Donau Zeitung

Madrid setzt Regierung in Katalonien ab

Machtkampf eskaliert. Schon bald Neuwahlen

- VON RALPH SCHULZE La Vanguardia,

Madrid Die spanische Regierung hat die Absetzung der katalanisc­hen Regionalre­gierung in Barcelona beschlosse­n. Das gab Ministerpr­äsident Mariano Rajoy nach einem außerorden­tlichen Treffen des Ministerra­ts am Abend bekannt. „Das Parlament habe ich aufgelöst“, sagte er weiter. Neuwahlen sollen bereits am 21. Dezember stattfinde­n.

Zuvor hatten die Abgeordnet­en des Regionalpa­rlaments in Barcelona für einen Prozess zur Loslösung von Spanien und zur Gründung eines unabhängig­en Staates gestimmt, allerdings ohne einen Zeitplan festzulege­n. Daraufhin ermächtigt­e der spanische Senat Rajoy, Katalonien gemäß Verfassung­sartikel 155 unter Zwangsverw­altung zu stellen. Gegen dessen Regierungs­chef Carles Puigdemont ermittelt nun die Generalsta­atsanwalts­chaft wegen „Rebellion“. Darauf steht im spanischen Recht eine Haftstrafe von bis zu 30 Jahren. Schon kommende Woche soll Anklage erhoben werden.

Über den katalanisc­hen Krimi berichten wir in der

Barcelona Es ist ein schwarzer Tag für Spanien. Ein Freitag, an dem in Madrid und Barcelona Entscheidu­ngen getroffen werden, die den Unabhängig­keitskonfl­ikt in der Region Katalonien eskalieren lassen. „Katalonien driftet ab“, titelt pessimisti­sch die größte Zeitung vor Ort, und warnt davor, dass der katalanisc­hen Gesellscha­ft stürmische Zeiten bevorstehe­n.

Der erste Akt in diesem Drama findet am Nachmittag im Regionalpa­rlament in Barcelona statt. Dort beschließt die Separatist­enmehrheit per Resolution die einseitige Abspaltung Katalonien­s von Spanien. Eine Resolution, in deren Vorwort es heißt: „Wir konstituie­ren die katalanisc­he Republik als unabhängig­en, souveränen, demokratis­chen und sozialen Staat.“Mit der Erklärung wird zudem der „verfassung­sgebende Prozess“für diese Republikgr­ündung gestartet und ein Gesetz aktiviert, das die Übernahme aller spanischen Kompetenze­n in Katalonien regelt. Die Resolution wird mit 70 Ja-Stimmen verabschie­det, zwei Abgeordnet­e enthalten sich und zehn geben einen leeren Stimmzette­l ab. Die Abgeordnet­en der drei prospanisc­hen Parteien – Konservati­ve, Sozialiste­n und Liberale – haben vor der Abstimmung aus Protest den Saal verlassen.

Draußen vor den Türen jubeln tausende Anhänger mit gelb-rot gestreifte­n Fahnen. Sprechchör­e mit dem Ruf „Keinen Schritt zurück“sind zu hören. Die Massen stimmen die katalanisc­he Hymne an.

Spaniens Regierungs­chef Mariano Rajoy ruft die Bevölkerun­g in Katalonien wie in ganz Spanien zur Ruhe auf. Die Regierung werde die rechtmäßig­e Ordnung in Katalonien „umgehend wiederhers­tellen“. Dies sei ein „schwarzer Tag“für die Demokratie, sagt wenig später ein Sprecher Rajoys. Spaniens Verfassung erlaubt keine Abspaltung einer Region vom Königreich. Sowohl die spanische Regierung als auch die Europäisch­e Union haben in den letzten Tagen bekräftigt, dass eine Unabhängig­keitserklä­rung nicht anerkannt werde und allen rechtliche­n wie demokratis­chen Grundsätze­n widersprec­he.

Dann folgt der zweite Akt. Spaniens Senat, das parlamenta­rische Oberhaus, billigt Zwangsmaßn­ahmen gegen die Rebellenfü­hrung unter Regierungs­chef Carles Puigdemont. Die Senatoren der in Spanien regierende­n konservati­ven Partei, der opposition­ellen Sozialiste­n und der liberalen Partei Ciudadanos stimmen dafür. Diese drei Parteien halten 80 Prozent der Sitze im Senat.

Schließlic­h Akt Nummer drei am Abend. Dessen Drama liegt darin, dass die Antwort der spanischen Regierung auf die Provokatio­n Katalonien­s noch konsequent­er ausfällt als angekündig­t. Der Eingreifpl­an, mit dem die Region zur Normalität zurückgefü­hrt werden soll, sieht im Kern vier Schritte vor: Erstens die sofortige Absetzung der Regionalre­gierung – wohl schon am Samstag. Dann die Überwachun­g der katalanisc­hen Verwaltung und der autonomen Polizei durch Spaniens Regierung. Drittens die sofortige Auflösung des katalanisc­hen Parlaments. Und viertens die Ansetzung von Neuwahlen, die schon am 21. Dezember stattfinde­n sollen.

Die Zwangsmaßn­ahmen sind durch die Verfassung gedeckt. Spaniens Verbündete in Europa und die Partner in der Nato stellen sich gestern demonstrat­iv hinter die Haltung Madrids. „Die EU braucht keine weiteren Risse“, sagt beispielsw­eise EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker.

In Katalonien rüstet man sich nun für den Widerstand. Aktivisten haben „Verteidigu­ngskomitee­s“gegründet, welche die Speerspitz­e geplanter Aktionen des zivilen Ungehorsam­s sein sollen. Dazu gehören nicht nur Demonstrat­ionen und Streiks, sondern offenbar auch die Blockade von Autobahnen und anderen wichtigen Verkehrskn­otenpunkte­n. Und wie reagieren die Separatist­en im Parlament? Von mehreren ist zu hören: „Wir steuern auf einen Krieg zu!“

Aus Protest verlassen einige Abgeordnet­e den Saal

 ?? Foto: Josep Lago, afp ?? Mit 70 Ja gegen zehn Nein Stimmen beschloss das Regionalpa­rlament in Barcelona die Unabhängig­keit Katalonien­s. Viele Op positionsp­olitiker hatten zuvor den Saal verlassen.
Foto: Josep Lago, afp Mit 70 Ja gegen zehn Nein Stimmen beschloss das Regionalpa­rlament in Barcelona die Unabhängig­keit Katalonien­s. Viele Op positionsp­olitiker hatten zuvor den Saal verlassen.

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