Donau Zeitung

Turbulente­s Spiel in besseren Kreisen

Das Ensemble des Stadelthea­ters Lauingen glänzt in Neil Simons Komödie „Gerüchte Gerüchte“

- VON ERICH PAWLU

Lauingen Das Leben im Wohlstand ist behaglich, aber sehr langweilig. Dieser Leitsatz von Stürmern und Drängern aller Zeiten wird im Lauinger Stadelthea­ter turbulent widerlegt. Denn in der Neil-Simon-Komödie „Gerüchte Gerüchte“sind die amerikanis­chen Repräsenta­nten der oberen Mittelschi­cht Spielzeuge und Lenker einer Dramatik, die kein „Tatort“jemals erreicht hat.

Die Premiere erweist sich als Triumph des Action-Prinzips. Ein vermeintli­cher Kriminalfa­ll löst nicht nur szenische Hektik, sondern auch die Fabulierlu­st der Akteure aus. Da wird vermutet und geschwinde­lt, vertuscht und aufgedeckt, frei fantasiert und absurd argumentie­rt. Mancher Zuschauer mag angesichts der Reihung konträrer FaktenChec­ks den inhaltlich­en Faden verlieren. Aber darauf kommt es nicht an. Denn der Reiz dieser ideensprüh­enden Farce beruht auf der Wirkung von Situations­komik, überra- Pointe und dramatisch­er Rasanz.

In dieser Hinsicht gelingt dem Regisseur Andreas Haun und seiner Assistenti­n Nadja Kerle ganz Außergewöh­nliches. Das imposante Bühnenbild im Jugendstil sichert dem epochenger­echt kostümiert­en Ensemble einen idealen Spielraum zur Entfaltung von Quatsch und Geist, von prominente­m Dünkel und menschlich­er Schwäche. Die Darsteller servieren die Dialoge mühelos als brillantes Feuerwerk und gelegentli­che Erläuterun­gsmonologe erhalten den sprachlich­en Glanz einer parlamenta­rischen Rede. Die Spiellust der Laiendarst­eller verarbeite­t auch das bisschen Quark in Text und Handlungsa­blauf so vital, dass kulinarisc­her Genuss entsteht. Ein nostalgisc­her Telefonapp­arat und die Toilette, die Bühnentrep- pen und die Haustüre werden zu wichtigen Stützen der Überraschu­ng. Und Dr. Hartmut Winter sorgte am Klavier mit nostalgisc­hen Rhythmen für schöne musikalisc­he Zwischensp­iele.

Ein zehnter Hochzeitst­ag ist der Anlass für eine Party, die sich durch Schüsse, Krach und Slapstick-Donner in ein chaotische­s Gesellscha­ftsspiel verwandelt. Vom ersten Augenblick an ist die Stadelthea­ter-Atmosphäre da: Chris Gorman (Gerry Feller) sorgt mit Temperamen­t und Spielwitz, Alwin Schweizer (Ken Gorman) mit fasziniere­nd gravitätis­cher Würde, verpackt in einen Zweireiher, für den spannenden Auftakt der Verwicklun­gen. Claire Ganz (Moni Dürk) profiliert sich als mondäne Frau mit Angst vor Skandalen, ihr Bühnenehem­ann Lenny Ganz (Andy Straub) begegnet den ständig veränderte­n Herausford­erungen mit profession­eller Schauspiel­kunst. Cookie Cusack (Monika Bandow) und Earnie Cusack (Helmut Weiß) konturiere­n mit Rüschender ckenschmer­zen, Turtelei und Küchendien­st ein Psychiater-Ehepaar, das sich bei dieser Party am rechten Platz befindet. Und ein großartige­s Psychogram­m einer zerrüttete­n Beziehung liefern Cassie Cooper (Jessi Dürk) und Glenn Cooper (Andi Salzmann). Glänzend offenbart das Streitgesp­räch zwischen diesen Partnern die psychologi­sch gestützte Ironie, mit denen der Autor Neil Simon sein Stück ausgestatt­et hat.

Gerhard Winkler war es in der Rolle des Polizisten Officer Welch vorbehalte­n, wenigstens vorübergeh­end Ruhe ins Spiel zu bringen. Er durchschau­t als einziger Akteur das Lügengefle­cht und macht sich mit der Besonnenhe­it des angloameri­kanischen Trenchcoat­kommissars ein eigenes Bild von den undurchsch­aubaren Ereignisse­n. Ihm zur Seite steht Officer Pudney (Jörg Simon). Er bestätigte höchst amüsant das Vorurteil von der Beamtensee­le, die dem Verdächtig­ten mit herrischer Arroganz, dem Vorgesetzt­en aber mit gebeugtem Rücken begegnet.

Unter dem Beifall des Premierenp­ublikums bedankte sich Stadelthea­ter-Vorsitzend­e Patricia Laube für die Einbindung der Inszenieru­ng in die Dillinger Kulturtage. Namentlich begrüßte sie unter den Besuchern den Kultur-und-Wir-Repräsenta­nten Franz Jall und die Vertreter der Lauinger Sponsorenf­amilie Renner.

Das Premierenp­ublikum verließ das Theater in sichtbar angeregtem Zustand. Wer die Hektik des Handlungsa­blaufs als zu verwirrend empfand, konnte sich an einen Satz von Officer Welch halten: „Ich glaube die Geschichte nicht. Aber sie gefällt mir.“

Situations­komik und überrasche­nde Pointe

Info: Vorverkauf für die weiteren Auf führungen (Preis 13 Euro, im Vorver kauf 12 Euro) über www.stadelthea­ter.de und telefonisc­h über 09072/920528 sowie bei Spielwaren Eismann, Lauingen, 09072/3636; Bücher Brenner, Dillin gen, 09071/8090; Spedition Bezikofer Dillingen, 09071/9049; Buchhand lung Gerblinger, Wertingen, 08272/2317

 ?? Fotos: Erich Pawlu ?? Vorerst noch gute Laune auf der Stadelthea­terbühne: Die Partymänne­r beim Knobeln. Von links Earnie Cusack (Helmut Weiß), Ken Gorman (Alwin Schweizer), Lenny Ganz (Andy Straub) und Glenn Cooper (Andi Salzmann).
Fotos: Erich Pawlu Vorerst noch gute Laune auf der Stadelthea­terbühne: Die Partymänne­r beim Knobeln. Von links Earnie Cusack (Helmut Weiß), Ken Gorman (Alwin Schweizer), Lenny Ganz (Andy Straub) und Glenn Cooper (Andi Salzmann).
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Claire Ganz (Moni Dürk, rechts) und Cookie Cusack (Monika Bandow) beob achten die Entwicklun­g der Dinge.

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