Turbulentes Spiel in besseren Kreisen
Das Ensemble des Stadeltheaters Lauingen glänzt in Neil Simons Komödie „Gerüchte Gerüchte“
Lauingen Das Leben im Wohlstand ist behaglich, aber sehr langweilig. Dieser Leitsatz von Stürmern und Drängern aller Zeiten wird im Lauinger Stadeltheater turbulent widerlegt. Denn in der Neil-Simon-Komödie „Gerüchte Gerüchte“sind die amerikanischen Repräsentanten der oberen Mittelschicht Spielzeuge und Lenker einer Dramatik, die kein „Tatort“jemals erreicht hat.
Die Premiere erweist sich als Triumph des Action-Prinzips. Ein vermeintlicher Kriminalfall löst nicht nur szenische Hektik, sondern auch die Fabulierlust der Akteure aus. Da wird vermutet und geschwindelt, vertuscht und aufgedeckt, frei fantasiert und absurd argumentiert. Mancher Zuschauer mag angesichts der Reihung konträrer FaktenChecks den inhaltlichen Faden verlieren. Aber darauf kommt es nicht an. Denn der Reiz dieser ideensprühenden Farce beruht auf der Wirkung von Situationskomik, überra- Pointe und dramatischer Rasanz.
In dieser Hinsicht gelingt dem Regisseur Andreas Haun und seiner Assistentin Nadja Kerle ganz Außergewöhnliches. Das imposante Bühnenbild im Jugendstil sichert dem epochengerecht kostümierten Ensemble einen idealen Spielraum zur Entfaltung von Quatsch und Geist, von prominentem Dünkel und menschlicher Schwäche. Die Darsteller servieren die Dialoge mühelos als brillantes Feuerwerk und gelegentliche Erläuterungsmonologe erhalten den sprachlichen Glanz einer parlamentarischen Rede. Die Spiellust der Laiendarsteller verarbeitet auch das bisschen Quark in Text und Handlungsablauf so vital, dass kulinarischer Genuss entsteht. Ein nostalgischer Telefonapparat und die Toilette, die Bühnentrep- pen und die Haustüre werden zu wichtigen Stützen der Überraschung. Und Dr. Hartmut Winter sorgte am Klavier mit nostalgischen Rhythmen für schöne musikalische Zwischenspiele.
Ein zehnter Hochzeitstag ist der Anlass für eine Party, die sich durch Schüsse, Krach und Slapstick-Donner in ein chaotisches Gesellschaftsspiel verwandelt. Vom ersten Augenblick an ist die Stadeltheater-Atmosphäre da: Chris Gorman (Gerry Feller) sorgt mit Temperament und Spielwitz, Alwin Schweizer (Ken Gorman) mit faszinierend gravitätischer Würde, verpackt in einen Zweireiher, für den spannenden Auftakt der Verwicklungen. Claire Ganz (Moni Dürk) profiliert sich als mondäne Frau mit Angst vor Skandalen, ihr Bühnenehemann Lenny Ganz (Andy Straub) begegnet den ständig veränderten Herausforderungen mit professioneller Schauspielkunst. Cookie Cusack (Monika Bandow) und Earnie Cusack (Helmut Weiß) konturieren mit Rüschender ckenschmerzen, Turtelei und Küchendienst ein Psychiater-Ehepaar, das sich bei dieser Party am rechten Platz befindet. Und ein großartiges Psychogramm einer zerrütteten Beziehung liefern Cassie Cooper (Jessi Dürk) und Glenn Cooper (Andi Salzmann). Glänzend offenbart das Streitgespräch zwischen diesen Partnern die psychologisch gestützte Ironie, mit denen der Autor Neil Simon sein Stück ausgestattet hat.
Gerhard Winkler war es in der Rolle des Polizisten Officer Welch vorbehalten, wenigstens vorübergehend Ruhe ins Spiel zu bringen. Er durchschaut als einziger Akteur das Lügengeflecht und macht sich mit der Besonnenheit des angloamerikanischen Trenchcoatkommissars ein eigenes Bild von den undurchschaubaren Ereignissen. Ihm zur Seite steht Officer Pudney (Jörg Simon). Er bestätigte höchst amüsant das Vorurteil von der Beamtenseele, die dem Verdächtigten mit herrischer Arroganz, dem Vorgesetzten aber mit gebeugtem Rücken begegnet.
Unter dem Beifall des Premierenpublikums bedankte sich Stadeltheater-Vorsitzende Patricia Laube für die Einbindung der Inszenierung in die Dillinger Kulturtage. Namentlich begrüßte sie unter den Besuchern den Kultur-und-Wir-Repräsentanten Franz Jall und die Vertreter der Lauinger Sponsorenfamilie Renner.
Das Premierenpublikum verließ das Theater in sichtbar angeregtem Zustand. Wer die Hektik des Handlungsablaufs als zu verwirrend empfand, konnte sich an einen Satz von Officer Welch halten: „Ich glaube die Geschichte nicht. Aber sie gefällt mir.“
Situationskomik und überraschende Pointe
Info: Vorverkauf für die weiteren Auf führungen (Preis 13 Euro, im Vorver kauf 12 Euro) über www.stadeltheater.de und telefonisch über 09072/920528 sowie bei Spielwaren Eismann, Lauingen, 09072/3636; Bücher Brenner, Dillin gen, 09071/8090; Spedition Bezikofer Dillingen, 09071/9049; Buchhand lung Gerblinger, Wertingen, 08272/2317