Drei Promille antrinken in 45 Minuten?
Ein Mann streitet ab, betrunken Auto gefahren zu sein. Das Gericht schickt ihn trotzdem hinter Gitter
Dillingen Wer Alkohol nicht in rauen Mengen gewohnt ist, für den kann ein Blutalkoholwert von über drei Promille lebensbedrohlich werden. So einem Wert geht in der Regel ein stundenlanges Besäufnis voraus. Das Dillinger Amtsgericht musste sich nun mit der Frage beschäftigen, ob man sich auch in weniger als 45 Minuten drei Promille antrinken kann.
Doch der Reihe nach: Ein Mann aus dem baden-württembergischen Grenzgebiet stand vor Gericht, weil er betrunken Auto gefahren sein und Polizisten beleidigt haben soll. An einem Tag im Februar dieses Jahres hatte der 52-Jährige mehrfach Streit mit seiner damaligen Lebensgefährtin. Der mündete darin, dass er am frühen Abend die gemeinsame Wohnung verließ und mit dem Auto davonfuhr. So weit der unstrittige Teil. Was dann passierte, musste in der Verhandlung erst rekonstruiert werden. Eine Zeugin sah auf der Straße zwischen Staufen und Oggenhausen im Vorbeifahren den Wagen des Mannes, der seltsam im Straßengraben parkte. Sie wurde misstrauisch und rief kurz darauf die Polizei. Nach einer knappen Dreiviertelstunde war eine Streife vor Ort und fand den Wagen, der in der Zwischenzeit mehrere hundert Meter gefahren war und an einer Waldeinfahrt stand. Ein Polizist berichtete vor Gericht, dass der Angeklagte angeschnallt am Steuer saß und versuchte, den Wagen trotz abgebrochenem Schlüssel zu starten. Der Motor sei noch warm gewesen, der Mann so betrunken, dass er nur noch lallte. Ein später im Krankenhaus durchgeführter Bluttest ergab einen Wert von rund drei Promille. Vor Gericht gab der Mann an, in diesem Zustand nicht Auto gefahren zu sein. Er habe erst zum Schnaps gegriffen, nachdem er den Wagen an der Waldeinfahrt abgestellt hatte und spazieren gegangen war. Dann sei er zurück zum Auto und habe sich aus der „Macht der Gewohnheit“heraus wieder angeschnallt.
Laut dieser Geschichte muss er sich die drei Promille in einer knappen Dreiviertelstunde, also vom Anruf der Zeugin bis zum Eintreffen der Beamten, angetrunken haben. „Das ist in so kurzer Zeit nicht machbar“, sagte Richter Patrick Hecken. Er hatte auch ein Gutachten parat, das die Angaben des Angeklagten widerlegte. Laut dem muss der Mann bereits zu dem Zeitpunkt, als der Zeugin das Auto an einem anderen Standort auffiel, mindestens zwei Promille im Blut gehabt haben. „Es steht zu meiner Überzeugung fest, dass Sie betrunken Auto gefahren sind“, sagte Hecken. Zumal der Angeklagte in diesem Punkt polizeibekannt ist. Fünf einschlägige Vorstrafen weist er auf, wegen Trunkenheit am Steuer saß er schon einmal eine Haftstrafe ab.
Doch das war nicht das einzige Vergehen, für das sich der 52-Jährige diesmal verantworten musste. Der Mann war den Beamten gegenüber aggressiv, beleidigte sie und wurde handgreiflich – vom Eintreffen am Auto bis zur Untersuchung im Krankenhaus. Dafür entschuldigte sich der Angeklagte. „Das ist sonst nicht meine Art“, sagte er.
Die Reue brachte ihm nichts mehr. „Sie haben sich aufgeführt wie eine offene Hose, das geht gar nicht“, sagte Hecken, der dem Angeklagten ein „massives Alkoholproblem“zusprach. Eine positive Sozialprognose sei so nicht vorhanden. Der Richter verurteilte den Mann zu einer Haftstrafe von einem Jahr und drei Monaten, ohne Bewährung. Der Führerschein, der seit dem Vorfall im Februar sichergestellt ist, bleibt weitere zwei Jahre und zwei Monate eingezogen.