Donau Zeitung

Von Traum Erfüllern und Trump Entlarvern

Wir haben Lehrer aus dem Landkreis gefragt, wie praxisnah ihre Fächer sind. Heraus kamen viele Tipps von der Schule für den Alltag

- VON CORDULA HOMANN UND BENJAMIN REIF Foto: Cordula Homann

Lauingen/Wertingen Kürzlich ging ein Drucker am Lauinger AlbertusGy­mnasium kaputt. Schüler haben das Gerät zerlegt: Vier Elektromot­oren haben sie entdeckt. Damit arbeiten sie jetzt an einer neuen Erfindung. Am heutigen Freitag ist der Welttag der Wissenscha­ften. Aber welches Wissen schaffen Wissenscha­ften?

Die Klasse seines Kollegen Peter Zehentmeie­r will die vier Elektromot­oren aus dem kaputten Drucker recyceln. „Wir denken darüber nach, sie an einem Kinderroll­er zu befestigen. Der könnte ein Elektrofah­rzeug werden, ein ‚Droller‘“, deutet der Lehrer an. Mehr will er noch nicht verraten. Schüler der 9. Klasse lernen am Lauinger Gymnasium dagegen gerade, wie ein Elektromot­or funktionie­rt. Demnächst basteln sie einen. „Danach können sie, wenn ein Gerät kaputtgeht, einen Defekt etwa an der Kaffeemasc­hine auf jeden Fall eingrenzen“, sagt Physiklehr­er Thomas Müller. Die UNESCO, die Wissenscha­ftsund Erziehungs­organisati­on der Vereinten Nationen, hat den heutigen Welttag der Wissenscha­ften ausgerufen. An diesem Tag werden alle Wissenscha­ften und deren Beiträge zu Frieden und gesellscha­ftlicher Entwicklun­g gefeiert. Dazu gehören auch die Sprachen. Die Schüler von Gabriele Hieber fragen regelmäßig nach englischen Begriffen, die sie bei Online-Spielen oder beim Anschauen von Youtube-Videos aufgeschna­ppt haben. In der 6. Klasse hat die Lehrerin gerade den Popsong „Everything at once“von Lenka eingebaut. „Das motiviert die Schüler.“In der Oberstufe lernen sie auch, wie man Briefe, E-Mails oder Bewerbunge­n auf Englisch schreibt – was im späteren Berufslebe­n durchaus hilfreich sein kann. „Englisch ist längst keine Fremdsprac­he mehr“, weiß Gabriele Hieber. Viele Eltern freuen sich auch, wenn ihre Kinder Französisc­h lernen, sagt Kollegin Sabine Werner, Fachbetreu­erin für Französisc­h in Lauingen. Schon nach dem ersten Schuljahr könne man sich im Nachbarlan­d gut durchschla­gen. „Dann geht es im nächsten Urlaub mal nicht nach Italien, sondern nach Frankreich.“

Was man dort alles sehen kann, wenn die Reise gut vorbereite­t wurde, das erfuhren die Schüler, die die- ses Jahr bei Dr. Arnold Schromm in Geschichte ihre W-Seminararb­eit gemacht haben. „Damit wird man an das wissenscha­ftliche Arbeiten herangefüh­rt“, erklärt der Lehrer die Arbeit. Er gab das Thema „Reisen zur Geschichte“vor. Beziehen sollte sich das auf eine Region oder eine Stadt in Europa. Ein Schüler begab sich auf die Spuren der Französisc­hen Revolution durch Paris. „Jeder wird früher oder später eine Städtereis­e machen – mit so einer Arbeit bekommen die Schüler das Handwerksz­eug, sich darauf vorzuberei­ten“, erklärt Schromm. Schließlic­h habe schon Goethe gesagt: „Man sieht nur, was man weiß.“Wer blind durch die Gegend laufe, dem werde es schnell langweilig. Schromm hofft, dass die Schüler so auf den Geschmack einer guten Reisevorbe­reitung gekommen sind.

In Deutsch lernt eine Klasse von Ruth Philipp-Schromm gerade, dass es in der Verantwort­ung eines Wissenscha­ftlers liegt, was mit seiner Wissenscha­ft passiert. Ihr Kollege Peter Zehentmeie­r stimmt ihr zu. Der Begriff Chemie sei so negativ besetzt. Dabei sei eine Erkenntnis, etwa Feuermache­n, nicht gut oder schlecht. Entscheide­nd sei, was der Mensch damit macht. In Deutsch haben die Schüler an Werken wie Goethes Faust, Dürrenmatt­s „Die Physiker“und Frankenste­in von Mary Shelley herausgear­beitet, ob die Wissenscha­ftler in diesen Werken Helden oder Schurken sind und warum. „Dass sich in der Literatur die Lebenswirk­lichkeit widerspieg­elt, ist für die Schüler vielleicht nicht immer so präsent“, sagt Ruth Philipp-Schromm. Aber je länger man sich mit einem Thema beschäftig­t, umso mehr würden die Jugendlich­en das erkennen. „Und wir hoffen, sie erinnern sich später daran.“In der achten Klasse lernen die Schüler zu debattiere­n. Und dass man seine Argumente belegen können muss. Manche Eltern hätten dann das Problem, dass der Teenager zuhause zig gute Gründe dafür hat, warum er am Freitagabe­nd noch weggehen kann. Die Schüler würden vor allem verstehen, dass es nichts nützt, etwas zu behaupten, was man es nicht belegen kann. „Wenn das einer versucht, etwa USPräsiden­t Trump“, sagt die Pädagogin, „darf und muss man ihm misstrauen.“Auch mit so einer Erkenntnis wolle man die Jugend für die Zukunft wappnen.

Dieter Monninger will seinen Schülern Mut machen, ihre Träume zu realisiere­n. Deswegen ließ er ihnen in seinem W-Seminar „Modellbau“alle Freiheiten – mit erstaunlic­hen Ergebnisse­n: „Bei mir stehen jetzt ein Wohnzimmer- und ein Schminktis­ch, ein Modellboot und ein Trainingsg­erät. Das hat ein Schüler gebaut, der hochklassi­g Handball spielt.“Ein anderer wollte eine Ukulele und dachte, das geht nicht. Jetzt ist sie fertig und der Jugendlich­e stolz drauf. Eine andere Schülerin hat als Seminararb­eit einen Quadrokopt­er gebaut – ohne Bausatz. Das hat ihr so viel Spaß gemacht, dass sie nach dem Abitur ein duales Studium Robotik beginnen wird, sagt Monninger nicht ohne Stolz. Den Studienpla­tz hat die Schülerin schon. Ein weiteres spannendes Projekt: In der elften Klasse lehrt Physiklehr­er Monninger die verschiede­nen Themen im Lehrplan anhand des Handys: etwa Sender und Empfänger, wie ein Akku funktionie­rt oder Strahlung. „Das ist mein Traumthema, Physik im Alltag“, sagt der Lehrer begeistert.

Wolfgang Plarre lehrte in Wertingen einst Chemie. Auch er hat bemerkt, wie oft Chemie als Ganzes verdammt wird. „Garantiert ohne Chemie“sei ein beliebter Slogan geworden. Nach Ansicht Plarres eine völlig sinnlose Phrase. „Alles Leben beruht auf Chemie. Und jeder wendet im Alltag oft Chemie an – zum Beispiel beim Kochen oder Braten.“

Sein ehemaliges Lehrfach sei in zwei wesentlich­e Themengebi­ete aufgeteilt: organische und anorganisc­he Chemie. Während in der anorganisc­hen Chemie „tote“Materie behandelt wird, wie etwa Steine, handelt die organische Chemie von

Wie Medikament­e wirken und Hunde reagieren

allem, was mit Lebewesen zu tun hat. „Es lohnt sich, sich mit der Chemie auseinande­rzusetzen“, sagt Plarre. „Schließlic­h leben wir alle in einer tollen Chemiefabr­ik – unserem Körper.“Wer sich damit beschäftig­t, kann etwa besser verstehen, wie Medikament­e nach der Einnahme wirken. Eine nette Geschichte fällt Peter Zehentmeie­r noch ein: Er erinnert sich an eine fünfte Klasse, der er im Fach Biologie gerade den Hund erklärte. Dazu gehört auch die richtige Reaktion darauf, wenn einem ein kläffender Vierbeiner gegenübers­teht: „Man läuft nicht weg, das weckt den Jagdinstin­kt. Man schaut ihm nicht direkt in die Augen, das provoziert. Man sieht direkt über das Tier hinweg und geht ruhig weiter.“Eine Woche später erzählte ein Mädchen begeistert, was ihm passiert war. „Ein Hund hat mich angebellt – da habe ich mich genau so verhalten, wie Sie gesagt haben. Und es hat funktionie­rt.“

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Wolfgang Plarre

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