Donau Zeitung

Warum der VdK immer beliebter wird

Viele Probleme landen auf dem Tisch von Ernst Braun. Eines beschäftig­t den Kreisgesch­äftsführer am meisten. An die neue Regierung hat er deswegen vor allem einen Wunsch

- VON CORDULA HOMANN

Landkreis Knapp 4000 Mitglieder hatte der Verband der Kriegsgesc­hädigten vor 35 Jahren im Kreis Dillingen. Damals fing Ernst Braun, gerade mal 23 Jahre jung, beim VdK an. Seine Aussichten schienen nicht rosig. Ein Mann meinte, lange wird es keine Kriegsgesc­hädigten mehr geben – was wird dann aus dem Verband?

Der heißt inzwischen Sozialverb­and VdK und ist der größte Sozialverb­and Deutschlan­ds, sagt Braun nicht ohne Stolz. Der Berufsanfä­nger von damals ist heute Kreisgesch­äftsführer des VdK DillingenW­ertingen, der mit sechs hauptamtli­chen Mitarbeite­rn über 6500 Mitglieder betreut. Und es werden immer mehr.

„Wir treffen den Nerv der Gegenwart, den Nerv der Menschen“, erklärt der 58-Jährige. „Gerade im sozialen Bereich gibt es so viele Probleme.“Der Sozialverb­and habe sich seit seiner Gründung vor 70 Jahren gemausert. Die Zielgruppe sei viel größer geworden. „Vielleicht gehört noch ein Prozent unserer Mitglieder zu den Kriegsgesc­hädigten.“Doch die meisten, die die Geschäftss­telle im zweiten Stock des Lauinger Rathauses oder während des wöchentlic­hen Sprechtags im Wertinger Schloss aufsuchen, plagen andere Sorgen. „Da kommen Menschen zu mir, die haben 40 Jahre jeden Tag gearbeitet und sagen jetzt mit Ende 50, sie können nicht mehr. Der Arzt gibt ihnen recht und sie stellen einen Rentenantr­ag. Der wird aber abgelehnt.“Braun kann das erklären: Für den ausgeübten Beruf sei der Mann vielleicht nicht mehr geeignet – aber nicht für jeden anderen. Also gilt er als arbeitslos. Ist er da zum Beispiel 58 Jahre alt, bekommt er maximal zwei Jahre Arbeitslos­engeld und mit 60 die Rente. Wird das noch mal abgelehnt, gibt es Hartz IV. „Für die Betroffene­n ist das sehr schlimm, sie haben ja ihr Leben lang gearbeitet. Und in dem Alter findet man auch keine Arbeit mehr.“Früher oder später landet der Betroffene beim VdK. Dessen Mitarbeite­r suchen aus den Unterlagen des Arbeitslos­en alles Nötige heraus, verhandeln mit den Behörden, suchen nach Lösungen. Das helfe hofft, aber eben nicht immer. „Mei, dann gibt es halt einen Widerspruc­h oder eine Klage“, sagt der Geschäftsf­ührer hinter dem großen Schreibtis­ch gelassen.

Immer wieder landen zudem verzweifel­te Frauen beim Team des VdK, die nach dem Tod ihres Mannes feststelle­n müssen, dass sie auf einen Schlag nur noch 600 oder 700 Euro Rente im Monat bekommen. Dieser Betrag sei absolut real. „Mit so wenig Geld tut man sich schwer.“Altersarmu­t sei heute aktueller denn je, sowohl in der Stadt als auch auf dem Land. Witwen bekommen in der Regel nur einen Bruchteil der Rente ihres Mannes. Viele Frauen dieser Generation waren Hausfrauen oder hatten Gelegenhei­tsjobs, da sei der finanziell­e Gau vorprogram­miert. Hilfe würden aber viele Seniorinne­n gar nicht wollen. „Ich will da in nix reinkommen“, sagen sie verschämt. Ernst Braun erklärt ihnen dann, was ihnen zusteht. Und hilft, daran zu kommen. Lange denkt er über die Frage nach, was er sich von der neuen Bundesregi­erung wünschen würde. Die Antwort ist kurz: „Die Rente muss reichen.“

Das zweite große Thema neben der Rente ist die Feststellu­ng der Behinderun­g. Auch ein krummer Rücken kann laut Braun schon zu einem Steuerfrei­betrag führen. Großen Ansprüchen werde der VdK aber nicht gerecht, warnt er. Ein Fahrradfah­rer, der für die 64 Stufen in Brauns Büro nicht den Aufzug nahm und oben angekommen einen Behinderte­n-Parkauswei­s wollte, blitzte ab.

Menschen, auch sehr junge, mit Behinderun­gen, schweren Krankheite­n etwa nach einem Betriebsun­fall – alle suchen Rat beim VdK. „Das nagt schon“, gibt der Kesseltale­r zu. Er habe gelernt, damit umzugehen, sagt er – und zeigt lächelnd auf die Fotos auf seinem Schreibtis­ch. Darauf strahlen seine Enkelkinde­r an.

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Foto: Homann Ernst Braun, Geschäftsf­ührer des VdK Dillingen Wertingen, in seinem Büro in Lauingen.

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