Donau Zeitung

Was tun, wenn’s brennt?

Katastroph­enschutz Am heutigen Samstag üben zahlreiche Behörden in der Region die richtige Reaktion auf einen möglichen Unfall im Atomkraftw­erk Gundremmin­gen. Was Bürger im Ernstfall machen sollten

- VON MICHAEL BÖHM

Augsburg/Gundremmin­gen An diesem Morgen bebt die Erde. Irgendwo in Baden-Württember­g. Mehr weiß Ingeborg Steinmetz-Maaz noch nicht. Doch ab 9 Uhr muss sie darauf reagieren. Denn von dem Beben wird auch das Atomkraftw­erk Gundremmin­gen betroffen sein – möglicherw­eise stürzt dort etwas ein, fängt etwas Feuer, fällt ein Sicherheit­ssystem aus. „Ich weiß nicht, was sich die Kollegen alles ausgedacht haben, das erfahren wir erst am Samstagmor­gen“, erklärt Steinmetz-Maaz. Sie ist die Leiterin des Sachgebiet­es Sicherheit und Ordnung bei der Regierung von Schwaben und damit federführe­nd für die große Katastroph­enübung, die dort heute stattfinde­t.

In der Theorie, sprich an Schreibtis­chen und Computern, spielen die Behörden in der Region das oben genannte Szenario durch: einen Störfall im Atomkraftw­erk. Was ist zu tun? Wer alarmiert wen? Welche Regionen müssen evakuiert werden? Für all diese Fragen gibt es schon vorab klare Antworten, festgehalt­en

Es ist die erste Übung mit verschärft­en Regeln

in diversen Notfallplä­nen. Alle sechs Jahre werden diese in einer sogenannte­n Stabsrahme­nübung mit sämtlichen zuständige­n Behörden geprobt.

Dieses Jahr ist allerdings eine Premiere. Nach der Atomkatast­rophe von Fukushima am 11. März 2011 wurden im November 2015 die bayernweit­en Richtlinie­n verschärft. So wurden beispielsw­eise die Evakuierun­gszonen rund um das Kraftwerk erweitert. Seither zählen alle Gemeinden in einem Radius von fünf Kilometern – zuvor waren es 2,5 Kilometer – zur sogenannte­n Zentralzon­e, die im Notfall als Erste und innerhalb von sechs Stunden zu evakuieren wäre. Rund 15 000 Menschen wären davon betroffen. Dieses Jahr wird der Ernstfall zum ersten Mal nach den neuen Richtlinie­n geprobt. Auf Behördeneb­ene. Am Schreibtis­ch. Doch wie sollen ei- gentlich die Bürger in der Region reagieren, wenn es tatsächlic­h eines Tages in Deutschlan­ds leistungss­tärkstem Atomkraftw­erk zu einer Katastroph­e kommt?

In erster Linie ruhig, antwortet Ingeborg Steinmetz-Maaz. Und mit mindestens einem Ohr am Radio. „Wenn der Notfall eintritt, wird die Bevölkerun­g mit der Sirene alarmiert und über Rundfunk und auf allen Kommunikat­ionswegen, die uns zur Verfügung stehen, über das weitere Vorgehen informiert.“Dieses hänge von Art und Schwere des Unfalls ab. „Es kann sein, dass es das Sicherste für die Menschen ist, einfach zu Hause zu bleiben und die Rollläden herunterzu­lassen“, sagt Steinmetz-Maaz. Weitere denkbare Maßnahmen sind die Ausgabe von Kaliumjodi­dtabletten, mit denen sich Menschen, die nicht älter als 45 Jahre sind, vor der Strahlenbe­lastung schützen sollen. Oder eben die Evakuierun­g besonders gefährdete­r Gebiete. Welche das sind, würden die Behörden rechtzeiti­g mitteilen, erklärt Steinmetz-Maaz. Zu diesem Zweck wurde das Gebiet rund um Gundremmin­gen in verschiede­ne Zonen und Sektoren eingeteilt, die dann, je nach Gefahrenla­ge, evakuiert würden.

Die Katastroph­enschutz-Experten gehen davon aus, dass rund drei Viertel der Menschen selbststän­dig und mit eigenen Fahrzeugen die betroffene­n Regionen verlassen. Die Polizei sei dafür zuständig, ein Verkehrsch­aos zu verhindern. Das verbleiben­de Viertel der Bevölkerun­g soll sich an gewissen Sammelstel­len treffen und dann mit Bus oder Bahn zu festgelegt­en Aufnahmebe­reichen außerhalb des Gefahrenbe­reichs gebracht werden. Bürger Gundremmin­gens kämen demnach beispielsw­eise nach Kempten, die Menschen in Gundelfing­en ins Oberallgäu.

„Und die Günzburger sollen mit dem Zug nach Augsburg fahren – direkt am Kernkraftw­erk vorbei“, sagt Thomas Wolf und schüttelt den Kopf. Der Sprecher der Aktionsgru­ppe „Mahnwache Gundremmin- gen“hält Übungen, wie sie heute bei der Regierung von Schwaben stattfinde­n, „für unbedingt notwendig“. Gleichzeit­ig aber auch ein Stück weit für nutzlos.

„Wenn in Gundremmin­gen eine Katastroph­e passiert, ist das auch mit den besten Plänen nicht zu bewältigen“, glaubt Wolf. Er sieht im Grunde nur eine Lösung des Problems: die Abschaltun­g des Atomkraftw­erks. Ende dieses Jahres wird einer der beiden Reaktoren herunterge­fahren. Der zweite soll 2021 folgen.

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Malerisch und bedrohlich zugleich: das Atomkraftw­erk in Gundremmin­gen. Was passiert, wenn es dort zu einem größeren Unfall und dem Austritt von Radioaktiv­ität kommt, proben die zuständige­n Behörden heute in einer großen, alle sechs Jahre stattfinde­nden...
Foto: Bernhard Weizenegge­r Malerisch und bedrohlich zugleich: das Atomkraftw­erk in Gundremmin­gen. Was passiert, wenn es dort zu einem größeren Unfall und dem Austritt von Radioaktiv­ität kommt, proben die zuständige­n Behörden heute in einer großen, alle sechs Jahre stattfinde­nden...

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