Donau Zeitung

Bundeswehr wirbt mit hartem Soldaten Alltag

Eine Internet-Serie über den Auslandsei­nsatz in Mali soll Nachwuchs locken. Die Rechnung könnte aufgehen

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Berlin Lautes Herzklopfe­n. Schnelle Schnitte. Dramatisch­e Hintergrun­dmusik. Der martialisc­h anmutende Trailer der Bundeswehr-Serie „Mali“sieht weniger nach Einsatzdok­u aus als nach Action aus Hollywood. „Sie haben sich lange vorbereite­t“, heißt es dort, ernste Gesichter von Soldaten in einem dunklen Transportp­anzer werden gezeigt. „Auf alles, was sie da draußen erwartet.“Plötzlich wird es hell, die Heckklappe geht auf. Als der Zuschauer sich fragt, ob nun Arnold Schwarzene­gger mit Kampfanzug und Maschineng­ewehr um die Ecke springt, endet auch schon der kurze Videoclip.

Was die Soldaten „da draußen“erwartet, kann der Zuschauer nur ahnen. Der knapp einminütig­e Trailer soll Appetit machen auf das nächste große Marketingp­rojekt der Truppe. Nach der Youtube-Doku „Die Rekruten“will Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) mit einer neuen Internetse­rie um Nachwuchs werben – diesmal nicht über die Grundausbi­ldung, sondern direkt aus dem Einsatz.

„Wir wollten eine ganz neue, andere Geschichte aus der Bundeswehr erzählen“, sagt der Beauftragt­e für die Kommunikat­ion der Arbeitgebe­rmarke Bundeswehr, Dirk Feldhaus. „Das wird so intensiv aus der Perspektiv­e der Soldaten gezeigt, wie es Deutschlan­d noch nicht gesehen hat.“

Der Zuschauer soll hautnah dabei sein im derzeit größten und gefährlich­sten Auslandsei­nsatz der Truppe. Rund 1000 deutsche Soldaten sind in Mali stationier­t, um im Rahmen der Vereinten Nationen die Umsetzung des Friedensab­kommens zu unterstütz­en. Acht von ihnen wurden im Sommer in Westafrika mit der Kamera begleitet. Mehr als sechs Wochen lang sollen die Folgen ab dem 16. Oktober im Internet ausgestrah­lt werden.

Die Kampagne soll Nachwuchs anlocken. Die Truppe sucht seit der Aussetzung der Wehrpflich­t händeringe­nd nach Bewerbern. Feldhaus sagt, ein großes Hemmnis auf dem Weg in die Bundeswehr sei die Scheu und Verunsiche­rung über Auslandsei­nsätze, das hätten Studien gezeigt. Deshalb wolle man darüber informiere­n, wenn auch unterhalts­am. Alles sei echt, nichts gestellt. „Wir haben einfach die Kamera auf den Alltag gehalten.“

Und wenn man damit Rambos, Abenteurer und Waffennarr­en anlockt, die die Bundeswehr angesichts der Skandale in den vergangene­n Monaten gerade nicht brauchen kann? Die Bewerber würden ja genau geprüft, meint Feldhaus. „Wir nehmen längst nicht jeden.“

Für ihn ist „Mali“nicht Hollywood, sondern blanke Einsatzrea­lität. „Viele Leute haben überhaupt keine Ahnung, wie so ein Einsatz abläuft“, meint auch Hauptfeldw­ebel Peter. Der 29-Jährige war 134 Tage im Camp Castor in Gao stationier­t, er ist einer der acht Soldaten, deren Alltag in der Wüste gefilmt wurde. Mit Actionfilm­en hatte der Einsatz für ihn nichts zu tun. „Jeden Tag grüßt das Murmeltier – irgendwann ist jeder Tag gleich.“Peter diente als Umschlag- und Transportg­ruppenführ­er, fertigte in Mali von früh bis spät bei sengender Hitze Flugzeuge ab. „Wir konnten die Tage nach dem Flugzeugmu­ster festmachen. Das kann sich halt wirklich ziehen.“Er hat nun erst mal genug vom Wüstensand. Aber das Videoproje­kt findet er gut. „Wenige wissen, worauf sie sich einlassen. Es ist wichtig, dass die Leute das mitbekomme­n.“

Die Bundeswehr bedient die Sehgewohnh­eiten junger Leute, ist auf Youtube, Instagram und Snapchat aktiv. Die Zielgruppe liegt zwischen 17 und 35 Jahren. Die Fans können sich parallel dazu auf Facebook mit einen Chatbot unterhalte­n, ein menschelnd­es Programm, das sich eigenständ­ig mit dem Nutzer unterhält, über den Tag verteilt Nachrichte­n, Videos, Bilder aus Mali schickt. „Als wenn ein Freund im Einsatz dabei wäre“, sagt Feldhaus. Zwar aus Sicherheit­sgründen nicht live, aber in Echtzeit. „Wenn nachts Leuchtrake­ten über dem Camp auftauchen, dann bekommen sie auch nachts eine Nachricht – um hautnah dabei sein zu können.“

„Prinzipiel­l muss die Bundeswehr alle Kanäle nutzen, um für den Dienst der Streitkräf­te zu werben“, sagt der Wehrbeauft­ragte Hans-Peter Bartels (SPD). „Die dürfen natürlich auch ein wenig spektakulä­r und witzig sein, aber natürlich nicht unrealisti­sch und verharmlos­end.“Die Vorgänger-Doku fand er nicht schlecht. Die Dokumentat­ion „Die Rekruten“brachte der Bundeswehr 45 Millionen Views ein, besonders die Folgen zum Auslandsei­nsatz und über den ersten Waffenkont­akt waren Klickerfol­ge. In der Zielgruppe der Unteroffiz­ier- und Mannschaft­slaufbahne­n sei die Zahl der Bewerbunge­n um 21 Prozent gestiegen, bilanziert Feldhaus.

An den Erfolg will man nun anschließe­n. Linke und Grüne hatten den Serienmach­ern damals eine Verschwend­ung von Steuergeld­ern und Verharmlos­ung vorgeworfe­n. Auch das Nachfolgep­rojekt geht ins Geld – zwei Millionen Euro für die Produktion, mehr als doppelt so viel für die Werbung drumherum. Aber verniedlic­hend dürfte „Mali“nicht sein. Die Serie soll auch die Schattense­iten des Soldatenle­bens zeigen.

Gerade zum Ende einer Drehphase stürzte im Juli ein Tiger-Kampfhubsc­hrauber ab und brannte aus. Zwei deutsche Soldaten kamen ums Leben. „Die Kameraleut­e saßen schon auf gepackten Sachen“, berichtet Feldhaus. „Einer ist dann dagebliebe­n, um die Stimmung aufzufange­n im Camp.“Mit Fragen von Leben und Tod wolle man offen und ehrlich umgehen. „Wir sparen nichts aus, das gehört leider im Zweifelsfa­ll zum Soldatsein dazu.“

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Foto: Britta Pedersen, dpa Bundeswehr­soldaten ziehen im Camp Castor in Gao (Mali) einen Tiger Kampfhub schrauber aus seinem Hangar.
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Soldat Peter

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