Ist die Bundeswehr in Mali überflüssig?
„80 Prozent der Soldaten kommen nie aus ihrem Camp heraus“, behauptet ein Experte. Und die Kommandeure vor Ort scheuten jedes Risiko. Das sieht ein General anders
Augsburg Rund 1000 Bundeswehrsoldaten sind derzeit in dem von bewaffneten Konflikten erschütterten westafrikanischen Staat Mali stationiert. Die meisten gehören der UNStabilisierungsmission an, mit der ein Friedensabkommen zwischen Regierung und Rebellen aus dem Jahr 2015 umgesetzt werden soll. Laut Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen handelt es sich dabei um „eine der wichtigsten, aber auch eine der gefährlichsten Missionen der Vereinten Nationen. Der deutsche Beitrag ist ein wichtiger Pfeiler, unverzichtbar.“Doch diese Sichtweise wird nicht von allen Experten geteilt.
So stellt Arno Meinken, Oberstleutnant der Reserve und ehemaliger Einsatzberater der Bundeswehr im Mittelmeerraum und in Mali, fest: „Es ist nicht erkennbar, welchen Auftrag die Bundeswehr in Mali ausführt.“Als Referent beim Augsburger Sicherheitsdialog, der sich in diesem Jahr dem Thema Afrika widmet, behauptet er, „80 Prozent der Soldaten“kämen nie aus dem „Camp Castor“in der ehemaligen Rebellenhochburg Gao heraus. Hubschrauber und Fahrzeuge seien „übertechnisiert“und für den Einsatz im heißen Wüstenklima nicht geeignet.
Zudem hält Meinken den Befehlshabern vor Ort Risikoscheue vor: „Die Kommandeure handeln nach der Devise: Nur keine Verluste!“So könne die Bundeswehr keinen Beitrag leisten, um die Lage der Bevölkerung zu verbessern.
Das sieht die Generalität freilich anders. Der Chef des Stabes beim „Multinationalen Kommando Ope- rative Führung“in Ulm, Generalmajor Klaus Habersetzer, verweist darauf, dass Soldaten, die Kampfund Transporthubschrauber warten, ihre Aufgabe naturgemäß innerhalb des Camps ausführen. Auch auf die Offiziere will er nichts kommen lassen: Die Hauptleute und Oberstleutnants der Bundeswehr in Mali seien mutig und drückten sich nicht vor Entscheidungen.
Allerdings lässt Habersetzer durchblicken, dass auch nach seiner Einschätzung Verletzungen oder gar Todesfälle die Akzeptanz von UNMissionen bei der Bevölkerung untergraben können. Im Juli waren in Mali beim Absturz eines „Tiger“- Kampfhubschraubers zwei Soldaten ums Leben gekommen. Offenbar hatten sich in der Luft Rotorblätter gelöst. Die genauen Ursachen sind bislang ungeklärt.
Auch die Defizite und Erfolge der zivilen Entwicklungszusammenarbeit sind Thema beim Sicherheitsdialog, der einmal jährlich von der Gesellschaft für Sicherheitspolitik, dem Verein Augsburg International und dem Reservistenverband veranstaltet wird. Der ehemalige deutsche Botschafter in Kamerun, Volker Seitz, kritisiert, dass die milliardenschwere Entwicklungshilfe aus dem Westen in Afrika keine nachhaltige Entwicklung ausgelöst hat. Der Anstoß für Reformen müsse aus dem Inneren des Kontinents kommen. Deswegen sei auch der Ansatz eines „Marshallplans“für Afrika, wie ihn die Bundesregierung vertritt, falsch. „Es fehlt nicht an Kapital, sondern an förderwürdigen Projekten“, meint Seitz.
Der einstige Diplomat geißelt vor allem das starke Bevölkerungswachstum in Afrika, das alle Erfolge zunichtemache. „Ohne Geburtenkontrolle bleibt jede Entwicklungszusammenarbeit wirkungslos.“Die westlichen Regierungen müssten die ideologischen Scheuklappen ablegen und die Familienplanung zum Schwerpunkt machen, fordert er.