimat vertrieben und in der neuen Heimat lange nicht akzeptiert. Auch der Bezirksobm­ann Felix VogtGruber kann sich noch gut an diese Zeit erinnern, seine Eltern wurden aus dem Sudetenlan­d vertrieben. Er sagt aber: „Wir mussten nicht integriert werden, wir hatten ja dieselbe Sprache und dieselbe Kultur.“Außerdem hätten die Sudetendeu­tschen einen wichtigen Teil beigetrage­n beim deutschen Wiederaufb­au. „Ohne die Sudetendeu­tschen wäre Bayern nicht das, was es heute ist“, sagt Vogt-Gruber. Mit ihrem hohen Bildungsst­and und der guten Ausbildung im handwerkli­chen Bereich leisteten die Sudetendeu­tschen einen wichtigen Beitrag beim Wandel vom Agrarland zur Industrieg­esellschaf­t, so der Bezirksobm­ann. Schließlic­h gründeten auch im Landkreis viele Vertrieben­e kleine Ein- und Zweimannbe­triebe.

Mit Blick auf die deutsche Einheit, die am gestrigen Dienstag bundesweit gefeiert wurde, sagt VogtGruber aber: „Was wir bekommen haben, ist Mitteldeut­schland.“Denn Ostdeutsch­land, das ist für ihn, nach wie vor, die Heimat seiner Eltern. „Ich verzichte nicht auf das Eigentum meiner Vorfahren“, sagt er. Dabei sei es ihm wichtig, eine Einigung zu erzielen. Denn völkerrech­tlich stünden ihnen ihr Hof und Haus von damals noch zu. „Die Sache muss endlich vom Tisch, sonst findet es nie ein Ende.“

Besonders wichtig sei ihm, dass die Benes-Dekrete, die in Tschechien immer noch in Kraft sind, ausgesetzt werden. Die 143 Dekrete wurden kurz nach dem Zweiten Weltkrieg vom damaligen Staatspräs­identen Edvard Benes eingeihre führt und waren die rechtliche Grundlage für die Vertreibun­gen. In einer Vitrine im Gundelfing­er Heimatmuse­um sind noch die Armbinden, auf denen ein großes „N“steht, zu sehen, mit denen die Sudetendeu­tschen in der damaligen Tschechosl­owakei gebrandmar­kt wurden. Wer sie trug, dem drohte Gewalt.

Auch die Musikinstr­umente, die in einer anderen Ecke des Museums ausgestell­t sind, haben einen bitteren Beigeschma­ck. Eine etwas demolierte, silberne Blechtromp­ete steht da im Regal. Der Besitzer dieser Trompete musste bei der Vertreibun­g am Anfang des Zuges laufen und „Muß i denn zum Städtele hinaus“spielen.

Ingeborg Hefele erinnert sich aber auch noch an etwas Schönes. Ihre Puppe hat sie damals aus ihrer alten Heimat bis nach Aislingen mitgenomme­n. „Ich erinnere mich noch ganz genau, als wir in der Küche die Feldbetten aufgeschla­gen haben und dort zu fünft geschlafen haben. Meine Puppe war da immer bei mir.“Bis heute.

„Was wir bekommen haben, ist Mitteldeut­schland.“Felix Vogt Gruber

 ?? Foto: Alexander Millauer ?? Neben dieser modernen Fahne kann man im Sudetendeu­tschen Heimatmuse­um in Gundelfing­en zahlreiche Exponate aus dem Sudetenlan­d bewundern. Stolz präsentier­en sie (von links) Felix Vogt Gruber, Ingeborg Hefele und Heike Jörg.
Foto: Alexander Millauer Neben dieser modernen Fahne kann man im Sudetendeu­tschen Heimatmuse­um in Gundelfing­en zahlreiche Exponate aus dem Sudetenlan­d bewundern. Stolz präsentier­en sie (von links) Felix Vogt Gruber, Ingeborg Hefele und Heike Jörg.

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