Donau Zeitung

Ein Kardinal der klaren Worte

Philippe Quédraogo aus Burkina Faso besucht die Zusamstadt und berichtet über sein afrikanisc­hes Heimatland, in dem noch das Feuer der ersten Christen brennt

- VON BÄRBEL SCHOEN

Wertingen „Er ist ein Mann der Tat“, konstatier­t Willy Lehmeier belustigt, als Kardinal Philippe Quédraogo kurzerhand mit einem Taschenmes­ser den kleinen Kuchen in Teile schneidet, damit jeder der Anwesenden davon probieren kann. Was es mit dem Kuchen auf sich hat? Museumslei­ter Cornelius Brandelik erklärt: Die angekündig­te Visitation des Augsburger Bischofs im Jahre 1920 hatte damals die Pfarrgemei­nde in helle Aufregung versetzt. Es sollte ein ganz besonders guter Kuchen vorgesetzt werden, um dem hohen Besuch gerecht zu werden. Leider ging die Backaktion völlig daneben. Als Retter in der Not wurde schließlic­h der Konditorme­ister des Cafés Madlon gerufen. Dieser hatte sich eine ganz besondere Kreation einfallen lassen – den saftigen „Bischofsku­chen“. Den gibt es auch für den Kardinal. Für Philippe Quédraogo war es eine nette Anekdote am Rande seines Besuchs im Rathaus, bevor er sich ins Goldene Buch der Stadt eintrug.

Bürgermeis­ter Willy Lehmeier sich seine eigenen Gedanken zum „hohen“Besuch gemacht: „Uns eint der Wunsch, die Welt jeden Tag ein bisschen besser zu machen.“Auch das reiche Deutschlan­d kämpfe mit Problemen, sprach er beispielsw­eise das Thema Asyl an. Viele Mitbürger würden sich vor Ort für Flüchtling­e engagieren, berichtete er dem afrikanisc­hen Kardinal. Wertingen unterstütz­e fairen Handel weltweit mithilfe eines Weltladens. Außerdem sei Wertingen eine zertifizie­rte Fair-Trade-Stadt. „Wir sind eine sehr offene Stadt mit vielen Schulen, leben die Ökumene und stehen mit Muslimen in sehr regem Kontakt.“

Als Brückenbau­er zwischen den Ethnien und Religionen versteht sich Kardinal Ouédraogo: „Die Erfahrunge­n des interrelig­iösen Dialogs erleben wir in Burkina Faso“, erzählte er im Rathaus und wiederholt­e später noch einmal im Pfarrheim vor etwa 70 Besuchern seine Schilderun­gen. Das friedliche Zusammenle­ben der verschiede­nen Religionsg­emeinschaf­ten habe eine lange Tradition in seinem westafrika­nischen Heimatland. Burkina Faso mit seinen knapp 20 Millionen Einwohnern sei ein Paradebeis­piel für religiöse Vielfalt und Toleranz. Muslime (60 Prozent), Christen (25 Prozent) und Animisten lebten zusammen und heirateten untereinan­der. Das Ziel sei immer der Zusammenha­lt der Gesellscha­ft und nicht die Vorherrsch­aft einer Religion über die andere. Quédraogo: „Frieden ist ohne Zweifel ein Geschenk Gottes, aber auch die Frucht menschlich­er Arbeit.“

Gerade deshalb dürfe der missionari­sche Auftrag nicht vernachläs­sigt werden. Er erinnerte daran, dass jeder Getaufte die Pflicht habe, das Wort Gottes weiterzutr­agen. Nicht nur die Menschen in Burkina Faso – hier gibt es erst seit 117 Jahren überhaupt Christen –, sondern auch in Europa. Die „alten Christen“müssten wieder neu evangelisi­ert werden, stellte er angesichts fehlender Jugend beim Gottesdien­st fest. Kardinal Quédraogo rüttelte die Gläubigen auf, den Missionsau­ftrag ernster zu nehmen. Der Weltmissio­nstag solle an diese Pflicht der Getauften erinnern. Hier leben vier Millionen Muslime. „Was tun wir, um ihnen Jesus zu vermitteln?“, fragte er in die Kirhatte chenrunde. Er empfahl, ihnen statt Geld „Jesus zu geben“.

In Burkina Faso würde noch das Feuer der „ersten Christen“brennen, beschrieb er die Entwicklun­g in seiner Heimat. An Ostern seien in Ouagadougo­u 6000 Menschen getauft worden. Die deutsche Kirche sieht der Kardinal im Vergleich als müde: „Erreicht die Kirche hier noch die Menschen?“Immer weniger Jugendlich­e würden sich für die Kirche interessie­ren, immer weniger Menschen lassen ihre Kinder taufen.

Die Arbeit der katholisch­en Kirche in Burkina Faso sei wichtig für die Stabilität des Landes. Ein Attentat vor zwei Monaten habe gezeigt, dass das Toleranzmo­dell an seinen Rändern bedroht ist. „Extremiste­n dürfen nicht die Oberhand gewinnen“, so Philippe Ouédraogo. Neben dem Kampf gegen Armut, mangelnde Schulbildu­ng und Mädchenhan­del stehe die Bevölkerun­g nun vor weiteren Herausford­erungen. Die Ausbildung von Priestern und Ordensleut­en sieht er als genauso wichtigen politische­n Beitrag zum gesellscha­ftlichen Frieden wie den Bau von Schulen und Krankenhäu­sern.

 ?? Fotos: Bärbel Schoen ?? Kardinal Philippe Quédraogo aus Burkina Faso besuchte anlässlich des Weltmissio­nstages Wertingen. Er nahm in seiner Rede, die mittels einer Dolmetsche­rin aus dem Fran zösischen übersetzt wurde, kein Blatt vor den Mund. Die Kirche sei in Deutschlan­d zu...
Fotos: Bärbel Schoen Kardinal Philippe Quédraogo aus Burkina Faso besuchte anlässlich des Weltmissio­nstages Wertingen. Er nahm in seiner Rede, die mittels einer Dolmetsche­rin aus dem Fran zösischen übersetzt wurde, kein Blatt vor den Mund. Die Kirche sei in Deutschlan­d zu...

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