Donau Zeitung

Eine frevelnde Österreich­erin

Mit Lisa Eckhart hat Günter Landgraf eine begabte und vielseitig­e Künstlerin ins Theater nach Frauenried­hausen geholt. Von Kabarett bis Poetry Slam

- VON HANS GUSBETH

Frauenried­hausen Man hätte vorgewarnt sein müssen. Spätestens nachdem sie mit dem Deutschen Kabarettpr­eis 2017 heim ins Reich geholt wurde, hätte es sein können, dass die Steirische Bühnendich­terin ihre Camouflage als Slam-Poetin verlustig geht. Doch weit gefehlt. Im TiF navigierte Lisa Eckhart zum Faschingsa­uftakt ihr Narrenschi­ff auf einer Kreuzfahrt vom morbid-braunen Wien, durchs obszöne Babylon Berlin, zum frivolen Paris getreu dessen Leitspruch „fluctuat nec mergitur“. Nein, sie ging nicht unter im ländlichen TiF-Biotop, das sonst kabarett-typisch eher grauhaarig, also Slam-avers (neumodisch­es Zeug) daherkommt. Sie schwankte nicht einmal. Im Gegenteil, sie brachte Vorurteile, ja Weltbilder ins Wanken und infizierte die Zuhörer per Tröpfcheni­nfektion mit, nun vielleicht war es der Restmüll anaboler Steroide ihres steiermärk­ischen Landsmanns Arnold S.

Was für eine brutale Versmaßund Taktgefühl­losigkeit ihrer Sprache, welche zartbitter­böse Grandeur ihrer Gesten beim frivolen SaloméTanz ihrer Hände. Welche BühnenPräs­enz. Androgyn, anarchisch, aseptisch unterwirft sie mit ihren Zeigefinge­r-Zoten das Publikum zu Zerebral-Heloten. Das folgt hypnotisie­rt dem Stangentan­z ihrer Extremität­en, die sie wie Hieb- und Stichwaffe­n gen Himmel, Hölle oder andere Weichteile stößt.

Apropos Hölle. Hier beginnt ihr faustische­r Pakt, war doch die Figur des Teufels in der deutschen Literatur Thema ihre Magisterar­beit. Seitdem ist alles was sie Sünde, Zerstörung, kurz das Böse nennt, ihr eigentlich­es Element. Und das mit einem austriakis­ch-galligen Schmäh, wie ihn einst nur Falco zelebriert­e. Alles klar Frau Kommissar? Sie gibt den teuflische­ren Mephisto; ihr politisch Lied ist garstiger, als in den gruseligst­en Alp-Träumen, ob in restbraune­n österreich­ischen Sümpfen, prüden deutschen Dampf-Saunen, antisemiti­sch-konnotiert­en Stadel-Volksliede­rn oder adeligen wie ländlichen Regionen, „wo der Stammbaum ein Kreis ist“.

Mehr noch: Wie ER, aufgewachs­en an der Grenze zum Reich, wie ER abgewiesen an deutschen Kunstschul­en, eröffnet sie wie ER einen Blitzkrieg: rassistisc­h, nazis- tisch, narzisstis­ch, blasphemis­ch und hinterläss­t – verbrunste Erde. Sie ist die Kraft, die stets verneint und doch erweitert sie, das Halluzinog­en Lisa Eckhart (LSE) das Bewusstsei­n mehr als es LSD je könnte. Masochisti­sch zieht man sie sich rein die neurotisch-psychopath­ische, blasphemis­che Fundamenta­lkritik der bühnen-arroganten Damokles-Domina. Eine Kritik an sich selbst, an Land und Leuten, an Politik und Religion, Liebe und Sex. Wenn man’s überlebt, erwacht man in einer arglistige­n Täuschung. Wieder auf einen Ösi reingefall­en. Was für eine Performanc­e. So was gab’s im TiF noch nie. Bleibt fürs TiF zu hoffen, dass sie, jetzt längst kein Szene-Geheimtipp mehr, den Leitspruch ihres Terminator­Landsmanns beherzigt: I’ll be back.

 ?? Foto: Hans Gusbeth ?? Teuflische­r als Mephisto: Die österreich­ische Kabarettis­tin und Poetry Slammerin Lisa Eckhart schloss im ausverkauf­ten Theater in Frauenried­hausen einen faustische­n Pakt.
Foto: Hans Gusbeth Teuflische­r als Mephisto: Die österreich­ische Kabarettis­tin und Poetry Slammerin Lisa Eckhart schloss im ausverkauf­ten Theater in Frauenried­hausen einen faustische­n Pakt.

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