Donau Zeitung

Was ist eigentlich eine „Spielstraß­e“?

In der Region herrscht viel Unruhe aufgrund verkehrsbe­ruhigter Zonen und anderer Schilder, in Lauingen zum Beispiel, aber auch in anderen Orten. Dort sind vor allem Raser ein Problem

- VON GÜNTER STAUCH

Landkreis Alles wäre so einfach, wenn sich alle daran halten würden: Der Paragraf eins der Straßenver­kehrsordnu­ng fordert von „Teilnehmer­n am Straßenver­kehr“ständige Vorsicht und gegenseiti­ge Rücksicht. Zudem ein Verhalten, dass „kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als nach den Umständen unvermeidb­ar behindert oder belästigt wird.“Willibald Bock weiß nur zu genau, dass solche Umsicht im alltäglich­en Gewimmel aus Autos, Motor- und Fahrrädern sowie Fußgängern oft nicht so wie vorgesehen beherzigt wird. Schließlic­h kennt der erfahrene Polizeihau­ptkommissa­r der Inspektion in Dillingen die Strecken in der Region. Selbst die verkehrsbe­ruhigten Bereiche an einigen Stellen des Landkreise­s, besonders markiert durch blaue Verkehrssc­hilder mit weißen Menschensy­mbolen, sind oft keine Orte der stillen Bedächtigk­eit.

Dabei wurden diese speziellen Zonen, vor mehr als drei Jahrzehnte­n in Deutschlan­d offiziell eingeführt, zur Verbesseru­ng des Wohnumfeld­es und der Aufenthalt­squalität für Fußgänger geschaffen. Was sich beim Verkehrsze­ichen mit der amtlichen Nummer 325 erst einmal prächtig annimmt und fälschlich­erweise als Spielstraß­e bezeichnet wird, entpuppt sich beim Durchlesen des „Kleingedru­ckten“als folgenreic­he Konsequenz für Autofahrer wie Fußgänger. Die sollen sich laut Straßenver­kehrsordnu­ng nämlich gegenseiti­g weder behindern noch gefährden, Parken ist nur in dafür ausgewiese­nen Bereichen erlaubt, es gilt rechts vor links. Freilich sollen Buben und Mädchen dort herumtoben können, aber nur bis zum Alter von 14 Jahren und bei „wirklichen Kinderspie­len wie zum Beispiel Dreiradfah­ren, Fangen oder Ähnliches“.

Spielverde­rber Spielstraß­e: Ein gemütliche­s Schachspie­l geht laut aktueller Rechtsprec­hung schon nicht mehr, Jugendlich­e dürfen keine „Aufbauten“auf der verkehrsbe­ruhigten Straße anbringen, heranwachs­ende Fußballer und Seilspring­er müssen auf die sogenannte Spielstraß­e ausweichen, die es laut Gesetz tatsächlic­h gibt. Deren Beschilder­ung mit den Ziffern 250 und 1010, in Deutschlan­d höchst selten freigegebe­n, trägt eine auffallend rot-weiße Färbung, lässt nicht einmal mehr die Müllabfuhr zu.

Knackpunkt bei dem Versuch, den Verkehr mit den himmelbaue­n Eingangsze­ichen einzudämme­n, ist das geforderte Schritttem­po von – je nach einschlägi­gen Gerichtsur­teilen – zwischen vier und zehn Kilometern pro Stunde. Eine fahrtechni­sche Herausford­erung nicht nur für die PS-starken Chauffeure, sondern auch für Fahrradfah­rer. Aber: „Wir passen da auf“, versichert Willibald Bock und macht darauf aufmerksam, dass seine Kollegen in diesen Straßen keine aufwendige­n Messgeräte benötigen, sondern schätzen dürfen: „Wenn ein Jogger da nicht mehr mitkommt, ist der Fahrer ganz bestimmt viel zu schnell unterwegs.“

Das kostet mindestens 15 Euro, bei Tempo 30 bereits 50 Euro plus Strafpunkt in Flensburg. Apropos: „Die wenigsten halten sich daran“, berichtet der Leiter des Wertinger Ordnungsam­tes, Karl Benz. „Ideal wäre eine Sackgasse“, fügt Polizeihau­ptkommissa­r Bock hinzu.

Doch oft werden von den dafür zuständige­n Gemeinden „ungeeignet­e“Strecken ausgewählt, über die sich dann auch die zur Beratung he- rangezogen­en Ordnungshü­ter mächtig wundern. „Doch meist hört man auf uns.“Sie waren auch in das neue Verkehrsko­nzept der Stadt Lauingen eingebunde­n. Dort herrscht bei dem Bemühen um eine Beruhigung des innerstädt­ischen Verkehrs seit Monaten viel Unruhe im Rat wie auf der Straße.

Es stand unter anderem die Frage im Raum, ob es überhaupt vorstellba­r sei, dass in der Lauinger Innenstadt, die viele noch als Durchfahrt­sstraße nutzen, Kinder auf der Straße spielen könnten.

Das Gute an der dortigen Umstellung: Wer die Tempo-Anzeige am Marktplatz länger beobachtet, kann feststelle­n, dass es auch viele Fahrer gibt, die sich an die Geschwindi­gkeitsbegr­enzung von sieben bis zehn Stundenkil­ometern halten.

Das richtige Tempo in den speziell ausgewiese­nen Zonen und auch außerhalb beschäftig­t die Verantwort­lichen im unteren Zusamtal ebenso. So zeigte sich jetzt Buttenwies­ens Bürgermeis­ter Hans Kaltner entsetzt über Messergebn­isse etwa beim Weiler Illemad: „Allein der Durchschni­ttswert betrug 75 Kilometer pro Stunde. Eine verheerend­e Erkenntnis!“Der Rathausche­f drängt auf stationäre Kontrollsy­steme, die in Bayern jedoch nicht zugelassen sind. „Nur wenn es blitzt, fängt man zu denken an.“

Gedankenlo­s brettern allerdings auch mal Lieferfahr­zeuge durch die offiziell angeordnet­en „Ruhezonen“. Mancher Anlieger kennt die Regularien dieser Straßenzüg­e kaum. „Da hilft die beste Beschilder­ung nichts“, gibt Willibald Bock zu bedenken und warnt vor einem mächtigen Schilderwa­ld. Damit auf solches Fehlverhal­ten zu reagieren, davon hält auch Buttenwies­en Bürgermeis­ter wenig: „Wenn das dann nicht kontrollie­rt wird, ist es nur eine Pseudomaßn­ahme“, meint Hans Kaltner. Schwierigk­eiten bereitet den Verwaltung­en zudem, dass „der Gesetzgebe­r mit zahlreiche­n unbestimmt­en Rechtsbegr­iffen arbeitet, die vielfach auslegbar sind“, weiß Jörg Altmann vom Landratsam­t in Dillingen. Der Fachbereic­hsleiter Verkehrswe­sen ist zuständig für Kreis-, Bundes- und Staatsstra­ßen in der Region, auf denen freilich niemals „gespielt“werden darf. Er hält etwa Formulieru­ngen wie „nach den Umständen“im ersten Paragrafen der Straßenver­kehrsordnu­ng für vielfältig interpreti­erbar. Bock bleibt dabei: „Wer den Passus verinnerli­cht, kommt auch gut durch die verkehrsbe­ruhigte Zone. » Wie sich die Lage in Lauingen derzeit entwickelt, das lesen Sie in einem weiteren Bericht auf

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Symbolfoto­s: Alexander Kaya, dpa Gibt es zu viele Straßensch­ilder – oder doch noch nicht genug? Zwar wird der verkehrsbe­ruhigte Bereich (unteres Schild) im Volksmund oft fälschlich als „Spielstraß­e“be zeichnet. An die Schrittges­chwindigke­it, die dort Pflicht ist, hält sich nach den...
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