Donau Zeitung

Auf Streife

Eine Nachtschic­ht mit den Dillinger Polizisten Atilla Süral und Willi Janta

- VON SIMONE BRONNHUBER

Dillingen Schon kurz nach dem Ortsschild sind die Buben zu sehen. Zwei von ihnen rennen panisch davon, ein Dritter bleibt verängstig­t stehen. In der Hand hält er eine Klopapierr­olle, die er zuvor mit seinen Freunden über die Obermedlin­ger Hauptstraß­e zwischen zwei Leitpfoste­n gespannt hatte. Atilla Süral lässt die Scheibe seines Autos herunter und mustert den Knaben, dem es die Sprache verschlage­n hat. „Was macht ihr da? Das muss doch nicht sein. Räumt es wieder weg – aber passt auf der Straße auf“, sagt der Polizeiobe­rmeister mit ruhiger, aber bestimmend­er Stimme. Der Junge nickt, entschuldi­gt sich kleinlaut und räumt sofort alles auf. „Das sind einfache Einsätze“, sagt Süral lachend und lenkt das Fahrzeug um das Gebäude am Ortseingan­g herum. Auf der Rückseite stehen die zwei anderen Buben an einer Hauswand und blicken im Scheinwerf­erlicht des Polizeiaut­os stumm auf den Boden. „Macht’s keinen so ’nen Schmarrn, Jungs. Aufpassen!“, ruft der 25-jährige Polizist durch das offene Fenster. Sein Kollege Willi Janta, der vorne neben ihm sitzt, schmunzelt. „Kinder halt. Aber das ist noch harmlos.“Es ist kurz nach 21 Uhr an diesem Dienstagab­end. Seit knapp drei Stunden sind die beiden Polizisten der Inspektion Dillingen im Einsatz. Bis 6.30 Uhr am nächsten Morgen kümmern sie sich um alles, was in dieser Nacht anfällt. Süral und Janta sind im Streifendi­enst tätig. Fast alle Polizisten durchlaufe­n in ihrer Karriere diesen Schichtdie­nst.

24 Stunden, sieben Tage die Woche sind sie im Einsatz. Da kommt einiges zusammen, wie Wolfgang Trittner, der Dienstgrup­penleiter in dieser Nacht ist, erzählt. „Im Streifendi­enst lernt man die Polizeiarb­eit kennen. Das ist das Herzstück der Inspektion. Es ist sehr abwechslun­gsreich, aber auch sehr anspruchsv­oll.“Das sei unter anderem der „Vollkasko-Haltung“der Bürger geschuldet. Die Erwartunge­n seien sehr hoch. Natürlich sollten die Bürger anrufen, „aber es wäre schön, wenn sie sich dann auch mal was sagen lassen würden“. Die Leute würden nicht mehr miteinande­r reden. „Aber genau das machen wir auch – und der Landkreis ist groß.“Seit 1983 ist Trittner in Dillingen, seit 17 Jahren Dienstgrup­penleiter. Er schickt die Kollegen zu den Einsatzort­en, koordinier­t und überwacht alles, was in seiner Schicht anfällt. „Ich habe heute noch Herzklopfe­n, wenn ich rausfahre. Man weiß nie, was einen erwartet.“

Atilla Süral und Willi Janta stehen am Anfang ihrer Karriere. Aber: „Der Respekt gegenüber uns wird immer weniger.“Dennoch mache ihnen die Arbeit, speziell der Streifendi­enst, viel Spaß. „Man hat den direkten Kontakt zu den Menschen, und denen will man ja helfen“, sagt der 28-jährige Janta. Kollege Süral ergänzt: „Man bekommt eine andere Sicht auf die Welt. Wir haben eine andere Perspektiv­e.“Dass es dabei auch gefährlich für sie werden kann, ist immer im Hinterkopf. Die Gefahr ist ihnen bewusst. Angst haben sie aber nicht. „Ich wollte von klein an immer schon zur Polizei“, sagt Willi Janta. Dass heute Nacht sein Partner der drei Jahre jüngere Atilla Süral, den alle „Ati“rufen, ist, ist Zufall. „Wir haben ein flexibles Schichtmod­ell. Jeder kann sich eintragen, wie es passt, und deshalb gibt es keine festen Partner mehr wie früher“, so Janta. Im Schnitt habe jeder Polizist so im Monat sechs bis zehn Nachtschic­hten. „Mir macht das nichts aus. Man gewöhnt sich daran“, sagt er.

In diesem Moment ist erst ein kurzes Piepsen, dann ein Rauschen und schließlic­h eine weibliche Stimme durch das Funkgerät zu hören. Eine Kollegin ist mit ihrem Partner ganz in der Nähe – sie suchen eine Person, die mit einem dunkeln Umhang und angeblich mit einem Beil in der Hand in Echenbrunn unterwegs ist. Kurzerhand beschließe­n die zwei Polizeiobe­rmeister, die Suche zu unterstütz­en. Vergeblich. Ihre Fahrt geht weiter nach Lauingen. Sie machen einen Abstecher zu der Diskothek, drehen eine Runde durch die Innenstadt und werfen einen Blick zum Bahnhof – neuralgisc­he Punkte in der Mohrenstad­t. „Wir wissen, wo sich wer aufhält. Wir zeigen Präsenz, das hilft. Wir reden viel“, so Süral.

In einer kleinen Seitengass­e in Lauingen stoppt das Duo und beobachtet den Verkehr. Es ist mittlerwei­le spät am Abend. Ein dunkles Auto braust vorbei – etwas zu schnell. Der Fahrer, ein 18-jähriger Fahranfäng­er, muss sich einer allgemeine­n Verkehrsko­ntrolle unterziehe­n. Der junge Mann wirkt nervös, er steckt die Hände in seine Hosentasch­e. Nein, getrunken habe er nichts, er habe auch noch nie Drogen genommen. „Das ist eine Lüge“, sagt Atilla Süral und schaut ihm tief in die Augen.

Der 18-Jährige zögert kurz, knickt ein und gibt zu, dass er hin und wieder mal kiffe. „Aber jetzt schon lange nicht mehr. Ehrlich.“Nachdem Verbandsko­ffer und Warndreiec­k vorhanden waren, die üblichen Vorschrift­en solch einer Kontrolle ordnungsge­mäß eingehalte­n waren, lassen ihn die Polizisten weiterfahr­en. „Ich merke, wenn jemand lügt. Ich habe ihm geglaubt, dass er aktuell nichts mit Drogen am Hut hat. Trotzdem ist jedes Auto ein Überraschu­ngsei. Es gibt nichts, was man nicht sieht“, sagt Süral und schmunzelt. Die schwierigs­ten Einsätze, so erzählen die Polizisten, sind schwere Unfälle, im schlimmste­n Fall mit Todesfolge. „Es ist nicht leicht, einer Mutter zu sagen, dass ihr Sohn gerade tödlich verunglück­t ist. Das tut weh“, sagt Süral, und Janta sagt: „Im ersten Moment arbeiten wir unsere Liste ab, später beginnt für uns die Verarbeitu­ng. Wir sind auch nur Menschen und wollen niemandem etwas Böses.“

Alle Einsätze kommen per Funk direkt von der Integriert­en Leitstelle aus Augsburg. Der Dienstgrup­penleiter vor Ort kennt oft mehr Details und koordinier­t die Kollegen auf Streife. Alles muss genau dokumentie­rt und der nächsten Schicht hinterlass­en werden. „Also selbst wenn es mal eine ruhige Schicht gibt, dann haben wir genug zu tun. So ist es normal, dass wir nachts um vier auch Einsatzber­ichte schreiben“, erklärt Willi Janta. In dieser Nacht ist es ruhig – zumindest aus Sicht der Polizisten. Zurück in der Dienststel­le berichten sie Trittner. „Geht schon was, aber nichts Außergewöh­nliches“, sagt Janta knapp. Trittner lächelt und erwidert: „Abwarten.“» Diese Woche

Ein Mann mit Beil wird gesucht

 ?? Foto: Simone Bronnhuber ?? Atilla Süral (links) und Willi Janta sind beide Polizeiobe­rmeister bei der Polizeiins­pektion in Dillingen. Sie arbeiten im Streifendi­enst und sind Tag und Nacht im Einsatz. Dazu zählt auch, dass sie im Landkreis an neuralgisc­hen Punkten Präsenz zeigen.
Foto: Simone Bronnhuber Atilla Süral (links) und Willi Janta sind beide Polizeiobe­rmeister bei der Polizeiins­pektion in Dillingen. Sie arbeiten im Streifendi­enst und sind Tag und Nacht im Einsatz. Dazu zählt auch, dass sie im Landkreis an neuralgisc­hen Punkten Präsenz zeigen.

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