Zwei Frauen vertrauen ins Leben
Erstmals brachte das Buttenwiesener Musical-Team mit „Rut“ein ganz eigenes Stück auf die Bühne. Immer wieder wird das Publikum überraschend in die Gegenwart geführt
Buttenwiesen Ihre Männer sind gestorben. Sie stehen (erneut) an einem Wendepunkt ihres Lebens: Naomi und Rut. Naomi legt die Hand auf die Schulter der Schwiegertochter. Wo wird ihr Weg sie hinführen? Singend bekunden sich die beiden Frauen ihre gegenseitige Wertschätzung und entscheiden, gemeinsam von Moab (heutiges Jordanien) nach Bethlehem zu ziehen. „Wohin du gehst, da gehe auch ich, dein Volk ist mein Volk, dein Gott ist mein Gott, nur der Tod wird mich von dir scheiden.“Die junge Rut folgt ihrer inneren Stimme, geht den Weg, den sie zu gehen hat. Es ist der Weg in ein für sie fremdes Land, die Heimat der Schwiegermutter. – Die beiden Frauen stehen im Mittelpunkt eines Musicals, das der Verein „Musicalprojekt86“derzeit in der Buttenwiesener Gemeindehalle aufführt. Es ist das erste Stück, das komplett in Eigenregie entstanden ist – von den Texten und der Musik bis zu den Kostümen und der Bühne. Und es ist gleichzeitig das erste Stück, das samt Zusatzvorstellung bereits vor der Premiere ausverkauft war. Somit geht auch der Verein neue Wege. Wege, die sich zu lohnen scheinen. „Am Ende steht das Leben“heißt das Stück im Untertitel. „Rut“zeigt eindrucksvoll, dass sich Vertrauen auszeichnet.
Die Bibelgeschichte um Rut spielt kurz nach dem Auszug der Israeliten aus Ägypten etwa 1100 vor Christus, noch vor der Staatsgründung durch König David. Regisseur Johannes Baur führt zu Beginn in die alttestamentarische Erzählung ein, die die Grundlage für das Musical bildet. Er berichtet von der Entstehung eines eigenen Stückes. Davon, dass die vielen jungen weiblichen Mitglieder endlich einmal eine „starke Frau“erleben wollten nach mehreren Männerstücken. Davon, dass es für einen solch starken Chor wie den ihren kaum passende Musicals gebe. Und davon, wie die Bühne sich in verschiedene Schauplätze aufteile. Es ist ein Gemeinschaftswerk, das so entstanden ist, was immer wieder zu spüren ist. Chor und Band sind auf der weitläufigen Bühne ebenso stimmig integriert wie die unterschiedlichen Schauplätze. Gefühlsmäßig grenzt sich das Publikum kaum von der Bühne ab.
Langeweile ist das Letzte, was während des Abends bei den rund 300 Zuschauern auftaucht. Regisseur Baur spielt mit Farben, überraschenden Sprüngen in die heutige Zeit und einer faszinierenden – ebenfalls im Team selbst kreierten – Drehbühne. Auf ihr gleitet das Grab mit den toten Männern an den Zuschauern vorbei, während die beiden Frauen darauf stehend singen. „Es ist dunkel um mich und dunkel in mir – mir zieht es den Boden unter den Füßen weg.“Rut antwortet der hadernden Naomi: „Die Hoffnung stirbt niemals, und wir haben doch noch uns.“Zärtlichkeit, gegenseitige Fürsorge und liebevolle Zuwendung zeichnet den Kontakt der beiden Frauen zueinander aus. Auch dann noch, als Boas auftaucht und Rut samt Feld und ihrer Schwiegermutter in Bethlehem erwirbt. Mit dem Bild der glücklichen Großmutter, den Enkel Obed auf dem Arm, endet das Stück. Mit Obed, dem späteren Großvater des biblischen Königs David, der eine „Ausländerin“als Mutter hat.
Ausländer und der Umgang mit Flüchtlingen und Fremden, soziale Not und Armut sowie der Überlebenskampf der Frauen in einer von Männern dominierten Welt – die Themen, die in dem Stück anklingen, könnten nicht aktueller sein. Und so durchbricht Regisseur Baur die Erzählung immer wieder durch Sprünge in die heutige Zeit. Das eine Mal findet sich der Zuschauer in einer Fernseh-Talkrunde, das andere Mal in einem Protestmarsch über Frauenrechte wieder. Deutsche Buben schlüpfen in die Rolle von Flüchtlingskindern, und zwei afghanische Männer aus Oberthürheim stehen in einer anderen Sequenz direkt Rede und Antwort. Ein Schuh-Rap lockert die Verhandlung um Acker samt Frauen auf. Doch die Frage, wo Gott in dem Stück auftaucht, bleibt jedem Zuschauer selbst überlassen. „Ich danke dir mein Gott, denn du bist mir so nah“, singen und spielen alle Darsteller gegen Ende des Stückes, der womöglich der Anfang eines neuen Stück Lebensweges ist. Die Geschichte der alttestamentarischen Rut ist abgeschlossen. Die künstlerische Laufbahn der vier Hauptdarstellerinnen hat vielleicht gerade begonnen: Rebekka-Maria Baur und Magdalena Landherr als Rut sowie Lea-Anna Baur und Miriam Hahn als Naomi erhoben erstmals in der Buttenwiesener Musical-Geschichte abwechselnd ihre Stimmen in Hauptrollen. Sie zeigten sich damit allerdings ebenso souverän wie die beiden Routiniers Toni Stegmair (als Boas) und Thomas Havelka (als erzählender Richter Levi). „Menschen schenken Leben, Leben wird weitergegeben, so ist der Dinge Lauf, so stirbt der Mensch nicht aus.“Mit dem Eingangslied klingt das Stück aus.