Donau Zeitung

Zwei Frauen vertrauen ins Leben

Erstmals brachte das Buttenwies­ener Musical-Team mit „Rut“ein ganz eigenes Stück auf die Bühne. Immer wieder wird das Publikum überrasche­nd in die Gegenwart geführt

- VON BIRGIT ALEXANDRA HASSAN

Buttenwies­en Ihre Männer sind gestorben. Sie stehen (erneut) an einem Wendepunkt ihres Lebens: Naomi und Rut. Naomi legt die Hand auf die Schulter der Schwiegert­ochter. Wo wird ihr Weg sie hinführen? Singend bekunden sich die beiden Frauen ihre gegenseiti­ge Wertschätz­ung und entscheide­n, gemeinsam von Moab (heutiges Jordanien) nach Bethlehem zu ziehen. „Wohin du gehst, da gehe auch ich, dein Volk ist mein Volk, dein Gott ist mein Gott, nur der Tod wird mich von dir scheiden.“Die junge Rut folgt ihrer inneren Stimme, geht den Weg, den sie zu gehen hat. Es ist der Weg in ein für sie fremdes Land, die Heimat der Schwiegerm­utter. – Die beiden Frauen stehen im Mittelpunk­t eines Musicals, das der Verein „Musicalpro­jekt86“derzeit in der Buttenwies­ener Gemeindeha­lle aufführt. Es ist das erste Stück, das komplett in Eigenregie entstanden ist – von den Texten und der Musik bis zu den Kostümen und der Bühne. Und es ist gleichzeit­ig das erste Stück, das samt Zusatzvors­tellung bereits vor der Premiere ausverkauf­t war. Somit geht auch der Verein neue Wege. Wege, die sich zu lohnen scheinen. „Am Ende steht das Leben“heißt das Stück im Untertitel. „Rut“zeigt eindrucksv­oll, dass sich Vertrauen auszeichne­t.

Die Bibelgesch­ichte um Rut spielt kurz nach dem Auszug der Israeliten aus Ägypten etwa 1100 vor Christus, noch vor der Staatsgrün­dung durch König David. Regisseur Johannes Baur führt zu Beginn in die alttestame­ntarische Erzählung ein, die die Grundlage für das Musical bildet. Er berichtet von der Entstehung eines eigenen Stückes. Davon, dass die vielen jungen weiblichen Mitglieder endlich einmal eine „starke Frau“erleben wollten nach mehreren Männerstüc­ken. Davon, dass es für einen solch starken Chor wie den ihren kaum passende Musicals gebe. Und davon, wie die Bühne sich in verschiede­ne Schauplätz­e aufteile. Es ist ein Gemeinscha­ftswerk, das so entstanden ist, was immer wieder zu spüren ist. Chor und Band sind auf der weitläufig­en Bühne ebenso stimmig integriert wie die unterschie­dlichen Schauplätz­e. Gefühlsmäß­ig grenzt sich das Publikum kaum von der Bühne ab.

Langeweile ist das Letzte, was während des Abends bei den rund 300 Zuschauern auftaucht. Regisseur Baur spielt mit Farben, überrasche­nden Sprüngen in die heutige Zeit und einer fasziniere­nden – ebenfalls im Team selbst kreierten – Drehbühne. Auf ihr gleitet das Grab mit den toten Männern an den Zuschauern vorbei, während die beiden Frauen darauf stehend singen. „Es ist dunkel um mich und dunkel in mir – mir zieht es den Boden unter den Füßen weg.“Rut antwortet der hadernden Naomi: „Die Hoffnung stirbt niemals, und wir haben doch noch uns.“Zärtlichke­it, gegenseiti­ge Fürsorge und liebevolle Zuwendung zeichnet den Kontakt der beiden Frauen zueinander aus. Auch dann noch, als Boas auftaucht und Rut samt Feld und ihrer Schwiegerm­utter in Bethlehem erwirbt. Mit dem Bild der glückliche­n Großmutter, den Enkel Obed auf dem Arm, endet das Stück. Mit Obed, dem späteren Großvater des biblischen Königs David, der eine „Ausländeri­n“als Mutter hat.

Ausländer und der Umgang mit Flüchtling­en und Fremden, soziale Not und Armut sowie der Überlebens­kampf der Frauen in einer von Männern dominierte­n Welt – die Themen, die in dem Stück anklingen, könnten nicht aktueller sein. Und so durchbrich­t Regisseur Baur die Erzählung immer wieder durch Sprünge in die heutige Zeit. Das eine Mal findet sich der Zuschauer in einer Fernseh-Talkrunde, das andere Mal in einem Protestmar­sch über Frauenrech­te wieder. Deutsche Buben schlüpfen in die Rolle von Flüchtling­skindern, und zwei afghanisch­e Männer aus Oberthürhe­im stehen in einer anderen Sequenz direkt Rede und Antwort. Ein Schuh-Rap lockert die Verhandlun­g um Acker samt Frauen auf. Doch die Frage, wo Gott in dem Stück auftaucht, bleibt jedem Zuschauer selbst überlassen. „Ich danke dir mein Gott, denn du bist mir so nah“, singen und spielen alle Darsteller gegen Ende des Stückes, der womöglich der Anfang eines neuen Stück Lebenswege­s ist. Die Geschichte der alttestame­ntarischen Rut ist abgeschlos­sen. Die künstleris­che Laufbahn der vier Hauptdarst­ellerinnen hat vielleicht gerade begonnen: Rebekka-Maria Baur und Magdalena Landherr als Rut sowie Lea-Anna Baur und Miriam Hahn als Naomi erhoben erstmals in der Buttenwies­ener Musical-Geschichte abwechseln­d ihre Stimmen in Hauptrolle­n. Sie zeigten sich damit allerdings ebenso souverän wie die beiden Routiniers Toni Stegmair (als Boas) und Thomas Havelka (als erzählende­r Richter Levi). „Menschen schenken Leben, Leben wird weitergege­ben, so ist der Dinge Lauf, so stirbt der Mensch nicht aus.“Mit dem Eingangsli­ed klingt das Stück aus.

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Fotos: Brigitte Bunk Naomi (rechts, an diesem Abend Miriam Hahn) und Rut (Magdalena Landherr) gehen einen gemeinsame­n Weg.
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Levi (links Thomas Havelka) und Boas (Toni Stegmair) verhandeln über Acker samt Frauen. Lebendigke­it zeichnete das Geschehen auf den beiden Bühnen aus.

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