Pioniere mit Ladehemmung
Ausgerechnet zwei Elektroauto-Hersteller der ersten Stunde haben derzeit Probleme: Tesla kämpft mit Produktionsengpässen, Opels Ampera-e steht vor dem Aus. Zwei Bestseller könnten das Vakuum aber schnell füllen
Opel. Das war einmal Wirtschaftswunder und Massenmobilität. Das war Kadett und Senator. Ehrlich, ohne Schnörkel, ohne Makel. Das ist lange vorbei. Nach Qualitätsproblemen kam der Imageverlust, dann rauschte der Absatz in den Keller.
Viele neue Modelle wurden zu Hoffnungsträgern stilisiert. Das jüngste hatte tatsächlich alles dafür: Der Ampera-e ist innovativ, wirkt ausgereift, ist zudem relativ preiswert und dank hoher Reichweite endlich ein alltagstaugliches E-Auto. Nun jedoch steht der Wagen wohl vor dem Aus. Verschiedene Medien berichten unabhängig voneinander, dass der neue Opel-Mutterkonzern PSA das Modell entgegen aller Ankündigungen nicht auf den Markt bringen will.
Inzwischen ist die Website offline, auf der Kunden den Wagen vorbestellen konnten. Kaufen sollen Interessenten den Ampera-e nun gar nicht mehr dürfen, nur noch leasen – für satte 600 Euro pro Monat bei einer Jahreslaufleistung von maximal 10 000 Kilometern. Das bestätigte ein Opel-Händler dem Fachmagazin
Auto Bild. Sprecher von Opel wollen sich aktuell nicht zum Verkauf des Modells äußern. Es wäre eine Tragödie, würden sich die Spekulationen bewahrheiten. Der Ampera-e stieß in der Fachpresse auf große Zustimmung, seine reale Reichweite soll knapp 400 Kilometer betragen.
Ähnlich euphorisch waren die Reaktionen auf das kompakte Model 3 von Elektro-Pionier Tesla. Doch auch der Elektroautokonzern von Gründer und Visionär Elon Musk hat Probleme. Denn wie nun bekannt wurde, wird Tesla die Produktionsziele für seinen ersten Mittelklassewagen im dritten Quartal klar verfehlen. Bisher wurden lediglich 260 Stück gefertigt.
Dabei hatte Tesla im August noch mehr als 1500 Exemplare des Model 3 als Quartalsziel ausgegeben. Im Sommer hieß es noch aus der Firmenzentrale in Kalifornien, dass bis zum Ende des Jahres 5000 Fahrzeuge des Mittelklassewagens vom Band laufen sollten. Immerhin: Tesla nennt in einer Pressemitteilung Produktionsengpässe als Ursache und verspricht eine baldige Besserung – ganz im Gegensatz zu den düsteren Nachrichten, die aus Rüsselsheim kommen.
Die deutsche Elektro-Hoffnung steht vor dem Aus, der Superstar aus den USA kommt mit der Produktion nicht hinterher: Dieses Hin und Her könnte einem neuen alten Konkurrenten zugutekommen, dem Nissan Leaf. Der japanische Kompaktwagen ist schon seit 2010 auf dem Markt, nun folgt seine zweite Generation. Die Kunden, die vom Januar 2018 an die ersten Exemplare bekommen werden, können dabei auf die Weiterentwicklung des weltweit meistverkauften Elektrofahrzeugs mit aktuell fast 285000 Einheiten bauen. Dabei war bisher nicht jedem klar, warum der Leaf solch ein Erfolg ist. Der Fahrkomfort war durchschnittlich, Reichweite und Fahrleistungen waren ebenfalls eher lasch. Dazu wirkten Form und Aussehen teils ungelenk.
Nissans neue Generation, die jüngst in Tokio ihre Weltpremiere feierte, sieht nun weitaus stimmiger aus. Gegenüber dem Opel Ampera-e allerdings kann der Wagen abseits von Aussehen und Funktionalität mit ganz banalen Fakten punkten: Er ist von nun an bestellbar. Im Januar 2018 werden die ersten Exemplare aller Wahrscheinlichkeit nach tatsächlich ausgeliefert.
Die erste in Deutschland erhältliche Version wird 34 950 Euro kosten – inklusive einer Wallbox zum Aufladen zu Hause. In anderen Ländern wie Dänemark spendiert Nissan seinen Elektrokunden sogar den Strom. Das ist in Deutschland leider vorerst nicht geplant. Wer jedoch hierzulande einen Nissan-Händler ansteuert, kann dort wie bisher seinen Leaf umsonst aufladen. Weitere Argumente für den Leaf: Serienmäßig ist das System „PilotPro“für teilautomatisiertes Fahren an Bord sowie ein 360-Grad-RundumsichtSystem und die wichtigen Smartphone-Verbindungen Apple CarPlay und Android Auto. Eine günstigere Einstiegsversion wird später folgen.
Nicht auszudenken, wenn Nissan seine Kunden zusätzlich mit einer Prämie zum Umstieg auf E-Mobilität bewegen würde. Denn allen Krisen um Volkswagen zum Trotz: Die jüngst eingeführte VW-Umweltprämie, die Wechselwillige beim Tausch eines alten Dieselautos gegen einen emissionsarmen Neuwagen erhalten, beschert dem e-Golf einen regelrechten Boom. VW-Auto-Vertriebsvorstand Jürgen Stackmann sagte der Automobilwoche, dass der kompakte Wolfsburger von den Kunden derzeit stark nachgefragt werde. Stackmann spricht von mehr als 800 Auftragseingängen. Das seien viermal so viele wie in vergleichbarem Zeitraum ohne Umweltprämie. Wie bitter für Opel: Sogar in Krisenzeiten ist Dauerrivale Volkswagen einen Schritt voraus.