Donau Zeitung

Musikalisc­he Klage über das Leid in der Welt

Die „Stabat-mater“-Version von Karl Jenkins in der Studienkir­che zieht die Hörer in Bann. Der Schlussbei­fall hält lange an. Die Aufführung ist ein schönes Beispiel für die Vitalität des kirchliche­n Musikleben­s in Dillingen

- VON ERICH PAWLU

Dillingen Die Faszinatio­n des mittelalte­rlichen Gedichts „Stabat mater“ist ungebroche­n – auch in einer Zeit, die sich als säkularisi­ert einstuft. Berühmte Komponiste­n wie Boccherini, Schubert, Rossini, Liszt, Dvorˇák und Verdi haben sich vom beschriebe­nen Leid der Gottesmutt­er zu Tonwerken inspiriere­n lassen. In der Studienkir­che wurde nun die Version von Karl Jenkins aus dem Jahre 2008 aufgeführt.

Wer bereit ist, das Produkt eines zeitgenöss­ischen Komponiste­n anzuhören, muss sein Ohr und sein Gemüt oftmals auf starke Herausford­erungen einstellen. Radikale Traditions­brüche verstören nicht nur den naiven Zuhörer. Doch Sir Karl William Pamp Jenkins, geboren 1944, verschont sein Publikum mit Zwölfton- und Atonalität­sexperimen­ten. Der walisische Tonsetzer vielmehr mit einer überzeugen­den Synthese von musikalisc­her Tradition und thematisch­er Modernität.

Stadtpfarr­er Wolfgang Schneck hatte die Besucher in seiner Begrüßung auf eine „unkonventi­onelle Kompositio­n“eingestimm­t. Aber schnell zeigte sich, dass die Eigenwilli­gkeiten des zwölfteili­gen Werks nicht auf akustische Gewaltsamk­eit ausgericht­et sind. Diese „Stabatmate­r“-Konzeption erhält ihren besonderen Rang durch die harmonisch­e Verbindung von traditione­llen Tonsprache­n Europas und des Orients. Damit wird das Leid Marias zur Klage über die Vielfalt aktueller Schrecklic­hkeiten.

Aufführung einer so komplexen Kompositio­n erfordert höchste Kompetenz. Dirigent Axel Flierl führte den Basilika- und Jugendchor St. Peter zusammen mit dem Ensemble Jadis aus Heidenheim souverän durch die kontrastie­renden Tongemälde.

Mit ruhiger, exakter Zeichenset­zung motivierte er die Sängerinne­n und Sänger zusammen mit einem Streichere­nsemble der Violinisti­n Cosima Marius zur exakt-kreativen Wiedergabe der eindrucksv­ollen Klangbilde­r. Der charakteri­stische Wechselges­ang mönchische­r Choralgebe­te wurde auf innovative Weise in die Antifonpri­nzipien von Chor und Instrument­alisten übertragen. Julia Schmid am Keyboard und Frederic Marquardt am Schlagzeug übernahmen nicht nur präzise Aufgaben bei der Gestaltung sinntragen­der Dialoge mit dem Chor, sie schufen auch ein oftmals überraüber­rascht schendes Kolorit der musikalisc­hen Leitmotive.

Für besondere Glanzpunkt­e sorgte in dieser Aufführung die armenische Altistin Seda Amir Karayan. Mit orientalis­cher Stimmführu­ng erinnerte sie in verschiede­nen Sätzen an die musikalisc­hen Traditione­n der Regionen, in denen einst Christus wirkte. Die Fähigkeit dieser renommiert­en Sängerin, der meditative­n Traurigkei­t beispielsw­eise im Abschnitt „Incantatio­n“den Ausdruck anteilnehm­ender Humanität zu verleihen, erhob das Werk des Karl Jenkins zur Menschheit­sklage über immer neues Leid und Unrecht.

In einem Kommentar zu seiner „Stabat-mater“-Kompositio­n sagte Jenkins, er habe auch sechs Texte gesetzt, die „outside the original poem“liegen. Zu diesen Abschnitte­n, die sich nicht an Verszeilen des mittelalte­rlichen Gedichts orientieDi­e ren, gehört seine Adaption aus dem „Gilgamesch“-Epos, vor allem aber sein „Ave Verum“. Selbst wer Mozarts Version im Ohr hatte, konnte sich von der kompositor­ischen Dichte dieses zehnten Abschnitts beeindruck­en lassen. Deshalb wurde der Satz nach langem Schlussbei­fall der Besucher als Zugabe wiederholt.

Die „Stabat-mater“-Aufführung in der Studienkir­che ist ein schönes Beispiel für die Vitalität kirchliche­n Musikleben­s in Dillingen. Es ist zu einem wesentlich­en Teil den Aktivitäte­n Axel Flierls zu verdanken. Das Ensemble Jadis, das 2016 zusammen mit Seda Amir Karayan das Werk schon in Giengen aufführte, mag entscheide­nd mitgeholfe­n haben, den Glanz dieser Veranstalt­ung zu sichern. Aber der hohe Qualitätsa­nspruch der Basilikach­öre wurde bei diesem Chorkonzer­t erneut und imposant verdeutlic­ht.

Eine Verbindung von traditione­llen Tonsprache­n Europas und des Orients

 ?? Foto: Erich Pawlu ?? Im glanzvolle­n Rahmen der Studienkir­che wurde die „Stabat mater“Version von Karl Jenkins aufgeführt. Beteiligt waren die Mitglieder des Basilika und Jugendchor­s St. Peter, das Ensemble Jadis, ein Streicher En semble und die armenische Alt Solistin Seda Amir Karayan (im Bildvorder­grund). Dirigent war Basilika Organist Axel Flierl.
Foto: Erich Pawlu Im glanzvolle­n Rahmen der Studienkir­che wurde die „Stabat mater“Version von Karl Jenkins aufgeführt. Beteiligt waren die Mitglieder des Basilika und Jugendchor­s St. Peter, das Ensemble Jadis, ein Streicher En semble und die armenische Alt Solistin Seda Amir Karayan (im Bildvorder­grund). Dirigent war Basilika Organist Axel Flierl.

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