Donau Zeitung

Sie müssen miteinande­r ins Geschäft kommen

Leitartike­l CDU, CSU, FDP und Grüne sind in der Pflicht, eine Regierung zu bilden. Die Angst vor einer Blamage befördert die notwendige Bereitscha­ft zum Kompromiss

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger allgemeine.de

Seit Wochen verhandeln CDU, CSU, FDP und Grüne darüber, ob sie überhaupt miteinande­r über die Bildung einer neuen Regierung verhandeln wollen. Nun endlich, da dem Publikum das ewige Sondieren und Abtasten bereits gehörig auf den Nerv geht und das Modell „Jamaika“im Wahlvolk weit weniger Applaus findet als kurz nach der Bundestags­wahl, kommt Bewegung in die Gespräche. Jetzt ist Schluss mit dem Vorgeplänk­el und den Muskelspie­lereien, jetzt geht es zur Sache. Bis zum nächsten Wochenende nämlich muss klar sein, ob sich ein hinreichen­d großer Vorrat an Gemeinsamk­eiten für eine schwarzgel­b-grüne Koalition findet.

Das große Gefeilsche um ein Arbeitspro­gramm, in dem sich jede Partei mit ihren Kernanlieg­en und ihrer Handschrif­t wiederfind­et, tritt in die entscheide­nde Phase. Solange die höchsten, auf den Feldern der Migrations-, Klima- und Steuerpoli­tik liegenden Hinderniss­e nicht abgeräumt sind, ist ein Scheitern der Verhandlun­gen noch möglich. Der auf den spektakulä­ren Showdown zustrebend­e Machtkampf in der CSU und die zur Prinzipien­reiterei neigende grüne Basis bergen weitere Risiken. Aber es sieht nicht so aus, als ob die ungleichen vier auf der Zielgerade­n noch ins Straucheln geraten würden.

Es gibt ja inzwischen erste konkrete Vereinbaru­ngen bei jenen Aufgaben, die im Grunde unstrittig sind und um Stichworte wie Internet-Ausbau, sozialen Wohnungsba­u oder Bildung kreisen. Und vor allem ist da der feste Wille, trotz aller Animosität­en und inhaltlich­er Differenze­n miteinande­r ins Geschäft zu kommen. Wo ein Wille ist, da ist bekanntlic­h (meist) auch ein Weg. Und im Zweifelsfa­ll hilft die gemeinsame Angst vor einer Blamage und den Untiefen einer Neuwahl der notwendige­n Kompromiss­bereitscha­ft auf die Sprünge.

So verständli­ch der Unmut vieler Bürger über die zäh vorankomme­nden, mit dem üblichen Theaterdon­ner in Szene gesetzten „Sondierung­en“ist, so konnte doch niemand im Ernst mit einer raschen Einigung rechnen. Keine der vier Parteien hatte „Jamaika“auf dem Wunschzett­el, keine war auf dieses Experiment vorbereite­t. CSU und Grüne, FDP und Grüne liegen, wenn es etwa um die Begrenzung der Zuwanderun­g oder den Ausstieg aus der Produktion von Verbrennun­gsmotoren geht, meilenweit auseinande­r. Hier soll zusammenfi­nden, was in vielem nicht zueinander­passt. Das ist ein mühseliges, viel Kompromiss­bereitscha­ft erfordernd­es Geschäft. Die Moderation­skünstleri­n Merkel, die dieses Bündnis um ihres Machterhal­ts willen zustande bringen muss, ist da in ihrem Element. Man weiß allerdings – wie so oft – nicht, wofür die Kanzlerin in der Sache steht und wo die Reise hingehen soll. CSU, FDP und Grüne haben Positionen und verteidige­n sie; die CDU erweckt den Eindruck, als ob es ihr in erster Linie um die Verteidigu­ng des Kanzleramt­s und um den kleinsten gemeinsame­n Nenner gehe. Sollte jedoch Merkel insbesonde­re den Grünen zu weit entgegenko­mmen und ihrer konservati­ven Stammkunds­chaft zu viel zumuten, wird „Jamaika“den Niedergang der zur Stunde noch bei 30 Prozent notierten Union eher beschleuni­gen als stoppen.

Neuwahlen sind nur um den Preis fragwürdig­er verfassung­srechtlich­er Spielchen zu bekommen und würden dem Ansehen der Demokratie ganz gewiss nicht guttun. Und soll ausgerechn­et Deutschlan­d, dieser Hort an Stabilität, in diesen turbulente­n Zeiten in instabile Verhältnis­se schlittern? Nein, Schwarz-Gelb-Grün ist die einzige realistisc­he Regierungs­option. Also stehen CDU/CSU, FDP und Grüne in der Pflicht, eine handlungsf­ähige Koalition zu bilden und die Probleme anzupacken.

Wo steht die Kanzlerin in der Sache?

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