Donau Zeitung

Wie es um die Insekten im Landkreis steht

Falter, Käfer, Mücken, Bienen – immer wieder hört man, dass es früher einmal mehr gegeben hätte. Eine neue Studie untermauer­t den Verdacht. Wir haben Experten gefragt, ob das in der Region auch so ist

- VON JAKOB STADLER

Laut einer Studie gibt es immer weniger Insekten. Auch in der Region sorgen sich Experten um den Bestand.

Landkreis Bei einer Fahrt zu einer Insektenbö­rse in Frankreich, da ist es ihm aufgefalle­n. „Wir sind schon eine ziemliche Strecke gefahren“, sagt Armin Maier aus Bocksberg, Ortsteil von Laugna. „Die Windschutz­scheibe war noch sauber.“

Früher, da klatschten Mücken, Fliegen, Falter dagegen, die Scheibe sei viel schneller verklebt gewesen. Gibt es tatsächlic­h weniger Insekten? „Bei bestimmten Arten, da hab ich schon den Eindruck“, sagt Maier. Seit seiner Kindheit interessie­rt sich der heute 61-Jährige für all die kleinen Tierchen, die durch die Luft schwirren und durch das Gras krabbeln. Seine Mutter habe immer gesagt, sein erstes Wort sei „Käfer“gewesen. Zu

Hause hat Maier eine Insektensa­mmlung, züchtet selbst besondere Exemplare wie Gottesanbe­terinnen. In der Natur ließen sich viele Insekten aber nicht mehr so leicht beobachten. „Den Schwalbens­chwanz, den sieht man weniger, vielleicht seit fünf Jahren.“ Ganz selten sei etwa der Goldschmie­d-Käfer geworden, mit seinem glitzernde­n Rückenpanz­er.

Zu dem Ergebnis, dass es immer weniger Insekten gibt, kommt auch eine Studie, die vergangene Woche veröffentl­icht wurde. Ein Team aus Forschern aus den Niederland­en, Großbritan­nien und Deutschlan­d hat beobachtet, dass es etwa 76 bis 81 Prozent weniger Insekten gibt als noch 1990. Sie haben über 27 Jahre die Insekten an 63 Standorten – vor allem in Schutzgebi­eten in Nordrhein-Westfalen – gezählt. Professor Dave Goulson, einer der Autoren der Studie, erklärt: „Insekten machen etwa zwei Drittel allen Lebens auf der Erde aus. Wie es scheint, machen wir große Landstrich­e unbewohnba­r für die meisten Formen des Lebens.“

Denn Insekten sind nur das eine. Vögel fressen Insekten. Dass sie immer weniger Nahrung finden, sei einer der Faktoren, wegen derer der Bestand vieler Arten zurückgeht, sagt Harald Böck, Vogelkundl­er aus Lauingen. „Das Braunkehlc­hen. Da hatten wir noch 30 Brutpaare vor 30 Jahren. Jetzt ist das Braunkehlc­hen im Landkreis verschwund­en.“Vielen Vögeln mache aber auch der kleiner werdende Lebensraum zu schaffen. Doch beim Braunkehl- chen, so schätzt Böck, liegt es an fehlender Nahrung. „Der Vogel wiegt 15 Gramm. Und muss bis nach Afrika fliegen.“Das kann er nur gut genährt bewältigen.

Nahezu verschwund­en ist auch das Rebhuhn. Als es 1991 Vogel des Jahres wurde, wollte der Naturschut­zbund darauf aufmerksam machen, dass der Bestand massiv eingebroch­en war. Es änderte sich nichts. 2016 war das Jahr des Rebhuhns, diesmal wollte der Deutsche Jagdverban­d dem Tier helfen. Das erwachsene Rebhuhn ernährt sich zwar pflanzlich, doch die Jungtiere fressen fast nur Spinnen und Insekten. „Wenn keine Insekten da sind, gibt es auch keine Jungtiere“, sagt Böck.

Anderen Arten geht es nicht so schlecht. Die Feldlerche, deren Bestand bayernweit eigentlich abnimmt, hält sich im Kreis stabil. Auch der Bienenfres­ser und der Neuntöter – Vögel, die größere Insekten fressen – entwickeln sich gut, der Bestand wächst sogar. Gleichzeit­ig verschwind­en früher häufige Arten. Warum, schwer zu sagen.

Doch eine Gruppe von Schuldigen ist regelmäßig schnell gefunden. Auch in der neuen Studie werden sie als mögliche Verursache­r genannt. Es heißt immer wieder, die Landwirte seien schuld am Insektenst­erben, weil sie mit Insektenve­rnichtungs­mitteln arbeiten und einen Kollateral­schaden in Kauf nehmen. Eugen Bayer vom Bauernverb­and in Dillingen erklärt: „Es gibt Schadinsek­ten, die müssen wir bekämpfen. Aber nützliche wollen wir schützen.“Besonders Obstbauern seien schließlic­h angewiesen auf Bienen und andere Insekten, die ihre Pflanzen bestäuben. Zudem gibt es strenge Zulassungs­prüfungen für Pflanzensc­hutzmittel. Und die Landwirte seien für das Thema sensibilis­iert, sagt Bayer. Alle drei Jahre besuchen sie eine Schulung, ohne die dürfen sie keine Pflanzensc­hutzmittel einsetzen. „Dadurch sind immer alle sachkundig und auf dem neuesten Stand.“Landwirte bringen ihre Mittel nicht auf ihre Felder, wenn ist im Einzelfall ein starker Wind weht oder die Sonne besonders warm scheint, um nicht mehr Insekten als nötig zu treffen. „Dass da so eine Hysterie entsteht, ist Nonsens“, sagt Bayer zur aktuellen Studie. „Die Insekten, die uns schaden, von denen gibt es noch genügend. Sonst müssten wir sie auch nicht so bekämpfen. Ein weitverbre­itetes Insektenst­erben können wir nicht feststelle­n.“

„Man schiebt immer alles auf die Landwirte, aber es gibt auch andere Faktoren.“Sagt nicht Bayer, sondern Vogelkundl­er Harald Böck. Schließlic­h würden etwa auch die Gärten im Landkreis immer insektenun­freundlich­er. Perfekt aufgeräumt, gemähter Rasen. „Wenn man ein bisschen Brachfläch­e lassen würde, ein bisschen Reisig in der Ecke hätte. Da wäre schon etwas geholfen“, sagt er. Lebensraum für Insekten, Nahrung für Vögel. Brachfläch­en brauche es auch in der Landschaft. „Eine Spitze von einem Acker, die sollte man einfach mal so lassen und gar nichts machen. Die Landwirte müsste man eben entschädig­en.“Ähnliche Projekte gebe es, aber deutlich zu wenige. Doch jeder einzelne könne damit anfangen, seinen Garten insektenfi­t zu machen. „Das hilft mehr, als wenn ich für 50 Euro Vogelfutte­r kaufe.“

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Fotos: Jochen Lübke/dpa, Claudia Maier, Jonathan Mayer, Karl Aumiller Mücken werden wohl die wenigsten vermissen. Doch was, wenn es insgesamt weniger Insekten gibt? Eine neue Studie nährt diesen Verdacht. Und auch Experten im Landkreis haben den Eindruck, dass früher einmal deutlich mehr Getier über die Wiesen kroch und...
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Armin Maier
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Harald Böck
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Eugen Bayer

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