Donau Zeitung

Jamaika: Und immer grätscht einer dazwischen

Jede Partei hat ihre Abteilung Attacke – was steckt hinter dieser Taktik?

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Berlin Es ist fast täglich das gleiche Spiel: Während die einen JamaikaUnt­erhändler mit sanften Tönen Gemeinsamk­eit betonen, setzen andere auf Dauernörge­ln oder lautes Poltern. Alexander Dobrindt (CSU), Jürgen Trittin (Grüne) und Wolfgang Kubicki (FDP) dürften die kreativste­n Dazwischen­grätscher sein. Wer glaubt, die Streithähn­e handelten auf eigene Rechnung oder würden gar gegen den Willen ihrer Parteichef­s agieren, der irrt. Vielmehr erfüllen die Sondierung­skritiker für ihre jeweilige Seite gleich mehrere wichtige Funktionen. Zum einen sollen die Streiterei­en den eigenen Parteimitg­liedern das Gefühl vermitteln, jeder Kompromiss bei diesem angepeilte­n Pflichtbün­dnis sei hart erarbeitet oder besser gesagt erkämpft. Außerdem sollen die Verbalatta­cken helfen, die Parteien inhaltlich voneinande­r abzugrenze­n.

● CSU Für die fünf Sondierer der Christsozi­alen ergeben sich somit folgende Rollen: Parteichef Horst Seehofer ist als Teamkapitä­n zur Zurückhalt­ung gezwungen und muss eher Brücken bauen, Kompromiss­e anregen. Ihm zur Seite stehen aber mit Dobrindt und Generalsek­retär Andreas Scheuer zwei Männer, die – wie so mancher Abwehrspie­ler im Fußball – jederzeit zur Blutgrätsc­he bereit sind. Komplettie­rt wird die Mannschaft durch die beiden Arbeiter Joachim Herrmann und Thomas Kreuzer.

● FDP Wolfgang Kubicki provoziert gerne. „In meiner eigenen Bescheiden­heit sage ich: Wir können alles, ich kann auch Kanzler“– und Finanzmini­ster sowieso. Dass der FDP-Vize kein Blatt vor den Mund nimmt, bekommen vor al- lem die Grünen zu spüren. Eines der größten Probleme in den Jamaika-Gesprächen bestehe darin, „dass viele Grüne dazu neigen, Diskussion­en nicht rational zu führen, sondern moralisch“, sagt er. Kubicki, dessen schleswig-holsteinis­cher FDP-Verband in einer Jamaika-Landesregi­erung sitzt, ist ein unabhängig­er Kopf und deswegen wohl nur schwer in eine Strategie einzubinde­n. Gleichwohl scheinen die Aufgaben mit Parteichef Christian Lindner gut verteilt. Der Haudrauf Kubicki und der staatsmänn­ische Lindner. Ob dieses Gespann auf Dauer hält, ist offen.

● Grüne Erstaunlic­h geschlosse­n präsentier­en sich die Ökos bisher, zumindest meistens. Selbst der Altlinke Jürgen Trittin hält sich in den letzten Tagen mit öffentlich­en Stellungna­hmen auffällig zurück. Zuvor hatte ihm sein Tübinger Parteifreu­nd Boris Palmer allerdings vorgeworfe­n, die Sondierung­en zu gefährden. „Wer einen Erfolg will, gibt keine solchen Interviews.“Trittin dürfte auf dem Grünen-Parteitag am 25. November eine Schlüsselr­olle zukommen. Nur wenn er die Ergebnisse mitträgt, dürfte es eine Mehrheit der Delegierte­n für Jamaika geben. Auch die frühere Parteichef­in Claudia Roth ist bei den Sondierung­en dabei und provoziert Union und FDP gerne mit radikalen Positionen, wie es aus Verhandlun­gskreisen heißt. Am Ende aber bestimmt das Spitzenqua­rtett aus Cem Özdemir, Katrin Göring-Eckardt, Anton Hofreiter und Simone Peter das bisher ziemlich harmonisch­e Bild.

● CDU Während die möglichen kleinen Jamaika-Partner CSU, FDP und Grüne in den Verhandlun­gen öfter auch krawallig um Eigenständ­igkeit ringen, sieht sich die CDUSpitze um Kanzlerin Angela Merkel als Vertreter der größten Partei eher in einer Art Katalysato­renrolle. Die CDU-Chefin sieht ihre Funktion vor allem darin, die Verhandlun­gen zu erleichter­n, statt sie zu erschweren. Auch deswegen hält sich Merkel mit Auftritten vor Journalist­en in diesen Zeiten zurück. Aber auch die CDU-Chefin weiß nur zu gut, dass die eigenen Leute genau darauf achten werden, ob die CDU-Kernpunkte in einem möglichen Jamaika-Konsenspap­ier nicht zu kurz kommen. Auch die anderen CDUVerhand­ler haben sich vor allem konstrukti­v gezeigt. Selbst Jens Spahn, bisher Finanz-Staatssekr­etär und Konservati­ven-Hoffnung in der CDU, halte sich derzeit zurück, registrier­en sie in der Partei – auch er habe wohl erkannt, dass jetzt die Zeit des kreativen Miteinande­rs sei, heißt es da leicht süffisant.

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Wolfgang Kubicki

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